Doch nicht zweistellig: Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist in der Corona-Krise etwas weniger stark eingebrochen als zunächst berechnet. Jetzt besteht Hoffnung auf ein deutlich besseres drittes Quartal.
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Die deutsche Wirtschaft ist wegen der Corona-Krise im zweiten Quartal nicht ganz so stark geschrumpft wie bislang angenommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) fiel von April bis Juni um 9,7 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Eine frühere Schätzung hatte ein Minus von 10,1 Prozent ergeben. Das ist dennoch der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen Berechnungen für Deutschland im Jahr 1970. Die Corona-Rezession reißt zudem ein riesiges Loch in den deutschen Staatshaushalt. Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung gaben im ersten Halbjahr zusammen 51,6 Milliarden Euro mehr aus als sie einnehmen, wie die Statistiker mitteilten. Das Defizit entspricht 3,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hatten im Frühjahr weite Teile der Wirtschaft lahmgelegt: Geschäfte, Hotels und Restaurants mussten schließen, Fabriken machten dicht, Messen, Konferenzen und Konzerte wurden abgesagt. "Das zweite Quartal war ein einziges Desaster", sagte der Chefökonom der VP Bank aus Liechtenstein, Thomas Gitzel. "Die Details sehen noch schlimmer aus als der eigentliche Wachstumseinbruch." Egal ob es sich um die Investitionen, den privaten Konsum, die Exporte oder auch die Importe handele - "alles war im freien Fall."
Bundesbank erwartet im 3. Quartal "kräftiges Wachstum"
Die Ausgaben der Verbraucher sanken im Frühjahr um 10,9 Prozent, während die Konsumausgaben des Staates im Zuge der Rettungspakete um 1,5 Prozent stiegen. Die Firmen hingegen kappten ihre Investitionen in Ausrüstungen um 19,6 Prozent. Auch der Außenhandel bremste wegen der mauen Weltwirtschaft die Konjunktur. Die deutschen Exporte brachen zum Vorquartal um 20,3 Prozent ein, während die Importe ebenfalls kräftig um 16,0 Prozent fielen.
Für das laufende dritte Quartal erwarten Ökonomen wegen der Lockerung der Corona-Beschränkungen wieder eine deutliche Erholung, die Bundesbank sogar ein "kräftiges Wachstum". Dennoch sagt die Bundesregierung für 2020 die schwerste Rezession der Nachkriegszeit voraus: Das Bruttoinlandsprodukt dürfte um 6,3 Prozent einbrechen.
Auch Ifo-Index signalisiert Aufschwung
Auch die Stimmung in den deutschen Chefetagen hellt sich nach dem Rekord-Einbruch der Wirtschaft in der Corona-Krise zusehends wieder auf. Der Ifo-Geschäftsklimaindex für August kletterte auf 92,6 Zähler von 90,4 Punkten im Juli, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag mitteilte. Es ist bereits der vierte Anstieg in Folge: "Die deutsche Wirtschaft ist auf Erholungskurs", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die vom Institut befragten Manager schätzten ihre Geschäftsaussichten und auch ihre Lage günstiger ein als zuletzt.
Trotz einer einsetzenden Erholung bremsen steigende Infektionszahlen, Reisewarnungen und die Sorge vor neuen Einschränkungen die Wirtschaft auf dem Weg aus der Corona-Rezession.
Was mehr Lkws auf den Straßen über die Wirtschaft verraten
Wie steht's um die Wirtschaft? Neben klassischen Indikatoren wie dem Ifo-Geschäftsklimaindex gibt es noch einige ungewöhnliche Indizes, an denen sich der Zustand der Konjunktur quasi in Echtzeit ablesen lässt.
Bild: picture-alliance/dpa/C. Welz
Lkw-Maut-Fahrleistungsindex
Der Güterverkehr spiegelt wider, wie es um die industrielle Produktion im Land steht. Denn wenn Fabriken keine vollgeladenen Lastwagen mehr auf die Straße schicken, ist das auch ein Indikator für eine schlechte gesamtwirtschaftliche Lage. Praktisch ist, dass der Index täglich mit neuen Verkehrsdaten gefüttert wird.
Bild: Imago Images/M. Stein
Stromverbrauch
Während des Lockdowns zwischen Ende März und Mitte April lag der deutsche Stromverbrauch an Werktagen um 7,5 Prozent unter dem ansonsten erwartbaren Wert. Obwohl die Produktion seitdem wieder angestiegen ist, ist der Stromverbrauch immer noch knapp zehn Prozent niedriger als 2019.
Bild: MEHR
Mobilitätsindex
Digitalkonzerne wie Apple und Google werten täglich aus, nach welchen Routen Handynutzer in Navigationsapps wie Google Maps suchen. Die Daten zeigen, dass es in Deutschland zu Beginn des Lockdowns rund 60 Prozent weniger Anfragen in der App gab als zuvor.
Bild: picture alliance/dpa/U.Zucchi
Restaurant-Reservierungen
Zahlen des Restaurant-Reservierungsanbieters OpenTable zeigen drastisch, wie schwer der Corona-Lockdown die Gastronomie getroffen hat. Während Anfang März noch fast so viele Tische wie im Vorjahr reserviert wurden, war damit gegen Ende März komplett Schluss. Dieser Zustand hielt über Wochen an, bis es nach den Wiedereröffnungen der Restaurants seit Juli langsam wieder aufwärts geht.
Bild: Reuters/A. Gebert
Flugverkehr
Der Einbruch der Passagierzahlen in der Corona-Krise ist beispiellos. Während in Deutschland im Februar 2020 noch rund 15 Millionen Menschen an den Flughäfen gestartet oder gelandet sind, waren wenige Wochen später fast überhaupt keine Flugpassagiere mehr in der Luft. Auswertungen vom Flugbeobachter Flightradar24 zeigen, dass im April weltweit rund 75.000 weniger Flüge als 2019 gezählt wurden.
Bild: picture-alliance/M. Mainka
Containerumschlag-Index
Der allergrößte Teil des internationalen Handels wird per Schiff abgewickelt - und die transportieren vor allem Container. Die Wirtschaftsforscher vom RWI erfassen gemeinsam mit dem Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik die Daten aus 91 Häfen dieser Welt. Neueste Daten zeigen: Der Containerumschlag nähert sich dem Niveau vor der Corona-Krise wieder an.
Bild: picture-alliance/Xinhua/D. Ting
Arbeitslosigkeit
Ein klassischer Indikator für Konjunkturprognosen ist die Arbeitslosenzahl. Diese stieg von März auf April infolge der Krise auf über 2,5 Millionen. Das waren rund 415.000 Arbeitslose mehr als noch ein Jahr zuvor. Seitdem ist die Arbeitslosigkeit weiter gestiegen - wenn auch schwächer als zuvor. Laut Arbeitsagentur stabilisiert der massive Einsatz der Kurzarbeit aber den deutschen Arbeitsmarkt.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas
Neuzulassungen von Autos
Ob sich die Konjunktur gut entwickelt, machen manche Ökonomen daran fest, ob sich Privatleute oder Firmen neue Autos zulegen. Den Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes nach steht es demnach schlecht um die Volkswirtschaft. Denn im März dieses Jahres wurden 37, 7 Prozent weniger Neuwagen zugelassen als noch im März 2019. Im April waren es sogar über 61 Prozent weniger Zulassungen als im Vorjahresmonat.