1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Corona: Müssen Zootiere zur Schlachtbank?

Marco Müller
16. April 2020

Wegen der Corona-Pandemie sind fast alle deutschen Zoos geschlossen - nur einer darf wieder öffnen. Die Einnahmen fehlen, doch die Kosten bleiben. Im Tierpark Neumünster drohen deshalb Notschlachtungen. Ein Einzelfall?

Deutschland | Schriftzug Zoo, auf dem Gebäude des Kölner Zoos, Köln
Bild: picture-alliance/dpa/imageBROKER

Die Äußerungen lassen erschaudern. Die Direktorin des Tierparks Neumünster, Verena Kaspari, hat laut darüber nachgedacht, was passiert, wenn sich die Lage wegen der Corona-Krise weiter zuspitzt. "Wenn - und das ist wirklich der Worst Case - wenn ich kein Geld mehr habe, Futter zu kaufen, oder wenn es passieren sollte, dass mein Futterlieferant aufgrund neuer Restriktionen nicht mehr liefern kann, dann würde ich Tiere schlachten, um andere Tiere zu füttern", sagte Kaspari der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe sogar schon eine Liste mit Tieren, welche als erstes geschlachtet werden.

Der Tierpark Neumünster im Norden Schleswig-Holsteins ist - wie aktuell alle Zoos, Wild- und Safariparks in Deutschland - wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Und das nun schon seit gut vier Wochen. Das Problem: Kommen keine Besucher, fehlen die Haupteinnahmen.

Tierparkchefin Kaspari: "Das ist wirklich der Worst case"Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Während viele Unternehmen ihre Kosten senken können, wenn Einnahmen ausbleiben, ist das bei Zoos kaum möglich. Denn egal, ob die Kasse klingelt oder nicht, die Tiere müssen gefüttert und medizinisch betreut werden und die Gehege müssen gereinigt werden, auch wenn kein Besucher kommt.

"Der Kölner Zoo hat Kosten von 50.000 Euro pro Tag", sagt Volker Homes, Geschäftsführer des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ), der 56 deutsche Zoos vertritt, die zusammengerechnet normalerweise rund 35 Millionen Besucher pro Jahr haben. Anderes Beispiel: München. Der dortige Tierpark Hellabrunn habe, seitdem niemand mehr kommen darf, Einbußen von rund zwei Millionen Euro. Die Kosten für das Futter seien dabei das kleinste Problem. Ein anderer Faktor schlägt mehr zu Buche: "Die Personalkosten machen über 50 Prozent der Kosten bei unseren Zoos aus", so Homes.

Kölner Zoo ohne Besucher: 50.000 Euro Kosten pro TagBild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Der Tierpark Neumünster, der nicht Mitglied beim Verband der Zoologischen Gärten ist, hat mit seinen Plänen zur Notschlachtung viel Aufsehen erregt. Allerdings ist er mit weniger als 200.000 Besuchern pro Jahr auch eher klein. Öffentliche Gelder bekommt der Tierpark nicht, hält sich nach Angaben von Direktorin Kaspari derzeit nur durch Spenden über Wasser. Das erklärt die aktuelle Notlage. Aber kann es sein, dass auch andere Zoos und Tierparks daran denken, bei großer Geldnot ihre Bestände zu schlachten?

Schlachten statt Streicheln?

"In keinem Fall werden bei uns Tiere aus wirtschaftlichen Gründen getötet - das Tierwohl steht bei uns immer an erster Stelle", sagt Markus Köchling vom Safariland Stukenbrock in Nordrhein-Westfalen. Ähnlich sieht man es auch beim Serengeti-Park in Hodenhagen bei Hannover. "Es gibt bei uns keine Liste über Tiere, die aus wirtschaftlichen Gründen verfüttert werden müssten", sagt Pressesprecherin Asta Knoth. Alle Tiere könnten aktuell ohne Einschränkung versorgt werden.

Safariland und Serengeti-Park sind in einer besonderen Situation. Beide Parks sind eine Mischung aus Zoo und Freizeitpark. Man fährt mit dem Auto durch die Tiergehege und kann sich im Anschluss auf Fahrgeschäften amüsieren. Da beide rein privatwirtschaftlich organisiert sind, erhalten sie auch keine staatliche Förderung. "Die Corona-Krise hat uns nach der Winterpause eiskalt erwischt. Die Versorgung unserer Tiere ist aber auf jeden Fall gesichert. Dafür schmelzen aber mittlerweile unsere Reserven", so Markus Köchling vom Safariland. Doch es gibt Hoffnung: Der Tierpark darf nach einer Sondergenehmigung durch das Land Nordrhein-Westfalen an diesem Freitag als erster seiner Art in ganz Europa wieder öffnen. Es gelten allerdings strenge Hygiene- und Sicherheitsregeln.

Serengeti-Park Hodenhagen: "Der Elefant hat heute so viel Hunger wie vor Corona"Bild: picture-alliance/dpa/imageBROKER

Auch der Serengeti-Park in Hodenhagen steht vor einer Herausforderung. "Am 28. März hätten wir öffnen wollen. Jetzt fehlen uns drei Wochen Einnahmen", sagt Asta Knoth. Doch ein "Elefant hat heute so viel Hunger wie vor Corona", so Knoth.

Ganzjährig sind beim Serengeti-Park rund 150 Leute beschäftigt, in der Hochsaison sogar 500. Wann die Corona-Maßnahmen auch für zoologische Gärten gelockert werden und wie viele Saisonarbeiter man dann braucht, sei unklar. "Für uns persönlich ist das allergrößte Problem die Planungsunsicherheit", so Knoth. Am wichtigsten seien verlässliche Infos, wann und unter welchen Auflagen man öffnen könne. Aber die fehlen.

Unter Auflagen öffnen?

Corona ist ein echtes Problem. "Wirklich alle Zoos leiden darunter", sagt Volker Homes vom Verband der Zoologischen Gärten: "Die VdZ-Zoos konzentrieren sich darauf, das finanzielle Problem zu lösen, einerseits durch Rettungsschirme, andererseits durch die baldige Eröffnung der Zoos unter Auflagen."Das könnten eine bestimmte Höchstzahl von Besuchern beim Einlass, größere Abstände bei Schlangestehen oder der Verzicht auf ein gastronomisches Angebot sein. 

Jetzt hat die Politik aber erstmal entschieden, dass Zoos und Freizeitparks bis mindestens 3. Mai geschlossen bleiben. "Wir hatten gehofft, am kommenden Montag öffnen zu können", sagt Asta Knoth vom Serengeti-Park. Volker Homes vom VdZ hingegen zeigt sich überrascht. "In der Beschlussvorlage der Ministerpräsidenten, über die einige Medien vorab berichtet hatten, war die Öffnung von Zoos zum Beginn der kommenden Woche vorgesehen. Das muss dann später wieder rausgestrichen worden sein“, so Homes enttäuscht.

Die Zoos und Tierparks hoffen jetzt auf den 3. Mai. "Wenn die Infektionszahlen über die Ostertage im grünen Bereich sind, sind wir guter Hoffnung. Wenn nicht, müssen wir uns auf eine längere Schließung einstellen", so Asta Knoth. Das wäre dann für alle Zoos und Tierparks ein finanzieller Kraftakt.

Da kommt die öffentliche Erregung um die "Schlachtliste" des Tierparks Neumünster vielleicht gerade zur rechten Zeit, um die Aufmerksamkeit ein Stück weit auch auf die finanzielle Lage von Zoos, Tier- und Safariparks zu lenken – und die möglichen Folgen für die dortigen Tiere.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen