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Nur wenige Impfverweigerer in Deutschland

12. August 2021

Deutschland debattiert über Privilegien für Geimpfte. Zögerer sollen ermutigt werden, sich impfen zu lassen, damit die Herdenimmunität erreicht wird. Dabei ist die Impfbereitschaft schon jetzt sehr hoch.

Menschen stehen Schlange vor einem Impfzentrum in Hamburg
Die Zeit der langen Schlangen ist vorbei, aber noch immer lassen sich täglich Hunderttausende impfenBild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance

Politik und Medien diskutieren in Deutschland heftig über eine Frage: Wie lassen sich noch nicht geimpfte Personen davon überzeugen, sich piksen und gegen COVID-19 immunisieren zu lassen. Hilft es vielleicht, die Corona-Tests nicht mehr kostenlos anzubieten?

Dabei könnte der Eindruck entstehen, dass es in Deutschland viele unverbesserliche Impfverweigerer gibt. Doch ist das wirklich so? 

Die Zahlen jedenfalls deuten darauf hin, dass das Glas keineswegs halbleer ist, sondern sich stetig weiter füllt. Bis zum 12. August waren in Deutschland laut Robert Koch-Institut (RKI) mehr als 52,2 Millionen Menschen (62,8 Prozent der Gesamtbevölkerung) mindestens einmal gegen COVID-19 geimpft. 

Vollkommen immunisiert waren 46,6 Millionen (56,1 Prozent). Und wer jetzt schon eine Impfung hat, wird voraussichtlich spätestens in sechs Wochen zu den vollständig Immunisierten dazugehören.

Impfbereitschaft ist hoch

Auf den ersten Blick scheint die Zahl gering zu sein: Es sind ja nur knapp die Hälfte der Bevölkerung. Also viel zu wenig Menschen, gemessen an dem Ziel des RKI, eine Herdenimmunität aufzubauen, die mindestens 80 Prozent der Bevölkerung umfasst. 

Um aber zu erkennen, ob es tatsächlich eine signifikante Impfverweigerung gibt, ist es nötig, die Zahlen nach Altersgruppen aufzuschlüsseln. Und da wird deutlich, dass unter den älteren Menschen das Ziel längst erreicht ist: 85,6 Prozent der Menschen über 60 Jahren sind bereits geimpft und 81,7 Prozent haben sogar den vollständigen Schutz, so die Zahlen des RKI.

Auch bei den jüngeren Erwachsenen zwischen 18 und 59 Jahren geht der Anteil der Geimpften stetig weiter nach oben: 63,4 Prozent sind einmal und 58,3 Prozent sind vollständig geimpft. Nur bei den Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren sieht es noch etwas mager aus: Nur 23,1 Prozent haben ihre erste Impfung erhalten und 13,7 Prozent haben einen vollständigen Impfschutz.

Impfungen erst seit kurzem für alle freigegeben

Betrachtet man diese Zahlen, ist also noch Luft nach oben. Aber es darf auch nicht übersehen werden, dass die Impfungen überhaupt erst seit wenigen Monaten für die breite Masse an Menschen im arbeitsfähigen Alter freigegeben wurden.

Erst im Mai endete die Priorisierung bei der Impfstoffvergabe. Seitdem dürfen sich auch Menschen impfen lassen, die nicht zu bestimmten beruflichen oder gesundheitlichen Risikogruppen gehören. 

Für Kinder und Jugendliche sind Impfstoffe in der EU ohnehin erst seit Ende Mai zugelassen, wobei die deutsche Ständige Impfkommission sie nach wie vor nur für Heranwachsende mit Vorerkrankungen empfiehlt.

Viele Ärzte hatten sich in den letzten Wochen und Monaten bei der Impfung von Kindern und Jugendlichen daher eher zurückgehalten. Erst seit Anfang August steigt - auch beflügelt durch die Politik - die Akzeptanz dafür, Kinder noch vor Beginn des kommenden Schuljahrs zu impfen. 

Gibt es mehr Geimpfte als wir glauben?

Sehr wahrscheinlich gibt es eine signifikante Dunkelziffer an Menschen mit Immunität.

Einerseits gehören dazu diejenigen, die sich im Ausland haben impfen lassen und die daher nicht in die Statistik einfließen. Andererseits gibt es Menschen, die bereits an COVID-19 erkrankt waren und daher nicht zwei Impfungen erhalten, sondern nur eine. Diese könnten fälschlicherweise als nur teilimmunisiert erfasst werden.

Hinzu kommt, dass offensichtlich nicht alle Ärzte, (und hier insbesondere Betriebsärzte), die verabreichten Impfungen auch an das RKI gemeldet haben. 

So hat das RKI am 10. August die Ergebnisse einer Umfrage unter 1005 repräsentativ ausgewählten Erwachsenen veröffentlicht, von denen 84,5 Prozent bereits einmal geimpft waren. 59 Prozent waren vollständig immunisiert.

Unter den über 60-Jährigen hatten sogar 94,3 Prozent gesagt, dass sie mindestens einmal geimpft worden seien. Damit liegen die tatsächlichen Zahlen möglicherweise um etwa fünf Prozent höher, als die derzeitige Statistik glauben macht.

Beachtenswert sind dabei auch die Antworten zur Impfbereitschaft: 91,6 Prozent der Befragten waren entweder bereits geimpft oder sagten, dass sie sich impfen lassen wollen. Damit wäre die Zahl der Impfverweigerer nur noch im einstelligen Bereich.

Der Impf-Rush ist vorbei, aber es geht weiter

Mit fortschreitender Immunisierung der Bevölkerung sind auch die Spitzenzeiten der Impfaktionen vorbei. Im Mai und Juni gab es einzelne Tage, an denen Ärzte mehr als 1,4 Millionen Impfdosen in Deutschland verabreicht hatten. Doch noch immer ist die Impfbereitschaft signifikant.

So wurden etwa im Zeitraum des letzten Monats (vom 11. Juli bis 11. August) an keinem Tag weniger als 100.000 Dosen verimpft. An vielen Tagen waren es deutlich mehr. Zum Beispiel haben sich alleine am 10. August 412.527 Menschen impfen lassen und am Tag darauf 511.428 – also fast eine Million innerhalb von nur zwei Tagen. Die Kurve der täglich verabreichten Dosen flacht zwar aufgrund des zunehmenden Impferfolgs naturgemäß ab – allerdings auf hohem Niveau. 

Wann ist die Herdenimmunität erreicht?

Etwa Mitte Oktober dürften alle vollständig geimpft sein, die dies wollen und die sich jetzt aktiv um Impftermine bemühen. Genug Impfstoff dafür ist jedenfalls bestellt.

Realistischer ist indes die Annahme, dass Ende Oktober die für eine Herdenimmunität angestrebten 80 Prozent der Gesamtbevölkerung erreicht sind. 

Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen
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