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Politik

Charité: Engpässe in Kliniken möglich

2. März 2020

Immer mehr Corona-Infektionen in Deutschland, jetzt auch in Berlin. Politiker und Experten bleiben dennoch dabei, dass man mit der Epidemie fertig wird. Gesundheitsminister Spahn lehnt Grenzschließungen weiterhin ab.

Deutschland Essen | Coronavirus | Infektionsstation Uniklinik
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

Dass das Corona-Virus auch in Deutschland das Thema ist, das die meisten Menschen beschäftigt, ist an diesem Montag am Saal der Bundespressekonferenz in Berlin überdeutlich. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erscheint gleich mit sechs Experten an seiner Seite, um zum aktuellen Stand zu unterrichten. Virologen sind dabei, der Leiter des Robert-Koch-Instituts, ein Vertreter des Gesundheitsamtes in Frankfurt am Main. 

Spahn: "Noch werden wir mit der Situation fertig."

Am meisten warten die Journalisten im vollen Saal auf Aussagen dazu, wie gefährlich das Virus für Deutschland nun wirklich ist. Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, berichtet, dass am Montag um 8 Uhr morgens 150 Infizierte in Deutschland zu verzeichnen seien, erstmals auch eine Person in der Millionenstadt Berlin. Noch, so sagen alle Experten, auch Minister Spahn, würden die Behörden, die Kliniken und die Ärzte mit der Situation fertig. Der Patient in Berlin, dem es gut geht, hatte nach neusten Informationen Kontakt zu 60 Personen. Entdeckt wurde sein Fall nur, weil in der Berliner Charité seit vergangener Woche jeder Grippe-Verdachtsfall auch auf das Coronavirus untersucht wird. Der Patient zeigte zunächst eindeutige Grippe-Symptome. Die Charité teilte außerdem mit, rund die Hälfte der Intensiv-Betten des Krankenhauses seien mit Grippe-Patienten belegt. Werden die Corona-Infektionen heftiger, und damit auch möglicherweise die schweren Fälle, könnte es zu Engpässen kommen. 

Der Virologe Christian Drosten, Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, in Berlin (von links nach rechts)Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Drosten: "Es bleibt eine milde Erkrankung!"

Der Virologe Christian Drosten, der in den letzten Tagen in der deutschen Öffentlichkeit oft zu sehen war, bleibt bei seiner Linie, vor allzu viel Panik zu warnen: "Diese Erkrankung ist eine milde Erkrankung, es ist eine Erkältung in erster Linie, die mehr die unteren Atemwege betrifft. Und die ist im Prinzip für den Einzelnen gar kein Problem. Das wird man nicht nur überleben, sondern im Normalfall gar nichts davon merken." Drosten sagt das nicht ohne Grund: Viel zitiert wurde zuletzt sein Satz, 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung würden sich auch in Deutschland wohl mit dem neuen Virus anstecken. Und wenn die meisten Experten wie Drosten ebenfalls schätzen, dass eine Sterblichkeit zwischen 0,3 bis 07, Prozent aller Fälle zu erwarten ist, dann wären das in Deutschland mehr als einhundert tausend Tote. Aber laut Drosten sind solche Berechnungen zu einfach und tragen nur mehr zu Verunsicherung bei.

Ein Zelt steht vor dem Klinik-Eingang in Husum: Besucher des Krankenhauses werden hier nach möglichen zurückliegende Reisen ins Ausland befragt Bild: picture-alliance/dpa/F. Molter

Spahn: "Zu viele Warnungen von zweifelhaften Experten."

Diese Verunsicherung der Menschen ist auch das, was Minister Spahn umtreibt: Er findet die Ängste verständlich und will sie ernst nehmen. Zu viele Details des neuen Virus seien noch unbekannt. "Die Bürgerinnen und Bürger kennen nur die Nachricht, dass das Virus immer näherkommt. Sie kennen die Bilder der Menschen in China in Schutzanzügen, sie hören und lesen widersprüchliche Warnungen von teilweise jedenfalls zweifelhaften Experten."

Dazu trägt auch bei, dass das komplizierte Gesundheitswesen in Deutschland den Eindruck erweckt, dass zu viele Experten auf zu vielen Ebenen mit dem Kampf gegen das Virus zu tun haben. Es gibt Pandemie-Pläne der Bundesregierung, es gibt Krisenpläne in den Ländern, in jedem einzelnen Krankenhaus. Und zur Irritation trägt auch bei, dass letztendlich die Kommunen vor Ort entscheiden müssen, ob etwa Schulen oder Kindergärten geschlossen werden. Auch diese Ängste versucht Spahn zu zerstreuen: "Es wird wenige Länder auf der Welt geben, wo die Relation Zahl der Ärzte und Pfleger zur Zahl der Bevölkerung so gut ist wie in Deutschland." Aber Spahn räumt ein, dass etwa die Rückholung von Deutschen aus dem Ausland, wie zu Beginn der Epidemie in China geschehen, in Zukunft komplett vom Bund organisiert werden könnte.

Alle Hände voll zu tun haben die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes in Heinsberg in Nordrhein-Westfalen, dem derzeitigen Schwerpunkt der Corona-Epidemie in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/J. Güttler

Kann man sich zweimal anstecken?

Spahn verspricht außerdem alles zu tun, um möglichst umfassend über das Virus aufzuklären. Schon bald sollen die Behörden in Deutschland etwa die Zahl liefern, wie viele Tests auf das neue Virus denn bislang durchgeführt worden sind. Und die Wissenschaftler erhoffen sich Klarheit, ob Mehrfach-Infektionen mit dem neuen Virus tatsächlich möglich sind, wie einige Forscher behaupten. Der Virologe Christian Drosten glaubt eher nicht, dass das möglich ist. Er erwartet also, dass man nach einer Infektion immunisiert ist.

Spahn gegen Grenzschließungen

Eine klare Haltung hat Spahn unterdessen zu Forderungen nach Schließung der Grenzen: Er hält nichts davon. Und er berichtet von Gesprächen mit seinen Kollegen in Europa: So würde etwa eine Schließung der Grenze zwischen der Schweiz und Italien dazu führen, das viele italienische Pfleger und Ärzte ihre Arbeitsplätze in der Schweiz nicht mehr aufsuchen können. Das hätten ihm seine Kollegen aus Italien und der Schweiz berichtet.

Bürger in Berlin bleiben gelassen

Auf den Straßen in Berlin bleiben die Menschen vergleichsweise gelassen. Eine Lehrerin sagt der DW: "Ich versuche, die Hygiene hoch zu halten, mir die Hände zu waschen und das auch meinen Schülern so zu vermitteln." Eine ältere Frau ergänzt: "Ich bin an sich in guten Händen hier. Man braucht da nicht viel drüber nachzudenken, aber es beschäftigt mich schon." Irritiert sind die Menschen von der oft widersprüchlichen Berichterstattung in Zeitungen, im Radio oder im Internet. Ein Mann sagt dazu: "Wenn man hört, dass es jetzt eine Mangel an Schutzanzügen geben soll, und vorher hieß es, Deutschland ist perfekt darauf vorbereitet, dann kommt man schon ein bisschen ins Grübeln." Und ein weiterer sagt: "Das ist schon kurios, dass Desinfektionsmittel nicht mehr zu kriegen sind."

Desinfektionsmittel brauchen Ärzte und Pfleger, nicht die Bürger. Bild: imago images/7aktuell/N. Reech

Bürger brauchen keine Desinfektionsmittel

Das bemängelt auch Petra Gastmeier, Hygiene-Professorin in Berlin. Für den normalen Bürger reiche das gründliche Händewaschen vollkommen aus gegen das Virus, Desinfektionsmittel seien nicht nötig: "Wichtig ist es, dass im Gesundheitswesen Desinfektionsmittel vorhanden sind. In Krankenhäusern und in jeder Arztpraxis. Es ist einfach eine Frage der Solidarität, dass die Bürger, die das gar nicht brauchen, zugunsten des Gesundheitswesens verzichten."

Das Tempo der Ausbreitung ist entscheidend

Noch also bleiben Politiker und Behördenvertreter in Deutschland dabei: Die Epidemie kann bewältigt werden. Laut Drosten ist weniger die Zahl der Infizierten entscheidend, als das Tempo, in dem sie sich anstecken: "Für die Gesellschaft ist es ein großer Unterscheid, ob alle diese Fälle alle auf einmal kommen, oder ob die sich über einen längeren Zeitraum ausdehnen." Bei einem erhöhten Tempo könne der Druck etwa auf das Gesundheitswesen zu stark werden. Noch aber ist das nicht der Fall.

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