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Politik

Wie die EU die Sommerferien retten will

Barbara Wesel
13. Mai 2020

Die EU-Kommission will wenigstens teilweise Tourismus ermöglichen. Sie gibt Empfehlungen für Gesundheitsschutz, Grenzöffnungen und Transport - in der Hoffnung, dass die Mitgliedsstaaten sich daran halten.

Strand von Palavas-les-Flots im französischen Département Hérault
Strand von Palavas-les-Flots im französischen Département HéraultBild: Imago Images/H. Lucas

"Das Frühjahr war so schwierig, der Sommer sollte nicht verloren sein", sagt die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager. Viele Bürger wollten jetzt eine Pause und Urlaub machen. Außerdem hänge ein Zehntel der europäischen Wirtschaftsleistung mit Millionen von Arbeitsplätzen vom Tourismus ab, erklärt sie, deswegen sollen Richtlinien nun einen "sicheren Weg zurück für den Tourismus in diesem Sommer" ermöglichen. Es gehe um die Chance "für eine bessere Saison für die vielen, die vom Tourismus abhängen". Tatsächlich stehen Spanien, Italien und Griechenland sonstvor einer Pleitewelle in der Reisebranche.

Die leidigen Voucher

Ein Nebenthema, das für viele Verbraucher allerdings sehr wichtig ist, sind die leidigen Voucher, die von Fluggesellschaften und Reiseunternehmen in den letzten Wochen ausgegeben wurden, um nicht das Geld für ausgefallene Ferien oder Flüge zurückzuzahlen. Bei der EU-Kommission häufen sich die Klagen, denn nach europäischem Recht haben die Bürger ein Recht auf Erstattung.

Vize-Kommissionschefin Margrethe VestagerBild: picture alliance/AP Photo

Dabei solle es auch in jedem Fall bleiben, sagt Margrethe Vestager, ohne Wenn und Aber. Wer das Geld für gebuchte Sommerferien zurückwolle, solle es erhalten. An zwölf Mitgliedsländer würden gerade Briefe geschrieben, um sie auf diese rechtliche Verpflichtung hinzuweisen. Gleichzeitig gebe es Vorschläge, wie man diese Voucher etwa durch zeitliche Befristung oder Umtauschmöglichkeiten attraktiver machen könne, so dass Bürger ihr Geld vielleicht doch nicht zurückverlangten. Dahinter steht das Interesse der Industrie, die massive Liquiditätsprobleme hat.

Doch nur eine Stunde später konterkariert die für Transport zuständige Kommissarin Adina Valean diese klare Botschaft. Es gebe derzeit nur allgemeine Briefe, keine Mahnungen wegen der möglichen Verletzung von EU-Recht. In den nächsten Tagen wird sich hoffentlich herausstellen, welche der Kommissarinnen Recht hat. Klar ist jedoch, dass europäische Vorschriften die Verbraucher schützen und sie ihr Geld zurückerhalten müssen. Wirtschaftliche Probleme der Branche wegen Corona ändern daran nichts. Aber dies ist nur eine der vielen Regeln, die derzeit nicht richtig eingehalten werden.

Erster Schritt – Öffnung der Grenzen

Schrittweise soll das Reisen innerhalb von Europa wieder möglich werden und das beginnt mit der Öffnung der Grenzen. "You don't know what you've got till it's gone " - man weiß nicht was man hat, bis es verloren ist, zitiert Innenkommissarin Ylva Johansson aus der Popmusik und meint damit den Schengenraum und den freien Reiseverkehr. Derzeit berufen sich alle auf die besonderen Umstände wegen der Corona-Krise. Die konkrete Zuständigkeit für die Grenzen liegt bei den einzelnen EU-Staaten - und diese machen derzeit weitgehend, was sie wollen. Kehren sie nicht demnächst zu den Regeln zurück, müsste die Kommission eine lange Reihe Vertragsverletzungsverfahren in Gang setzen, was in der Krise politisch unklug wäre.

Transportkommissarin Adina ValeanBild: picture-alliance/AP Photo/O. Hoslet

Deutschlands Innenminister Horst Seehofer hat nicht einmal die Pressekonferenz der EU-Kommission abgewartet, um am Vormittag von sich aus die Grenzen zu den Nachbarländern von diesem Wochenende ab zu wieder zu öffnen. Wobei Corona-bezogene Einzelkontrollen noch vier Wochen lang erhalten bleiben sollen. Immerhin sprach Seehofer der EU-Kommission aus dem Herzen, wenn er betont, man wolle ab Mitte Juni wieder zur vollen Reisefreiheit in Europa zurückkehren.

Brüssel aber macht klar, dass bilaterale Absprachen zwischen Nachbarländern dann auch für alle Bürger gelten müssen, die dort leben. Können Österreicher und Deutsche sich zum Beispiel wieder frei bewegen, gilt das auch für Portugiesen oder Italiener, die auf dem jeweiligen Staatsgebiet leben. "Es darf keine Diskriminierung geben", erklärt die EU-Innenkommissarin.

"Bubbles" werden bleiben

Grundlage für die Öffnung der Grenzen soll eine ähnliche epidemiologische Lage in den jeweiligen Ländern sein. Das heißt, die Infektionen sind unter Kontrolle, es gibt genügend medizinische Kapazitäten und vor allem Tests, um Neuansteckungen zu finden und die Kontakte zu verfolgen. Außerdem sollten auf beiden Seiten der Grenzen Hygienevorschriften wie Abstandsregeln, das Tragen von Masken im öffentlichen Raum und andere Maßnahmen eingehalten werden.

Dennoch wird erwartet, dass die Rückkehr zur Reisefreiheit im Schengenraum ein mühsamer Weg wird. Die Kommission kann den Mitgliedsländern derzeit nicht untersagen, "Bubbles" mit ihren Nachbarn zu bilden, wenn sie sich in diesem gemeinsamen Raum sicher fühlen. Aber mittelfristig müssten alle Einschränkungen wieder fallen.

Eine neue Art von Urlaub

"Es wird eine andere Art von Urlaub sein", räumt Margrethe Vestager ein. Reisende und die Arbeitnehmer in Restaurants und Hotels sollten sich sicher fühlen. Deswegen werden Protokolle vorgeschlagen, die dann an Urlaubsorten umgesetzt werden müssten: Etwa für die Reinigung von Zimmern, den Mindestabstand beim Essen, an Swimming Pools und Stränden sowie die Vorschriften für den Transport in Bussen, Taxis oder Flugzeugen.

Und eines sei klar: "Wir werden in diesem Sommer mit dem Virus leben müssen", sagt Kommissarin Vestager. Die Ferienorte müssten alles tun, um Menschenmengen zu vermeiden. Für Museen etwa sollen Eintrittskarten online und zeitlich gestaffelt verkauft werden, sodass weder Besucher noch Angestellte mit größeren Gruppen in Kontakt kämen. Das gleiche soll für alle anderen Kulturveranstaltungen gelten.

Wie sich solche Vorschriften aber durchsetzen lassen, wenn man an die Menschenansammlungen in Paris am Wochenende am Kanal St. Martin denkt, ist dann Sache der Länder und Regionen. "Die Protokolle werden sich weiterentwickeln und die EU will das Risiko minimieren, aber am Ende müssen wir alle unsere eigenen Entscheidungen treffen". Um diesem Informationsstand zu verbessern will die Kommission eine interaktive Website einrichten, auf der Reisewillige den jeweiligen Infektionsstand und die geltenden Schutzmaßnahmen in den einzelnen Ländern erkennen können.

Basis für die Rückkehr zum Tourismus, wenn auch mit reduzierten Zahlen, das betont die Kommission noch einmal ausdrücklich, ist, dass genügend Krankenhauskapazität in den Regionen vorhanden ist, um einen möglichen Corona-Ausbruch aufzufangen. Und klar ist, dass auch Touristen vollen Zugang zu dieser medizinischen Versorgung haben müssen.

Die EU-Kommission kann mit ihrem Tourismus-Paket nicht mehr tun, als einen Leitfaden vorzulegen. Für Gesundheit, Grenzen, Hygiene- oder Transportregeln sind die Mitgliedsländer selbst zuständig. Brüssel kann da nur Hilfestellungen geben. Zum Beispiel hält die Kommission die von Griechenland vorgeschlagenen Corona-Testbescheinigungen nicht für sinnvoll, denn der Infektionsstatus könne sich zu schnell ändern. Derzeit verläuft auch das Zurückfahren  der Corona-Einschränkungen in der EU weitgehend chaotisch - ob daraus ein europäisch einheitlicheres Bild entsteht, ist noch zweifelhaft.

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