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PolitikEuropa

Corona-Impfung: Bilanz nach sechs Monaten

Friedel Taube
27. Juni 2021

Vor einem halben Jahr hieß es erstmals in Europa "Ärmel hoch" für die COVID-19-Schutzimpfung. Doch nicht immer und überall lief die Impfkampagne reibungslos. Ein Überblick.

Coronavirus - Impfbeginn Sachsen-Anhalt: 101 Jahre alte Heimbewohnerin wird geimpft
Seniorin Kwoizalla aus Sachsen-Anhalt bei BioNTech-Pfizer-Vergabe (im Dezember): Deutschlands erster ImpflingBild: Matthias Bein/dpa/picture alliance

Was war das für ein Durchbruch, als die Europäische Kommission wenige Tage vor Weihnachten mit dem Vakzin von BioNTech/Pfizer  erstmals einen Corona-Impfstoff zuließ - und ab dem 27. Dezember die meisten EU-Länder damit das Impfen anfingen. Das Präparat ist seitdem europaweit millionenfach verabreicht worden, die Stoffe von AstraZeneca, Moderna sowie Johnson & Johnson folgten und komplettierten bald die Palette der in der Europäischen Union zulässigen Vakzine.

In welchen Ländern lief die Impfkampagne besonders gut, wo lief sie besonders schleppend?

Deutschland

Edith Kwoizalla, Heimbewohnerin aus Sachsen-Anhalt und 101 Jahre alt, war die erste in Deutschland, die in den Genuss der COVID-19-Impfung kam. Und das schon einen Tag vor dem offiziellen Startschuss am 27. Dezember. Doch die Impfkampagne lief ganz langsam an, denn aus verschiedenen Gründen waren Vakzine Mangelware.

Gespritzt wurde anfangs nur in den schnell eingerichteten  Impfzentren, dann auch bei Haus- und Fachärzten. Die ersten Wochen und Monate dürften für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dabei die ein oder andere schlaflose Nacht bereitgehalten haben, denn gerade zu Beginn ruckelte es bei der deutschen Impfkampagne doch deutlich. Viele Impfwillige beschwerten sich über Chaos bei der Terminvergabe und stundenlanges Warten in irgendwelchen Telefon-Hotlines.

Der Vorwurf an die Politik: Anders als etwa die USA habe die EU-Kommission es verpasst, ausreichend Impfstoffe vorzubestellen, als diese noch in der Testphase gewesen seien. Bundeskanzlerin Angela Merkel machte die Kampagne zur Chefinnensache und berief mehrere "Impfgipfel" im Kanzleramt ein - ohne durchschlagenden Erfolg. Erst im zweiten Quartal kam die Kampagne dann richtig in Gang. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts hat derzeit rund die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland mindestens eine Dosis erhalten.

Frankreich

"Wir sind zu langsam, zu komplex, zu bürokratisch. Wir müssen schneller sein", so der Präsident des zweitgrößten EU-Staates, Emmanuel Macron, durchaus auch selbstkritisch bei einem Gipfel Ende März, auf dem es unter anderem um die Verteilung der Vakzine innerhalb der Europäischen Union ging. Auch in Frankreich lief die Impfkampagne im Laufe der Monate zunehmend besser. Ähnlich wie in anderen Ländern gab es eine Priorisierungsliste, der zufolge ältere und damit besonders gefährdete Menschen bevorzugt geimpft werden sollten.

Bereits am 1. Juni öffnete Frankreich allerdings die Impfungen für alle Erwachsenen, ab 15. Juni dann gar für Kinder über 12. Der Andrang war groß, die Terminvergabe Berichten zufolge jedoch gut organisiert. Bislang wurden rund 50 Millionen Dosen verabreicht, ein Viertel der Franzosen ist doppelt geimpft. Ein echter Wermutstropfen für die "Grande Nation": Noch immer ist es nicht gelungen, einen eigenen Impfstoff auf den Markt zu bringen. Das Vakzin des französischen Sanofi-Konzerns befindet sich noch immer in der Testphase.

Italien

Die Bilder aus Bergamo im Frühjahr 2020 wirkten wie ein Fanal: Schlangen vor Krankenhäusern, erschöpfte Ärzte und Krankenschwestern, überlastete Intensivstationen und ganze Hallen mit Särgen von Corona-Opfern. Die Provinz im Norden Italiens war einer der ersten Corona-Hotspots des Kontinents. Harte Lockdown-Maßnahmen folgten - die Hoffnung auf die Impfstoffe war dementsprechend groß. Inzwischen haben 17 von 60 Millionen Menschen in Italien  bereits den vollen Impfschutz.

Särge in einer Kirche in Bergamo (im März 2020): Einer der ersten Corona-Hotspots des KontinentsBild: Bernd Riegert/DW

Doch die Impfbereitschaft südlich der Alpen scheint nachzulassen: Erst vergangene Woche sah sich Ministerpräsident Mario Draghi zu einem Appell genötigt: "Das Schlimmste, was Sie tun können, ist, sich nicht impfen zu lassen oder nur eine Impfung zu bekommen", so Draghi.

Hintergrund des Rückgangs ist Experten zufolge die Entscheidung der Regierung, das wegen seltener tödlicher Nebenwirkungen in Verruf geratene Mittel von AstraZeneca nur noch für über 60-Jährige zu empfehlen, was offenbar viele verunsichert hat. Viele italienische Erstgeimpfte bekommen nun statt AstraZeneca ein anderes Mittel bei der zweiten Impfung. Selbst Draghi musste zugeben, dass auch er für die Zweitimpfung ein anderes Vakzin gespritzt bekommt.

Malta

Klein, aber oho muss man hier wohl sagen. Der kleinste Staat der EU ist gleichzeitig Europameister beim Impfen. Bereits Ende Mai verkündete Gesundheitsminister Chris Fearne, dass Malta das vorläufige Impfziel von 70 Prozent der Bevölkerung erreicht habe - als erstes Land in Europa. Experten gehen davon aus, dass bei diesem Wert eine sogenannte "Herden-Immunität" erreicht ist.

Doch wie hat der Inselstaat das geschafft? Auch Malta hat seine Impfkampagne erst Ende Dezember gestartet und zudem keine gesonderten Verträge mit den Herstellern abgeschlossen. Allerdings war die Regierung schnell darin, Restmengen nachzuordern, die von anderen Staaten nicht abgerufen wurden. Und in einem kleinen Land wie Malta mit gerade Mal 440.000 Einwohnern machen selbst kleine Extra-Kontingente einen großen Unterschied. Dazu kommt, dass in einem kleinen Land Lieferwege kürzer sind und auch sonst vieles schneller zu organisieren ist.

Der Erfolg hat es Malta ermöglicht, schon jetzt Lockerungen einzuführen, von denen andere Länder nur träumen können. Das macht Hoffnung vor allem für den Tourismussektor der Mittelmeerinsel. Malta will sich für die laufende Sommersaison als sicheres Urlaubsland profilieren.    

Großbritannien

Im Januar 2020, kurz vor Beginn der Corona-Krise, hatte das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen - und machte deshalb in der Pandemie sein eigenes Ding. Bereits am 8. Dezember, gut drei Wochen vor der EU, fingen die Briten mit dem Impfen an, vorrangig mit dem Vakzin des britischen Herstellers AstraZeneca.

Seitdem muss man im Rest Europas neidlos anerkennen, dass die britische Impfkampagne wohl als großer Erfolg zu bezeichnen ist. Ein Grund dafür: Als Nicht-EU-Mitglied war Großbritannien nicht an Genehmigungsverfahren und Verteilungsquoten der Europäischen Kommission gebunden.

Premier Johnson bei Zweitimpfung (Anfang Juni): Aufhebung aller Corona-Restriktionen verschobenBild: Simon Dawson/Avalon/Photoshot/picture alliance

Die Hälfte der Briten ist zweifach geimpft, rund 80 Prozent haben mindestens eine Dosis bekommen. Die aufkommende Delta-Variante hat die Impfbereitschaft der Briten jüngst nochmals erhöht. Seit dem 18. Juni können zudem alle Menschen über 18 einen Termin buchen, mehr als eine Million Termine wurden allein in den ersten zwei Tagen nach Aufhebung der Priorisierung vergeben.

Den Sprung zurück in die Freiheit bedeutet das aber für die Briten aber nicht: Wegen der hoch ansteckenden Delta-Variante, die sich insbesondere unter jungen Leuten im Vereinigten Königreich rasch ausbreitet, hat Premierminister Boris Johnson die für ursprünglich für den 21. Juni geplante Aufhebung aller Corona-Restriktionen um zunächst vier Wochen verschoben.

Bulgarien

Europäisches Schlusslicht beim Impfen ist ein Land im Südosten der EU: Bulgarien. Zwar ließ sich Gesundheitsminister Kostadin Angelov am 27. Dezember öffentlichkeitswirksam vor laufenden Kameras als erster bulgarischer Bürger überhaupt impfen. Zu einem großen Vertrauensgewinn hat das aber offenbar nicht geführt. Viele Bulgaren sind weiter impfskeptisch.

Phiole mit AstraZeneca-Impfstoff (in Sofia): Wegen Nebenwirkungen nicht nur in Bulgarien in Verruf geratenBild: Valentina Petrova/AP Photo/picture alliance

Das Gesundheitssystem in Bulgarien, dem ärmsten aller EU-Länder, ist relativ schwach. Das erklärt, weshalb dort überdurchschnittlich viele, die sich mit Corona infiziert haben, an den Folgen der Atemwegserkrankung gestorben sind. Laut einer Erhebung der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore hat Bulgarien mit vier Prozent den höchsten sogenannten "Fall-Verstorbenen-Anteil" innerhalb der EU. Experten bemängeln, dass medizinisches Fachpersonal das Land in Richtung Westen verlassen habe.

Derzeit sind nach Angaben von "Our World in Data", einer Datenbank an der Universität Oxford, gerade Mal knapp über zehn Prozent der bulgarischen Bevölkerung komplett geimpft. Wie viele Bürger angesichts der Impfskepsis im Land noch folgen werden, ist ungewiss.

 

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