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Politik

Auf der Jagd nach dem QR-Code

Sergey Satanovskiy
3. Juli 2021

DW-Reporter Sergey Satanovskiy gehörte in Moskau zu den ersten Probanden einer Sputnik-V-Studie. Endlich weiß er, ob er das Vakzin bekam oder ein Placebo. Doch danach begann für ihn ein Hürdenlauf bei den Behörden.

Russland | Coronavirus | Impfung
Bild: Sergej Satanowski/DW

Seit Montag bleiben die Cafés in Moskau leer und ihre Einnahmen sind um 80 Prozent gefallen. Restaurants sind jetzt offiziell nur noch für die Wenigen zugänglich, die vollständig geimpft sind oder einen aktuellen teuren negativen PCR-Test vorweisen können. Der Bürgermeister der russischen Hauptstadt, Sergej Sobjanin, droht angesichts steigender Fallzahlen zudem, Ungeimpften den Zutritt zu Friseursalons, Einkaufszentren und Fitnessklubs zu verbieten.

DW-Korrespondent Sergey Satanovskiy war bereits Anfang Dezember und Ende desselben Monats unter den ersten Freiwilligen, die an einer klinischen Studie zum russischen Impfstoff "Sputnik V" gegen das neuartige Coronavirus teilnahmen. Doch um eine Impfbescheinigung musste er bei den Behörden im Juni kämpfen. Was war das Problem und wie steht es um Antikörper in seinem Blut? Ein Bericht aus erster Hand.

Auf jeden Fall mit "Sputnik V" geimpft

Ende Mai erhielt ich einen Anruf vom Moskauer Schadkewitsch-Krankenhaus, wo ich im Dezember geimpft worden war. Ich wurde gefragt, wann ich zur dritten und letzten Blutabnahme kommen könne, um die durch den Impfstoff ausgelöste Immunantwort untersuchen zu lassen. Auf diesen Anruf hatte ich lange gewartet, denn damit endet für mich die Studie. Und als dann noch die Behörden anfingen, von Einschränkungen für Ungeimpfte zu sprechen, wollte ich mir gleich auch eine Impfbescheinigung besorgen. Ich vereinbarte einen Termin für den 31. Mai, genau 180 Tage nach der ersten Impfdosis.

Moskauer Schadkewitsch-Krankenhaus: Ort der Sputnik-V-StudieBild: Sergej Satanowski/DW

An diesem Tag stimmte ich im Krankenhaus schriftlich einer weiteren abschließenden Blutuntersuchung zu. Die private klinische Forschungsorganisation "Crocus Medical" überwies mir dafür 8500 Rubel, umgerechnet rund 98 Euro. Die Krankenschwester sagte bei der Blutabnahme, ich bekäme in den nächsten zehn Tagen Bescheid, ob mir vor sechs Monaten der Impfstoff "Sputnik V" oder ein Placebo gespritzt worden sei. Wenn ich den Impfstoff erhalten hätte, könne ich mir dann eine Bescheinigung in Papierform abholen.

Eigentlich war mir längst klar, dass ich damals den Impfstoff bekommen hatte, denn mein Körper hatte auf die erste Dosis mit Fieber reagiert. Auch nach sechs Wochen wies mein Blut noch viele Antikörper auf. Trotzdem wollte ich darüber eine offizielle Bescheinigung haben, denn seit Juni stehen Geimpften weitere Lebensbereiche offen. So konnte man bereits Anfang Juni mit einer Impfbescheinigung statt eines negativen PCR-Tests an einigen Pressekonferenzen teilnehmen. Und jetzt braucht man sogar eine Bescheinigung, um in Moskau in ein Café gehen zu können.

Ohne Beschwerde keine Bescheinigung

Doch das Krankenhaus meldete sich auch nach zehn Tagen nicht bei mir. Daher schaute ich in den Chat der Studienteilnehmer. Dort berichteten Dutzende, dass das Portal für öffentliche Dienstleistungen "Gosuslugi", auf dem man nicht nur einen QR-Code, sondern auch eine Impfbescheinigung in Papierform erhalten sollte, seit Monaten "schweigt". Auch in meinem persönlichen Account auf dieser Webseite waren keine Nachrichten eingegangen.

Daraufhin öffnete ich meine elektronische Patientenakte bei der Moskauer Stadtverwaltung. Dort sah ich in der Rubrik "Impfungen" zwei Einträge: für den 30. November und den 21. Dezember letzten Jahres. Demnach wurden mir an diesen Tagen 0,5 ml des Impfstoffs "Sputnik V" gespritzt. Die Behörde bestätigt also, dass ich geimpft bin, hat mir aber keine Bescheinigung und keinen QR-Code ausgestellt.

Russland exportiert den Impfstoff Sputnik V in verschiedene Länder, wie hier nach ArgentinienBild: Presidencia Argentina/dpa/picture alliance

Doch in der Rubrik "Behördliche Dienstleistungen", wo die ersehnte Bescheinigung liegen sollte, leuchtete stattdessen der Button "Beschwerde wegen fehlender Bescheinigung". Ich klickte darauf und eine Woche später erhielt ich Post vom Moskauer Gesundheitsamt. Die Behörde bedauerte die Unannehmlichkeiten und versprach, alles zu regeln, sobald ich weitere persönliche Daten übermittle, darunter die individuelle Nummer meines Versicherungskontos und die Versicherungspolice.

Digitale Bescheinigung statt in Papierform

Auch zwei Wochen nach der ersten Beschwerde ist in meinem Account bei "Gosuslugi" weder eine Bescheinigung noch ein QR-Code eingegangen. Das Problem soll, so wird versprochen, in den kommenden Tagen gelöst werden. Inzwischen liegt mir aber ein QR-Code vor, den ich über die Moskauer Stadtverwaltung in meiner elektronischen Patientenakte erhalten habe. Eine Bescheinigung in Papierform zum Abholen wird mir nicht angeboten. Aber diese brauche ich derzeit auch nicht, da die Stadt Moskau die QR-Codes sowieso für sicherer hält als ein Blatt Papier, das leicht zu fälschen ist. In anderen Regionen des Landes wird aber eher auf Bescheinigungen in Papierform geschaut.

Während ich versuchte, eine Bescheinigung der Behörden zu bekommen, bemühten sich viele Russen gar nicht erst um eine Impfung. Laut einer aktuellen Studie des Meinungsforschungsinstituts "Morning Consult" wollen sich 37 Prozent der Russen überhaupt nicht impfen lassen. Dies ist das schlechteste Ergebnis unter den größten Industrie- und Entwicklungsländern. Deshalb haben die Behörden bereits in mehr als einem Dutzend Regionen Russlands eine Impfpflicht eingeführt. Dies wiederum löste Straßenproteste aus. Außerdem gibt es nun einen Schwarzmarkt mit gefälschten Bescheinigungen und QR-Codes.

Warteschlange von Impfwilligen im Moskauer Traditionskaufhaus GUMBild: Pavel Golovkin/AP Photo/picture alliance

Geimpft und endlich mit QR-Code ausgestattet beschloss ich am 28. Juni, dem ersten Tag der Einschränkungen bei Restaurants, zu überprüfen, wie diese mit der Situation umgehen. Nach dem Dienst ging ich zum Abendessen in ein vegetarisches Lokal im Zentrum von Moskau. An der Tür hielt ein Mitarbeiter ein Gerät in der Hand, das ich für einen QR-Code-Scanner hielt. Doch es war nur ein gewöhnliches kontaktloses Thermometer, mit dem der Mann meine Körpertemperatur messen wollte. Da sie normal war, ließ er mich rein.

Zugang zu dem Lokal haben offenbar sowohl Geimpfte als auch Ungeimpfte. Ich fand heraus, dass sich die Betreiber und auch einige andere Gastronomen den behördlichen Anweisungen widersetzen. Obwohl dieses vegetarische Restaurant zu den wenigen zählt, in dem Ungeimpfte speisen können, war es weniger besucht als sonst. Offenbar haben sich die Moskauer, die keinen QR-Code haben, einfach daran gewöhnt, dass die Gastronomie ihnen verwehrt ist, und sie versuchen nicht einmal in Restaurants hineinzukommen.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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