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Corona, Leopoldina und die Wirtschaft

14. April 2020

An diesem Mittwoch will die Bundesregierung zusammen mit den Länderchefs die Weichen für eine langsame Rückkehr zur Normalität stellen. Die Berater an ihrer Seite sind aber wenig konkret, wo es um die Wirtschaft geht.

BG Deutschland steht still | Flugzeuge Flughafen München
Bild: picture-alliance/dpa/V. Garcia

Je länger der Shutdown dauere, "umso weniger lassen sich gravierende ökonomische Folgen vermeiden" - es klingt wie eine Binsenweisheit. Und doch liegt in der Feststellung der Wissenschaftler der Leopoldina, das ganze Dilemma der Corona-Krise für die Wirtschaft. Denn der Shutdown, daran lässt die Nationale Akademie der Wissenschaften, die die Bundesregierung berät, wenig Zweifel, wird nicht so schnell zu Ende gehen.

"Wir geben in keiner Weise Entwarnung", so lässt sich der Präsident der Leopoldina, Gerald Haug, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zitieren: "Das Ende dieser Pandemie ist noch nicht absehbar." Zwar mache man sich nun Gedanken über "Lockerungsmaßnahmen", für die die Gelehrten Handlungsoptionen bereitstellen könnten. Aber: "Es gilt, eine zweite Infektionswelle unbedingt zu vermeiden."

Leere Innenstädte, geschlossenen Läden - hier in Köln Bild: picture-alliance/dpa/Revierfoto

In diesem Punkt ist sich der Wissenschaftler Haug mit der Mehrheit der Deutschen einig. Nur etwas mehr als ein Viertel der Deutschen hält die Unterstützung der Wirtschaft für wichtiger als die Maßnahmen zur Begrenzung des Coronavirus. Aber ungefähr jeder zweite der befragten Bundesbürger findet, vor allem müsse die Ausbreitung des Virus bekämpft werden - auch wenn das negative Folgen für die Wirtschaft und den Verlust vieler Jobs mit sich bringe. Das ergab eine Umfrage der Beratungsfirma Kekst CNC, von der das Handelsblatt am Dienstag berichtet. 

Sorgen um Jobverlust und Pleiten

Allerdings machen sich viele Deutsche durchaus Sorgen um ihre wirtschaftliche Zukunft. Fast jeder Fünfte befürchtet, seinen Job verlieren zu können. Mehr als ein Drittel sieht die Gefahr, der eigene Arbeitgeber könne die Krise möglicherweise nicht meistern.

Welche Folgen die Corona-Krise für die Industrie hat, lässt sich inzwischen etwas genauer an einer Branchenbefragung in der Metallindustrie erkennen: Die Folgen des Shutdowns sind schon jetzt gravierender als zu Zeiten der großen Finanzkrise von 2008/09. Die Kapazitätsauslastung der Metall- und Elektrobetriebe, die vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall befragt wurden, ist derzeit bereits geringer als in der Krise vor elf Jahren und liegt nur noch bei 65 Prozent - ein historischer Tiefpunkt. Allein in dieser Branche sind bereits 1,2 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit, errechnete Gesamtmetall nach der Befragung.      

"Allmähliche Rückkehr"

Die für die Bundesregierung tätigen Experten der Nationalen Akademie Leopoldina und andere vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet beauftragte Wissenschaftler halten sich auffallend zurück, wo es um konkrete Maßnahmen in Sachen wirtschaftlicher Normalisierung geht. Immer stehen denkbare Schritte unter dem Vorbehalt, das Hygiene- und Schutzregeln weiterhin eingehalten werden und werden können. Es könne ohnehin nur um eine "allmähliche Rückkehr" zur Normalität gehen. Einen Fahrplan im eigentlichen Sinne - also mit Zeitangaben und verschieden Stationen - sucht man allerdings vergeblich. In dem am Montag verbreiteten Leopoldina-Text heißt es, während der geltenden Einschränkungen sollte "kurzfristig die Wirtschafts- und Finanzpolitik vor allem Hilfen zur Überbrückung der schwierigen Situation bereitstellen. Dazu gehören Kurzarbeit, Liquiditätshilfen, Steuerstundungen und Zuschüsse, um Insolvenzen zu reduzieren."

Besonders betroffen: kleine Unternehmen, hier in Köthen, Sachsen-Anhalt Bild: picture-alliance/dpa/ZB/H. Rebsch

Im Berater-Gremium der Leopoldina wirkten zwei Ökonomen mit, der sogenannte Wirtschaftsweise Lars Feld von der Universität Freiburg und der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest. Ihre Anregungen hatten beide bereits mehrfach in den vergangenen Tagen öffentlich gemacht: Der Staat solle Steuererleichterungen vorziehen, der sogenannte Solidaritätszuschlag solle nun doch sofort und vollständig abgeschafft werden und: Das von der Regierung angekündigte Konjunkturprogramm sollte sich am Ziel Nachhaltigkeit orientieren.

Kurzfristiger greift die Anregung, der Einzelhandel und das Gastgewerbe solle nun wieder öffnen können. Schließlich weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass viele kleine Familienunternehmen und Selbstständige durch den Shutdown alle ihre Umsätze verloren hätten.

"Kreatives Recycling"

Eine wirkliche Exit-Strategie formulieren die Berater der Politiker in Berlin, in Düsseldorf oder München also noch nicht - diese Aufgabe wird in dieser Woche vornehmlich bei der Bundesregierung und der Versammlung der Länderchefs liegen. Die müssen sich auch mit einem Phänomen auseinandersetzen, das die Tageszeitung (taz) als "kreatives Recycling der eigenen Lieblingsforderungen in Corona-Zeiten" beschreibt. Die einen wollen nun ein Tempolimit durchsetzen, begründet durch Corona und die Belastung der Krankenhäuser; die anderen wollen die CO2-Grenzwerte für Autos nur verzögert verschärft sehen, begründet mit Corona und der Krise der Autoindustrie; und die Ticketabgabe für Flugreisen solle doch bitte auch fallen und das Chemikalienrecht für Textilien entschärft werden.

Da klingt die Forderung der Leopoldina-Experten deutlich ausgewogener: Nötig seien nun öffentliche Investitionen etwa im Gesundheitswesen, der digitalen Infrastruktur und im Klimaschutz. Diese Maßnahmen aber sollten "grundsätzlich mit den Zielen des europäischen Green Deals vereinbar sein". Denn: "Bestehende globale Herausforderungen wie insbesondere der Klima- und Artenschutz verschwinden mit der Coronavirus-Krise nicht."

ar/hb (dpa, rtr - Leopoldina)

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