1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Corona: Experten prüfen Handy-Ortung

6. März 2020

Deutschland erwartet immer mehr Corona-Fälle, aber noch kann die Epidemie eingedämmt werden. Experten prüfen nun die Möglichkeit, die Kontaktpersonen der Erkrankten auf eine andere Weise herauszubekommen.

Deutschland Coronavirus Labortests
Bild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Seit Wochen schon, aber besonders in den letzten Tagen, arbeiten Lothar Wieler und seine Kollegen rund um die Uhr. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts für Infektionskrankheiten in Berlin, der zentralen deutschen Einrichtung für den Kampf gegen das Corona-Virus, tritt in Berlin vor die Presse. Weltweit gibt es über 95.000 Infektionen, in Deutschland sind es 349, teilt er mit.

Und wichtig ist Wieler auch, zum Vergleich einmal auf die Menschen hinzuweisen, die seit Jahresbeginn in Deutschland an Influenza, also der ganz normalen Grippe, erkrankt sind: Es sind fast 120.000, 202 Todesfälle sind zu beklagen. Das Corona-Virus hat in Deutschland, auch wenn es die Schlagzeilen bestimmt, noch kein Todesopfer gefordert.

Medikamente schon bald, Impfstoffe erst sehr viel später

Gleichwohl ist Wieler weit davon entfernt, die neue Epidemie zu verharmlosen. Denn gegen das Corona-Virus gibt es anders als gegen die Influenza keinen Impfstoff. Noch nicht. Wieler vermutet, dass der Impfstoff, an dem auch im deutschen Robert-Koch-Institut intensiv geforscht wird, bald verfügbar ist. Aber bis geimpft werden kann, werden noch Monate vergehen, unter anderem wegen der nötigen Tests.

Lothar Wieler: "120 000 Grippe-Infizierte in Deutschland seit Anfang des Jahres!"Bild: Reuters/A. Hilse

Schon bald aber könnte es Therapeutika geben: "Wir sind optimistisch, dass in den nächsten Wochen solche Medikamente dann auch in Deutschland eingesetzt werden", so der Instituts-Präsident. Es liefen viele Studien, in China insbesondere, wo Medikamente zur Behandlung experimentell getestet würden.

Mehrheit der Infektionen jetzt im Inland

Mittlerweile infizieren sich die meisten Menschen in Deutschland im Inland selbst, bringen das Virus also nicht mehr von einer Auslandsreise mit. Von 307 Menschen mit dem Coronavirus in Deutschland haben sich 64 in Italien angesteckt, 14 im Iran und zwei in China. Aber der Großteil im Inland. Für Wieler ist das ein Hoffnungsschimmer, "weil wir damit auch gute Chancen haben, in Deutschland die Ausbreitung zu bekämpfen."

Die Zahlen, so Wieler, sind relativ genau: "Ich glaube nicht, dass wir eine allzu große Dunkelziffer haben, denn in Deutschland wird sehr intensiv getestet, in meinen Augen zu viel." Immer wieder raten die Mediziner den Menschen, sich nur dann testen zu lassen, wenn wirklich Symptome auftreten, dennoch werden Gesundheitsämter und Arztpraxen derzeit überrannt.

Kontakpersonen per Handyortung aufspüren?

Diesen Kampf führen in Deutschland in erster Linie die lokalen Gesundheitsämter. Nach Medienberichten fordern Experten nun, dafür nicht nur die Kontaktpersonen der Erkrankten zu erfragen, sondern über Handy-Daten zu orten. Solche Ortsdaten werden zum Beispiel von Apple und Google für einen langen Zeitraum gespeichert, auch ein Unternehmen wie die Telekom verfügt über solche Daten.

Kontaktpersonen von Infizierten mit dem Handy orten? Experten prüfen, ob das gehtBild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Wieler kann der Idee viel abgewinnen, wenn er auch hohe rechtliche, moralische, vor allem datenschutzrechtliche Hürden sieht. Aber er bestätigt auf Frage der DW: "Ganz konkret ist in den letzten beiden Tagen mit Unterstützung von auswärtigen Wissenschaftlern und Kollegen ein kleines Team da, das Skizzen dazu erarbeitet hat. Und wir wissen inzwischen, dass das technisch möglich ist."

Nötig sei dafür allerdings, dass der Infizierte seine Daten freiwillig zur Verfügung stellt. Wieler: "Das würde den Prozess der Kontakt-Nachverfolgung beschleunigen. Und das ist das Entscheidende, um die Ausbreitung zu verlangsamen."

Datenschutz spricht gegen diese Pläne

Gar nichts von der Idee hält dagegen Konstantin von Notz, der Innenexperte der Bundestagsfraktion der Grünen. Er nannte den Vorschlag auf Anfrage der DW wenig ausgereift: "Ein Zugriff auf diese Daten ist rechtlich beinahe ausgeschlossen und unterliegt vollkommen zu Recht hohen Hürden. Gerade, wenn sich Betroffene in Innenstadtlagen bewegt haben, dürften die Daten von hunderttausenden anderen Menschen, die sich in derselben Funkzelle befanden, mit erfasst sein. Eine solche Funkzellen-Analyse ist zudem äußerst aufwändig."

Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen): "Das ist rechtlich nahezu ausgeschlossen!"Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Lothar Wieler aber will weiter offen bleiben, auch für andere, eher unkonventionelle Maßnahmen, wenn die Epidemie sich weiter ausbreitet, wovon alle ausgehen. "Auch Studierende könnten in Teams die Gesundheitsämter unterstützen. Das sind ja letztendlich Telefoninterviews und Probenentnahmen." Es bleibt also dabei: Beim gegenwärtigen Stand der Epidemie in Deutschland steht im Vordergrund, die Ausbreitung einzudämmen. Was leidlich gelingt.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen