1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Corona-Krise: Warum nicht mehr Verbote?

Kay-Alexander Scholz
10. März 2020

Die Schweiz oder Frankreich haben Veranstaltungen ab 1000 Personen verboten. Italiens Premier Conte hat das ganze Land zur Sperrzone erklärt. Doch in Deutschland scheint alles langsamer zu laufen. Warum ist das so?

Fußball Dortmund Fans mit Virus Plakat
Bild: picture-alliance/RHR-FOTO/D. Ewert

Das liegt vor allem am deutschen Föderalismus. Der Bund kann in der Regel nicht direkt auf die Ebene der Kommunen "durchregieren". Das ist in der Verfassung so garantiert - es gibt eine sogenannte Kompetenzordnung. Dadurch genießen die einzelnen Kommunen, vor allem aber die 294 Landkreise und 107 Städte eine große Unabhängigkeit. Dort entscheiden eigene Behörden, was vor Ort passiert.

Im Fall Corona/Convid-19 sind das die Gesundheitsämter. Darauf wies nun auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Berlin noch einmal hin.

Entschieden wird vor Ort und nicht zentral

Ein Landkreis in Sachsen zum Beispiel beschloss nach dem ersten Corona-Fall ein Veranstaltungsverbot sogar für Treffen ab 100 Teilnehmern und ein Verbot von Klassenfahrten. In Brandenburg wurde nun eine ganze Kommune unter Quarantäne gesetzt - 5000 Bürger sind betroffen. Rechtliche Grundlagen sind die jeweiligen Infektionsschutzgesetze.

Die 16 Bundesländer selbst sind zunächst vor allem helfende Akteure, die zum Beispiel dafür sorgen, dass überregionale Testlabore und Krankenhäuser vorbereitet sind. Darüber hinaus hat jedes Bundesland ein eigenes Katastrophenschutzgesetz, das die Innenminister anwenden können. Derzeit wird darüber in Deutschland aber nicht gesprochen.

Keine Großveranstaltungen mehr?

Bundesgesundheitsminister Spahn schlug nun vor, dass generell Veranstaltungen ab 1000 Teilnehmern nicht mehr stattfinden sollten. Bei weniger als 1000 Teilnehmern sollte vor Ort abgewägt werden. Doch - wie gesagt - entschieden wird vor Ort. Das betrifft auch Schulen oder die in Deutschland so beliebten Fußball-Spiele.

Chef-Virologe Christian Drosten (links) von der Charité Berlin berät die Bundesregierung, darunter Gesundheitsminister Jens Spahn (rechts)Bild: Reuters/F. Bensch

Der Föderalismus macht die Corona-Bekämpfung damit weniger zentral steuerbar. Doch das sei auch ein Grund, warum Deutschland jetzt "früh dran sei", wie Christian Drosten, Chef-Virologe der Charité in Berlin, sagte. Denn es gab dezentral mehrere Labore, die in der Diagnostik weit vorne waren, schon früh - im Januar - testen konnten und durften. Das sei in anderen Staaten nicht so gewesen, wo zum Beispiel Tests nur an einem nationalen Gesundheitsinstitut stattfinden dürften. Dadurch sei wertvolle Zeit gewonnen worden. Weil nicht erst getestet wurde, als erste Todesfälle auftraten, so Drosten.

Gegenstrategien: Verlangsamung und Verantwortung

Doch trotzdem sind in den letzten Tagen die Zahlen stark, auf mehr als 1000 Infizierte, angestiegen. Im Ausland blicken einige Staaten inzwischen mit Sorge auf Deutschland und haben Schutzmaßnahmen beschlossen. Die Schweiz kritisierte, dass noch immer Fußballspiele mit Publikum stattfanden, gerade auch im besonders betroffenen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Russland hat deshalb, wie zuvor schon Israel, beschlossen, Einreisende aus Deutschland zu registrieren und zunächst in zweiwöchige Isolation zu schicken. Tschechien hat nun mit Grenzkontrollen begonnen und wird stichprobenartig die Körpertemperatur von Reisenden messen.

Aktuell setzen die deutschen Behörden auf eine "Verlangsamung" der Virus-Ausbreitung - die Ausbreitung soll also gestreckt werden. Damit das Gesundheitssystem weniger gestresst werde, wie es hieß, und zu erwartende schwere Krankheitsverläufe besser behandelt werden könnten. Insgesamt gibt es 28.000 Krankenhausbetten in Deutschland, in denen eine intensive Versorgung möglich sei, so Bundesinnenminister Spahn.

Vor allem Menschen über 65 und mit Vorerkrankungen seien gefährdet. Er appelliere an die Bürger, Kontakte mit anderen zu reduzieren, so Spahn. "Auf was können wir verzichten, auf was weniger?" Insgesamt werde die Epidemie wohl eher einige Monate als Wochen dauern.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen