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Gesellschaft

Corona: mehr Antisemitismus in Europa

17. Februar 2021

In der Corona-Krise finden Verschwörungstheorien in Europa immer mehr Anhänger. Davor warnt eine Studie aus Deutschland, Großbritannien und Schweden.

Investigativ Team, DW Special zum Thema: QAnon Deutschland
Die rechte QAnon-Bewegung stammt aus den USA und ist inzwischen auch in Deutschland starkBild: SULUPRESS.DE/picture alliance/dpa

Ausgangssperre, Homeoffice, geschlossene Schulen und Kindergärten - das Coronavirus verändert den Alltag. Mit der Entwicklung der Impfstoffe scheint eine Rückkehr zur Normalität langsam absehbar. Aber wie werden die langfristigen Folgen sein? Vor allem für die Politik? Beträchtlich.

Das untermauern die Ergebnisse einer europaweiten Studie. Die deutsche Amadeu-Antonio-Stiftung, der britische Hope Charitable Trust und die schwedische Expo Foundation haben Menschen in acht Ländern zu ihren politischen Einstellungen befragt. Ergebnis: Überall in Europa vermehren sich Vorurteile, verbreiten sich Verschwörungstheorien und schwindet das Vertrauen in das politische System.

Die Corona-Krise verstärkt das Misstrauen der Menschen in ihre Regierungen und politischen ElitenBild: Reuters/S. Lecocq

So meint eine Mehrheit der Franzosen, Italiener, Polen und Ungarn, dass das politische System in ihren Ländern komplett oder zumindest teilweise kaputt sei. In Deutschland und Schweden haben immerhin ein Drittel der Menschen diese Einstellung.

Wachsende Vorurteile 

Und auch Vorurteile gegen Einwanderer, Muslime und andere Bevölkerungsgruppen sind auf dem Vormarsch: In allen befragten Ländern hat rund ein Drittel der Befragten ein negatives oder sogar sehr negatives Bild von Migranten. In Ungarn sind es sogar 60 Prozent. 

Vor allem die politische Rechte versucht, daraus Kapital zu schlagen, so Joe Mulhall vom Hope Charitable Trust: "Auch wenn die europäische Rechte es nicht geschafft hat, die Pandemie so für sich zu nutzen, wie sie es sich erhofft hatte, hat sie es doch geschafft, ein neues Zeitalter der Verschwörungstheorien einzuläuten: Denn viele Menschen suchen in einfachen und monokausalen Erklärungen Trost für eine scheinbar aus den Fugen geratene Welt."

Der jüdische US-Milliardär George Soros diente in Ungarn wiederholt als Projektionsfläche für antisemitischen HassBild: Reuters/B. Szabo

Überall in Europa ist es in den vergangenen Monaten zu Protesten gegen den Lockdown und gegen die politischen Eliten gekommen. Und überall wurden die Proteste von Verschwörungstheorien begleitet. Aus den USA ist dabei die antisemitische QAnon-Bewegung über den Atlantik geschwappt - vor allem nach Deutschland und Großbritannien. Die abstrusen Thesen vom weltweiten Kinderhandel und der Meinungskontrolle durch Hollywoodstars, politische Eliten und Juden knüpfen erfolgreich an etablierte antisemitische Menschenfeindlichkeit an. Gefährlich daran sei vor allem, glauben die Autoren der Studie, dass diese Vorurteile auch nach dem Ende der Pandemie bestehen bleiben könnten.

Gefahr von Rechtsterrorismus groß

Die Studienmacher warnen aber nicht nur vor einer Verschiebung der Einstellungen in Europa, sondern vor allem vor den Konsequenzen daraus. Die Gefahr rechtsterroristischer Anschläge sei anhaltend groß - in ganz Europa.

Dabei verschiebe sie sich weg von den großen rechtsextremen Parteien und Organisationen hin zu transnationalen Bewegungen, die nur lose organisiert sind, so Joe Mulhall vom Hope Charitable Trust: "Heutzutage können rechte Aktivisten ganz bequem vom Sofa aus politisch mitmischen: Sie sehen sich YouTube-Videos an, besuchen rechte Webseiten, netzwerken in rechten Foren und versuchen auf Mainstream Plattformen wie Facebook und Twitter, 'Normalos' zu bekehren."

Die Radikalisierung geschieht heute oft über das NetzBild: picture-alliance/All Canada Photos/A. Maxim

Diese Kreise schmiedeten keine konkreten Anschlagspläne, so die Studienmacher, aber sie ermutigten in ihren Gruppen dazu und teilten ihr Wissen.

Ziviles Engagement gegen diesen Hass sei schwierig, da die Personen nicht mehr an einem konkreten Ort greifbar seien, sondern sich über Ländergrenzen hinweg immer wieder neu vernetzten.

Trotz aller Sorgen wollen die drei Stiftungen aber nicht nur düster in die Zukunft sehen. Denn es gebe auch Grund für Zuversicht. Die Solidarität in vielen Städten und Gemeinden sei ermutigend: Überall in Europa würden Familien, Nachbarschaften, aber auch fremde Menschen sich gegenseitig helfen und unterstützen. Sie seien herzergreifende Beispiele für Aufopferung, Liebe und Hoffnung.

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