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Corona-Impfungen: Was läuft schief in Afrika?

3. Juni 2021

Von allen Kontinenten hat Afrika die niedrigste Impfquote. Denn afrikanische Länder haben bislang nur sehr wenig Corona-Vakzine erhalten. Aber auch mit den vorhandenen Dosen gibt es mancherorts Probleme.

Verimpfung des AstraZeneca-Vakzins in Lagos, Nigeria
Verimpfung des AstraZeneca-Vakzins in Lagos, NigeriaBild: Emmanuel Osodi/imago images/UIG

Wie ist der Stand bei den Corona-Impfungen?

Während im weltweiten Durchschnitt schon fast elf Prozent mindestens eine Corona-Impfung erhalten haben, sind es in Afrika laut dem Statistikportal "Our World in Data" nicht einmal zwei Prozent. Vollständig immunisiert sind sogar nur 0,6 Prozent.

In einigen Ländern wie Tansania und Tschad sind die Impfkampagnen zur Eindämmung des Coronavirus noch gar nicht angelaufen, andere, etwa Burkina Faso oder Madagaskar, haben erst kürzlich begonnen.

Doch wer hoffte, dass es zumindest von nun an bergauf geht, wird wohl enttäuscht werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltbank warnten kürzlich vor einem Stillstand bei den Corona-Impfungen in Afrika. Richard Mihigo, Leiter des Immunisierungs- und Impfstoffentwicklungsprogramms der WHO in Afrika, erklärt gegenüber der DW, dass statt der erwarteten 66 Millionen Dosen, die das internationale Impfprogramm COVAX afrikanischen Ländern bis Ende Mai hätte zur Verfügung stellen sollen, nur 19 Millionen geliefert worden seien.

Insgesamt gingen bislang knapp 49 Millionen Corona-Impfdosen an 51 afrikanische Staaten - neben COVAX, das in Afrika zum großen Teil AstraZeneca verteilt, gelangten über Spenden oder bilaterale Verträge unter anderem auch die Vakzine von Johnson & Johnson, BioNTech/Pfizer oder Sinovac in einzelne Länder. 

Doch viele afrikanische Staaten sind finanziell nicht in der Lage dazu, eigene Verträge mit Impfstoffproduzenten abzuschließen. Entsprechend groß sind die Auswirkungen, wenn über die COVAX-Initiative kein oder nur wenig Impfstoff kommt. So hat etwa Uganda nach DW-Recherchen bisher einzig 864.000 Dosen über COVAX erhalten (und einen Großteil davon auch bereits verimpft). Das reicht nicht einmal aus, um zwei Prozent der Uganderinnen und Ugander erstmalig zu immunisieren. 

Zehn Länder haben der WHO zufolge bereits den kompletten über COVAX erhaltenen Impfstoff aufgebraucht: Botswana, die Elfenbeinküste, Swasiland, Libyen, Lesotho, Marokko, Namibia, Ruanda, Togo und Tunesien.

Wo liegen die Probleme?

Nachdem Anfang des Jahres im Rahmen des COVAX-Programms erste Impfdosen in afrikanische Länder gelangt waren, gerieten die Lieferungen im März ins Stocken. Bis Ende Juni werden nach Angaben der WHO wohl rund 190 Millionen Dosen fehlen. 

Das liegt zum großen Teil an der Entscheidung Indiens, nach dem dortigen massiven Corona-Ausbruch Impfstoff-Exporte auszusetzen. Der weltgrößte Hersteller, das Serum Institute, produziert in Indien Corona-Impfstoff für das britisch-schwedische Pharmaunternehmen AstraZeneca - und war zuvor Afrikas wichtigste Impfstoff-Quelle.

Rares Gut: Eine COVAX-Lieferung kommt am 8. Mai in Madagaskar anBild: Alexander Joe/AP Photo/picture alliance

Doch Impfstoff-Knappheit scheint nicht überall der einzige Grund für die niedrigen Impfquoten zu sein. Richard Mihigo von der WHO beteuert, die Verimpfung der COVID-Vakzine laufe in einigen Ländern wie etwa Ägypten, Ghana, Ruanda oder Nigeria vorbildlich. Doch 15 Länder hätten weniger als die Hälfte verwendet und "Benin, Kamerun, die Zentralafrikanische Republik, die Demokratische Republik Kongo, Guinea, Südsudan und die Komoren haben sogar nur zehn Prozent ihrer Impfdosen genutzt".

Selbst von den wenigen vorhandenen Dosen konnte also mancherorts nur wenig verabreicht werden. Woran liegt das? Zum einen scheinen einige Länder sich Dosen für Zweitimpfungen aufzuheben. Die WHO rief diesbezüglich zu einem Umdenken auf und empfiehlt, so viele Menschen wie möglich zuerst mit einer ersten Dosis zu versorgen. WHO-Regionaldirektorin Moeti erklärte dazu: "Während wir Impfstoff-Gerechtigkeit fordern, muss auch Afrika sich zusammenreißen und das Beste aus dem machen, was es hat. Wir müssen alle Dosen, die wir haben, in die Arme der Menschen bringen."

Weitere Faktoren, die für Verzögerungen sorgen, sind eine unzureichende Infrastruktur für die Impfkampagnen inklusive zu wenig geschultem Personal, sowie eine weit verbreite Impfskepsis. Krisen und Konflikte wie in Äthiopien, Mali oder in der Demokratischen Republik Kongo erschweren die Situation zusätzlich.

In Afrika ist das Misstrauen gegenüber Corona-Impfstoffen - speziell AstraZeneca - mitunter großBild: Robert Bonet/NurPhoto/picture alliance

So sah sich letzterer Staat Ende April gezwungen, gut 1,3 Millionen Dosen ungenutzter AstraZeneca-Dosen an andere Länder weitergeben - in der DR Kongo hätte man es ansonsten nicht rechtzeitig geschafft, das Vakzin vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums zu verimpfen. 

Genau dieser Fall trat dann wenige Wochen später in Malawi ein: Rund 17.000 Dosen des Corona-Impfstoffs mussten vernichtet werden. Nach Regierungsangaben lag das vor allem an der Verunsicherung der Bevölkerung bezüglich möglicher Gesundheitsrisiken durch das AstraZeneca-Vakzin.

Wie kann die Situation verbessert werden?

Abgesehen von den Verteilungsproblemen und der Impfskepsis in den Ländern selbst müsste die internationale Corona-Impfinitiative COVAX gestärkt werden. Die WHO hat vergangene Woche erneut an die Weltgemeinschaft appelliert, Vakzine mit Afrika zu teilen, um den akuten Bedarf auf dem Kontinent zu decken. Immerhin kamen diesen Mittwoch bei einer virtuellen COVAX-Geberkonferenz 1,9 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln zusammen - mehr als erhofft und genug, um 1,8 Milliarden Impfdosen zu kaufen und bis Anfang 2022 knapp 30 Prozent der Menschen in ärmeren Ländern gegen das Coronavirus zu impfen, hieß es.

Zusätzlich versprachen mehrere Industrieländer - die ja über separate Verträge mit Herstellern große Teile der Impfstoffproduktion aufgekauft haben - zusammen weitere 54 Millionen bereits angeschaffte Impfdosen zu spenden. Mit Blick auf den an diesem Donnerstag beginnenden Gipfel mit seinen G7-Kollegen forderte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erneut mehr Solidarität: "Wir sind erst sicher, wenn alle auf der Welt sicher sind." Deswegen werde er "einmal mehr dafür werben, dass nicht nur die Europäische Union in die Welt exportiert" - eine Anspielung vor allem wohl auf Großbritannien und die USA, die bisher kaum anderen Ländern ihre Vakzine zur Verfügung gestellt haben.

Jens Spahn (v.l.), Frankreichs Präsident Macron und Südafrikas Präsident Ramaphosa Ende Mai beim Auftakttreffen der "Initiative for the Future of Vaccines in Africa" in PretoriaBild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Allerdings hatten die USA kürzlich angekündigt, die vorübergehende Aufhebung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe zu unterstützen - für viele afrikanische Länder, die das schon länger fordern, eine positive Überraschung. Denn würden die Patente ausgesetzt, könnte dies mehr Impfstoff insgesamt sowie auch mehr Vor-Ort-Produktion in Afrika bedeuten. Bislang werden auf dem Kontinent kaum Corona-Vakzine produziert, 99 Prozent müssen importiert werden. 

Eine Herstellung in afrikanischen Ländern selbst will auch Deutschland fördern. Allerdings sieht Jens Spahn den Weg dahin eher über Kooperationen statt über Patente, wie er der Deutschen Welle kürzlich in einem Exklusiv-Interview im besonders von der Corona-Pandemie betroffenen Südafrika erklärte.


 

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