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Impfungen: "Auslosen, wer BioNTech kriegt?"

19. Mai 2021

Die Regierung will die Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen beim Impfen ab 7. Juni aufheben. Berlin hat damit schon begonnen. Das weckt hohe Erwartungen. Eine Berliner Ärztin berichtet.

Arztbesuch Spritze
Schon rund 42 Millionen Menschen sind in Deutschland mindestens einmal geimpftBild: picture-alliance/dpa-tmn/C. Klose

Jeder, der das möchte und über 16 Jahre alt ist, kann sich ab dem 7. Juni für eine Impfung gegen das Coronavirus in Deutschland anmelden. Mit dieser frohen Botschaft trat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Montag dieser Woche nach einem Treffen mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus den Bundesländern an die Öffentlichkeit. Nicht ohne einschränkend hinzuzufügen, dass das nicht bedeute, dass jeder, der sich impfen lassen möchte, sofort einen Termin bekomme. "Wir werden weiterhin Geduld miteinander brauchen", so Spahn. Dennoch blieb von der Botschaft vor allem übrig: Wer will, der kann bald. Vor dem nahenden Sommer mit ersten Lockerungen auch beim Reisen eine für viele sicher positive Nachricht, die den Politikern in Deutschland, auch Jens Spahn, im beginnenden Wahlkampf zur Bundestagswahl vermutlich gut gefällt.

"Impfungen für alle ab dem 7.Juni." Vor einigen Tagen ist Gesundheitsminister Jens Spahn selbst erstmals gegen das Coronavirus geimpft wordenBild: Guido Kirchner/dpa/picture alliance

In Berlin, der deutschen Hauptstadt, wurde den rund 2200 Hausarztpraxen, in denen gegen Corona geimpft wird, schon Anfang dieser Woche gestattet, ohne Rücksicht auf bestimmte, besonders betroffene Gruppen in der Bevölkerung zu impfen. Von einem regelrechten Ansturm auf die Praxen berichteten Zeitungen dann am Dienstag. Und auch von Wut und Ärger unter den Patienten darüber, dass es dann doch nicht ganz so einfach war mit der Aufhebung der Priorisierung.

Der "Mercedes" unter den Impfstoffen ist begehrt

Auch in der Hausarztpraxis von Doris Höpner im Stadtteil Wedding gehört das Impfen längst zum Alltag. In den Vormittagsstunden lässt die Allgemeinmedizinerin mit ihren drei Kolleginnen und Kollegen den Betrieb normal weiterlaufen, geimpft wird dann in den Nachmittagsstunden, was zu vielen Überstunden führt. So ganz kann die Medizinerin auf die Priorisierung noch nicht verzichten, vor allem wenn es um die Verabreichung des heiß begehrten Impfstoffes von BioNTech/Pfizer geht, den Höpner im Gespräch mit der DW als "den Mercedes unter den Impfstoffen" bezeichnet. Höpner sagt: "Wir können im Moment zwar uneingeschränkt Impfstoffe wie AstraZeneca und Johnson & Johnson beziehen. Aber wir werden limitiert bei BioNTech. Ich muss also mit dem BioNTech-Impfstoff ärztlich verantwortlich und sorgsam umgehen. Wenn ich in meinen Wartelisten Patienten habe mit einer gesundheitlichen oder auch sozialen Priorisierung, dann haben die natürlich Vorrang."

Doris Höpner ist Hausärztin mit Praxis in Berlin-WeddingBild: privat

Kein BioNTech, sondern AstraZeneca? Dann lieber nicht

Das hat dann durchaus Folgen: Einige Patienten, die falsch informiert waren und mit AstraZeneca geimpft werden sollten, seien wieder gegangen. Der Impfstoff war nach Berichten über einige sehr wenige Hirnthrombosen nach der Verabreichung in die Kritik geraten. Von wütenden Patienten möchte Höpner dennoch nicht berichten: "Ich erlebe im Moment, dass die Patienten immer noch sehr, sehr dankbar sind für überhaupt einen Impftermin. Es sind in der Presse leider einige Hoffnungen geweckt worden, die nirgendswo gehalten werden können. Es wird auch ohne die Priorisierung Wartezeiten für Impftermine geben."

Zwölf Dosen BioNTech/Pfizer pro Arzt

Das liege, so Höpner, einmal daran, dass die Nachfrage vor allem nach BioNTech/Pfizer-Dosen das Angebot weit übersteige: "Wir dürfen nächste Woche bei uns pro Arzt zwölf Menschen mit BioNTech impfen und so viele wie wir wollen mit AstraZeneca. Wie soll ich jetzt entscheiden, wer BioNTech bekommt und wer Astra-Zeneca? Per Los?" Ein weiteres Problem seien aber auch die personellen Kapazitäten in den Praxen: "Wir brauchen für jeden zu Impfenden drei Mal Personal. Einen Arzt oder eine Ärztin und zwei Mitarbeitende."

Das Impftempo kurzfristig zu erhöhen, nur weil die Priorisierung wegfällt, ist also gar nicht möglich. Und der Unterschied zwischen den verschiedenen Impfstoffen bleibe erheblich: "Wenn Sie mit BionTech geimpft werden wollen, haben sie eine Wartezeit von vier bis sechs Wochen, wenn Sie AstraZeneca wollen, können Sie nächste Woche einen Impftermin haben."

Vor dem Sommerurlaub eine schnelle Impfung

Spürbar sei schon jetzt zudem, dass die Patienten immer energischer auf eine schnelle Impfung pochen, weil sie hoffen, so ohne große Beschränkungen im Sommer in den Urlaub fahren zu können. Die Priorisierung bei der Impfung war Anfang des Jahres zu Beginn der Impfkampagne eingeführt worden, weil zunächst besonders von der Pandemie betroffene Menschengruppen versorgt werden sollten. Zunächst kamen Menschen, die älter als 80 Jahre waren, an die Reihe, dazu Menschen in Pflegeheimen und Gesundheitspersonal mit hoher Ansteckungsgefahr. In der zweiten Gruppe fanden sich dann etwa Lehrerinnen und Lehrer, Menschen mit Vorerkrankungen wie Krebs und die Altersgruppe über 70. Inzwischen können schon Menschen aus der dritten Gruppe Impftermine bekommen. Also solche, die älter sind als 60, Verkäuferinnen und Verkäufer aus den Supermärkten und Busfahrer.

Doris Höpner nennt die Dosen von BioNTech/Pfizer den "Mercedes unter dem Impfstoffen."Bild: Chris Aluka Berry/REUTERS

Eine dritte Impfung? Eine vierte Corona-Welle?

Doris Höpner stellt sich auch nach der Aufhebung der Priorisierung darauf ein, dass das Impfen gegen das Coronavirus noch lange ihren Alltag bestimmen wird. Bislang sind in Deutschland in den Arztpraxen rund elf Millionen Menschen mindestens einmal geimpft worden, in den rund 440 Impfzentren im ganzen Land rund 31 Millionen.

Die meisten Impfstoffe müssen zweimal im Abstand einiger Wochen verabreicht werden, und Doris Höpner glaubt, dass auch danach das Thema Impfen in Deutschland aktuell bleibt. Auch wenn die Zahl der Neuinfektionen sicher auch wegen des Tempos der Impfkampagne sinkt. Höpner: "In Wirklichkeit wissen wir immer noch nicht so sehr viel über das Virus. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass noch eine dritte Impfung nötig ist und es ist auch noch nicht vom Tisch, dass eine vierte Welle kommt." Doris Höpner und ihre Kolleginnen und Kollegen stellen sich auf weitere Überstunden ein.

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