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Corona: So wurde ich mit "Sputnik V" geimpft

Sergey Satanovskiy | (Adapt.:Markian Ostaptschuk)
3. Dezember 2020

Kurz vor Beginn der Massenimpfung in Russland hat ein DW-Korrespondent an der Testung des russischen Impfstoffs "Sputnik V" teilgenommen. Ein Erfahrungsbericht aus erster Hand.

Russland | Coronavirus | Impfung
DW-Korrespondent Sergey Satanovskiy nach der ImpfungBild: Sergej Satanowski/DW

Massenimpfungen gegen das Coronavirus sollen in Russland noch vor Mitte Dezember beginnen. Präsident Wladimir Putin gab der Regierung des Landes am Mittwoch einen entsprechenden Auftrag. Zuerst sollen Ärzte und Lehrer geimpft werden. Parallel dazu sollen die Tests mit dem im Sommer angemeldeten Impfstoff "Sputnik V" fortgesetzt werden. An den Testungen der vom Moskauer Gamaleja-Institut für Epidemiologie entwickelten Vakzine hat sich DW-Korrespondent Sergei Satanovski beteiligt. Hier sein Erfahrungsbericht:

Anmeldung zur Test-Impfung

Bereits im September wurde im Internet geworben: "Werden Sie Freiwilliger bei der Erprobung eines Impfstoffs gegen COVID-19." Zu diesem Zeitpunkt gab es nur wenig Informationen über "Sputnik V" und die Anzahl der Neuinfektionen in Russland war nicht alarmierend.

Ende November änderte sich die Lage und die Zahl der Neuinfektionen stieg stark an. Ich beschloss, das Risiko einer Impfung einzugehen. Überzeugt hatte mich letztlich die Not von Freunden, die schwer erkrankt waren und in ihrer Wohnung unter Quarantäne gestellt worden waren.

Der russische Impfstoff "Sputnik V"Bild: picture alliance/dpa/Ministry of Health of the Russian Federation

Die Suche im Internet nach "Impfung gegen das Coronavirus" führte mich zur Website der Moskauer Stadtverwaltung. Dort musste ein Fragebogen ausgefüllt werden, unter anderem, ob ich bereits an dem neuen Coronavirus erkrankt war, ob ich in den letzten zwei Wochen zu einem Infizierten Kontakt hatte und ob ich chronische Krankheiten habe. Laut dem Gesundheitsamt sollten sich bereits an COVID-19 erkrankte Menschen in dieser Saison nicht mehr impfen lassen. Ungefähr eine Woche später wurde mir telefonisch angeboten, eine Poliklinik auszusuchen, in der ich mich einer Voruntersuchung unterziehen sollte.

Untersuchung im Krankenhaus

Zur Untersuchung fuhr ich ins Moskauer Schadkewitsch-Krankenhaus. Dort erfuhr ich, dass der Chefarzt dieser Klinik der bekannte Doktor und Fernsehmoderator Alexander Mjasnikow ist. Er ist Freund des bekannten Moderators des Staatsfernsehens, Wladimir Solowjow, der als Teil der russischen Propagandamaschine gilt. Zu Beginn der Pandemie hatte  er die Wahrscheinlichkeit der Russen, sich mit COVID-19 zu infizieren, mit "Null" eingeschätzt. Mir war plötzlich mulmig, doch für einen Rückzieher war es zu spät.

Vor der Untersuchung fragte die Ärztin, ob ich in letzter Zeit Medikamente eingenommen hätte. Sie wollte wissen, ob ich Allergien habe und ob bei mir chirurgische Eingriffe vorgenommen wurden. Ich musste bei meinen Eltern anrufen und nachfragen, welche Operation genau bei mir im Alter von fünf Jahren durchgeführt wurde. Während des Gesprächs gab mir die Ärztin Informationsmaterial auf 16 Seiten und erläuterte mir den Inhalt mündlich.

Das Schadkewitsch-Krankenhaus in MoskauBild: Sergej Satanowski/DW

Dort heißt es beispielsweise, Ziel der Studie sei, die Wirksamkeit, Immunogenität und Sicherheit des Impfstoffs Gam-COVID-Vac (Handelsmarke "Sputnik V") zu bewerten. In vorklinischen Studien sei die Vakzine an Tieren getestet worden, so an syrischen Goldhamstern und Meerschweinchen. Bei ihnen habe "Sputnik V" Sicherheit und Wirksamkeit bewiesen, doch an Freiwilligen unter Menschen nur Sicherheit.

Versicherungspolice für jeden Teilnehmer

Insgesamt werden 40.000 Menschen an der Studie teilnehmen: 30.000 erhalten den Impfstoff und 10.000 ein Placebo. 21 Tage nach der ersten Impfung müssen Sie ins Krankenhaus kommen, denn dann wird ihnen die zweite Komponente der Vakzine verabreicht. Außerdem soll in der App "Check Covid-19" Tagebuch geführt werden, wie man sich fühlt. Sonst wurde von mir nichts weiter verlangt. Es gibt aber noch eine weitere Forschungsstudie, und die Ärztin schlug mir vor, daran teilzunehmen.

Es stellte sich heraus, dass die Hauptstudie keine Blutuntersuchung auf Immunogenität beinhaltet, also die Fähigkeit des Impfstoffs, eine Immunantwort in Form von Antikörpern zu bilden, die das Virus neutralisieren können. Solche Untersuchungen werden in einer zusätzlichen Studie durchgeführt. Der Staat zahlt für eine Teilnahme 8500 Rubel (rund 93 Euro). Es werden nur 95 Milliliter Blut abgenommen, also stimmte ich zu.

"Auch wenn die Teilnahme an der Studie sicher ist, gibt es während der gesamten Studie eine spezielle Versicherung für Sie", sagte die Ärztin. In der Versicherungspolice für die Teilnehmer der Studie steht, dass im Falle des Todes die Begünstigten (in meinem Fall meine Eltern) zwei Millionen Rubel (rund 22.000 Euro) erhalten. Im Falle einer Behinderung würden je nach Grad zwischen 500.000 und 1,5 Millionen Rubel (rund 5500 bis 16.500 Euro) gezahlt, bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustands ohne Behinderung etwa 300.000 Rubel (rund 3300 Euro).

Im Flur des Moskauer Schadkewitsch-KrankenhausesBild: Sergej Satanowski/DW

Nach dem Gespräch unterschrieb ich die Einwilligung zur Teilnahme an der Studie und ging zur Untersuchung. Ich wurde auf HIV, Syphilis, Hepatitis C und B, das Coronavirus (PCR- und Antikörpertest) und auf Rückstände von Medikamenten im Urin getestet. Bei mir wurde nichts gefunden und ich wurde zur Impfung zugelassen.

Impfstoff-Lagerung in speziellen Kühlschränken

Die durchgeführten Untersuchungen sind eine Woche gültig, also kam ich genau nach sieben Tagen zur Impfung. An der Tür der Klinik befindet sich ein Aufkleber mit der Aufschrift "Kommen Sie zur COVID-19-Impfung herein". Im Krankenhaus selbst führen Schilder zur entsprechenden Abteilung. Dort gibt es einen Empfangsschalter und vier Räume: Impfung, Arzt, Untersuchung, Ruheraum.

Um 10 Uhr morgens waren zwei Teilnehmer anwesend: ich und eine etwa 30jährige Frau. Ich meldete mich beim Arzt und ging zur Blutabnahme für den Test auf Antikörper, für den mehrmals Blut abgenommen werden muss. Dann ging ich zur Impfung in ein kleines Zimmer, in dem nur ein paar Stühle, ein medizinischer Tisch und zwei Kühlschränke der russischen Marke "Pozis" stehen. Sie kosten pro Stück etwa 150.000 Rubel (rund 1600 Euro). Dort wird der Impfstoff bei minus 28 Grad gelagert.

Der Arzt gab mir eine schmerzlose Spritze in die linke Schulter. Danach verbrachte ich eine halbe Stunde im Ruheraum. Mir wurde gesagt, bei einigen Patienten sinke nach der Injektion der Blutdruck, aber bei mir war er normal. Ich erhielt ein Teilnahmezertifikat und wurde nach Hause entlassen. Abschließend wurde mir noch gesagt, es könnte passieren, dass meine Körpertemperatur ansteigt. Dann sollte ich einfach Paracetamol einnehmen. Zudem wurde ich gebeten, in den kommenden drei Monate kein Kind zu planen, da die Auswirkung des Impfstoffs auf Spermien noch nicht untersucht sei.

Nach der Impfung muss man eine halbe Stunde ruhenBild: Sergej Satanowski/DW

Schüttelfrost und Fieber

Erst nach der Impfung habe ich gelesen, wie andere Teilnehmer reagiert haben, darunter Journalisten und Mitglieder der Gruppe "Ergebnisse der Impfung" bei Telegram, in der sich über 1800 Personen zusammengefunden haben. Am Abend nach der Verabreichung des Impfstoffs (oder Placebos) und am nächsten Tag klagten die Menschen über Fieber und Muskelschmerzen. Als ich gegen sieben Uhr abends die Arbeit verließ, bekam ich bereits Kopfschmerzen, leichten Schüttelfrost und Schwindel. Ich schloss nicht aus, dass es sich um Einbildung handelte, nach all den Geschichten, die ich gelesen hatte.

Doch am späten Abend gab es keinen Zweifel mehr, dass mein Körper auf den Impfstoff reagierte. Die Körpertemperatur stieg auf 38,6 Grad. Die Muskelschmerzen nach meiner letzten Yoga-Sitzung nahmen zu. All das war unangenehm, aber es war erfreulich, dass ich höchstwahrscheinlich den Impfstoff bekommen hatte und kein Placebo. Ich nahm Paracetamol ein, hielt die Symptome in meinem digitalen Tagebuch fest und ging schlafen. Am nächsten Tag lag die Temperatur bei etwa 37 Grad und schon am Tag darauf waren die Nebenwirkungen verschwunden.

In drei Wochen bekomme ich die zweite Komponente des Impfstoffs injiziert, und ungefähr 42 Tage nach der ersten Injektion sollten sich bei mir Antikörper bilden. Die Frage, ob diese Antikörper das Virus wirksam bekämpfen können, ist jedoch noch offen.

 

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