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Politik

Was haben die Deutschen gegen Eurobonds?

22. April 2020

Die Debatte über eine gemeinsame finanzielle Haftung der Euro-Länder in der Corona-Pandemie reißt nicht ab. Doch reichere Staaten, darunter Deutschland, blockieren die Idee. Warum eigentlich? Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Symbolbild Eurobonds
Bild: picture alliance/dpa/J. Büttner

Harmonisch dürfte es am Donnerstag nicht zugehen, wenn sich die Staats- und Regierungschefs der EU zusammenfinden, um über die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie zu sprechen. Streit und Zwist begleiten das Thema, denn innerhalb der Gemeinschaft gibt es ganz unterschiedliche Meinungen darüber, wie europäische Solidarität in Zeiten von Corona aussehen kann, soll und muss.

Der sprichwörtliche Elefant im Raum sind Eurobonds, in der Krise auch Corona-Bonds genannt. Dabei würden die Euro-Staaten gemeinsam Schulden am Kapitalmarkt aufnehmen, die aufgenommenen Mittel unter sich aufteilen und gemeinsam für die Rückzahlung und Zinsen dieser Schulden haften. Finanzstarke Länder müssten dann höhere Zinsen zahlen als jetzt, für finanzschwache Länder würde die Zinsbelastung hingegen sinken. Wenn allerdings Länder zahlungsunfähig würden, müssten die übrigen deren Schulden und Zinszahlungen übernehmen.

Neun EU-Staaten sind für Eurobonds

Für Italien und Spanien, die schon jetzt hoffnungslos überschuldet sind, klingt das verlockend. Ihnen wären die gemeinsamen Bonds viel lieber als Kredite über den Rettungsschirm des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Auch Frankreich und sechs weite Länder unterstützen den Ruf nach Eurobonds. Die Niederlande, Österreich, Finnland und Deutschland hingegen lehnen sie vehement ab. Sie fürchten eine Schleusenöffnung. Einen Freifahrtsschein für diejenigen, die ihre Finanzen seit Jahren nicht im Griff und bis heute keine politischen und wirtschaftlichen Reformen durchgeführt haben. Eurobonds könnten ihnen die Mittel geben, auch weiterhin nicht zu sparen, ihre Haushalte nicht zu sanieren und den Arbeitsmarkt, die Sozialsysteme und das Steuersystem nicht zu reformieren.

Eurobonds seien in der Corona-Pandemie der falsche Weg, soll Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag in einer Sitzung des CDU-Präsidiums noch einmal nachdrücklich gesagt haben. Teilnehmer berichteten, dass man sich in der Telefonkonferenz darüber einig war, dass eine gemeinsame Schuldenaufnahme in Deutschland auf viel Widerstand stoßen würde.

Ein ewiges Thema

Angela Merkel spricht aus Erfahrung. Die Diskussion über Eurobonds begleitet sie, seit sie Bundeskanzlerin ist. "Jede Entscheidung über die kurzfristige Stabilisierung eines Mitgliedstaats der Europäischen Union muss im Einklang mit der langfristigen Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion getroffen werden", sagte Merkel schon 2010 im Bundestag. Die EU ächzte unter der Finanz- und der ihr folgenden Schuldenkrise. Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Irland standen vor dem Bankrott. Was tun?

Ein Riss geht durch die Europäische UnionBild: Imago/T. Becker

"Das deutsche Volk hat im Vertrauen auf einen stabilen Euro seinerzeit die D-Mark aufgegeben. Dieses Vertrauen darf unter keinen Umständen enttäuscht werden", so Merkel. "Deshalb sage ich: Ein guter Europäer ist nicht unbedingt der, der schnell hilft. Ein guter Europäer ist der, der die europäischen Verträge und das jeweilige nationale Recht achtet und so hilft, dass die Stabilität der Eurozone keinen Schaden nimmt."

Einer für alle, alle für einen? Nicht beim Euro.

Tatsächlich ist in Artikel 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgehalten, dass jeder Staat die von ihm jeweils gemachten Schulden selbst trägt und verantwortet. Deutschland machte die "No-Bail-Out-Klausel" 1993 zur Voraussetzung für den Beitritt zur Währungsunion. Der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel versprach hoch und heilig: "Wir übernehmen keine Schulden anderer Länder, wir werden keine Haftungsgemeinschaft."

Der Euro: Keine HaftungsgemeinschaftBild: picture alliance/dpa/Bildagentur-online/HRI-McPhoto

Und was würde das Bundesverfassungsgericht zu Eurobonds sagen? Die Parlamente, allen voran der Bundestag, entscheiden über das Geld der Steuerzahler. Das steht im Grundgesetz. "Ganz abgesehen davon, dass Instrumente wie Eurobonds, Euro-Bills, Schuldentilgungsfonds und vieles mehr in Deutschland schon verfassungsrechtlich nicht gehen, halte ich sie auch ökonomisch für falsch und kontraproduktiv", fasste Angela Merkel im Juni 2012 zusammen: "Ich erinnere nur daran, dass weder Bund und Länder in Deutschland noch Staaten wie Amerika oder Kanada eine gesamtschuldnerische Haftung für ihre aufgenommenen Anleihen kennen."

In Griechenland machten sich die Deutschen in der Eurokrise keine FreundeBild: Getty Images/C.Furlong

Stattdessen schlug Merkel schon damals "mehr Durchgriffsrechte der europäischen Ebene" vor, wenn Haushaltsregeln verletzt würden. Eine gemeinsame Haftung sei ohne entsprechende Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten in nationale Haushalte nicht möglich. Von einem europäischen Finanzminister sprach Merkel allerdings nie. Die nationale Souveränität in Finanzfragen aufzugeben, so weit will Deutschland nicht gehen.

Wie denken die Bürger über Eurobonds?

In der Corona-Pandemie zumindest positiver als in den Jahren zuvor. Aus repräsentativen Umfragen deutscher Meinungsforschungsinstitute geht hervor, dass aktuell rund 40 Prozent der Deutschen für gemeinsame Schulden der Euro-Länder sind und rund 40 Prozent dagegen. Jeder Fünfte ist allerdings unentschieden.

Vor der Corona-Krise waren die Deutschen über Jahre stets mehrheitlich gegen Eurobonds. Selbst über die milliardenschweren Hilfspakete, die in der Finanz- und Schuldenkrise geschnürt wurden, um Griechenland und den Euro zu retten, gab es endlose Debatten nicht nur im Bundestag, sondern auch in der Bevölkerung.

Eurobonds wären Steilvorlage für die AfD

In der heutigen Diskussion wird sich die Bundesregierung sicherlich auch an 2013 erinnern, als die Alternative für Deutschland (AfD) als rechtsliberale und EU-skeptische Partei gegründet wurde. Zwar fokussierte sich die AfD später auf die Flüchtlingskrise und entwickelte sich zu einer in weiten Teilen rechtsradikalen Partei. Die ablehnende Haltung gegenüber der EU aber blieb.

Würde die Bundesregierung sich auf Eurobonds einlassen, wäre das für die AfD eine Steilvorlage. Vergleichbar mit der britischen Brexit-Kampagne würde sie Stimmung gegen die EU machen und versuchen, die Bürger aufzuhetzen.

Zudem würden Eurobonds die deutschen Steuerzahler auch ohne Haftungseintritt teuer zu stehen kommen. Sowohl für die neuen Kredite als auch für die alten Schulden, die allein für den Bund bei mehr als einer Billion Euro liegen, müssten höhere Zinssätze gezahlt werden. Ein Prozentpunkt höhere Zinsen entspräche einem zweistelligen Milliardenbetrag.

Wiederaufbaufonds statt Eurobonds?

Angesichts der ohnehin hohen Neuverschuldung in der Corona-Pandemie wäre das den Steuerzahlern schwer zu vermitteln. Nun bleibt abzuwarten, wie der EU-Gipfel am Donnerstag verlaufen wird. Wer setzt sich durch mit seinen Forderungen? Am Ende könnten die Deutschen zumindest teilweise nachgeben und sich wenigstens auf Wiederaufbaufonds, also begrenzte gemeinschaftliche Kreditaufnahmen einlassen müssen. Immerhin sprechen sich dafür inzwischen sogar deutsche Ökonomen aus.

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