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Politik

Mexiko, Markenklamotten und die Mafia

5. April 2020

Corona bringt das Geschäftsmodell der Kartelle durcheinander. Geschlossene Grenzen und eingeschränkter Flugverkehr lassen Drogenpreise explodieren. Plünderungen und Revierkämpfe nehmen zu. Aus Mexiko Sandra Weiss.

Mexiko Tepito Markt in Mexiko City
Die Kartelle verdienen mit: Textil-Händler auf dem "Tepito"-Markt in Mexiko-City Bild: Reuters/G. Graf

Es gibt nichts, was es auf dem Markt "Tepito" nicht gibt, sagen die Mexikaner. Markenklamotten, Flachbildschirme, Spielzeug, Brillen, Drohnen, Handys und vieles mehr hat der grösste Freiluft-Markt von Mexiko-Stadt zu bieten. Einiges aus informellen Werkstätten, das meiste Produktpiraterie aus China, anderes, wie Waffen und Drogen, ganz und gar illegal.

Kontrolliert wird das Labyrinth aus Gassen und Ständen vom Organisierten Verbrechen. "Unión Tepito" nennt sich die Bande, die aktuell dort das Sagen hat. Wer in "Tepito" verkauft, muss ihr Schutzgeld zahlen. Alleine das spült schon wöchentlich hunderttausende von Pesos in die Kassen der Kriminellen.

Unschlagbare Preise

Denn in "Tepito" gibt es zwar nichts auf Rechnung oder Garantie. Dafür sind die Preise unschlagbar, und deshalb schieben sich normalerweise Scharen von Käufern durch die engen Gassen zwischen den Marktständen.

Jetzt kommen nur noch wenige, und auch der Nachschub aus China ist seit zwei Monaten ins Stocken geraden. "Weil unsere Mittelsmänner die Flüge nach China einstellen mussten, haben wir nicht mehr viel Waren und müssen die Lücken mit heimischen und US-Herstellern auffüllen", sagt Handtaschenverkäufer Edson Navarro dem Sender Televisa.

Die Normalität trügt: Wer in "Tepito" verkauft, muss Schutzgeld zahlenBild: Reuters/G. Graf

Um 50 Prozent sind die Verkäufe eingebrochen. Weil die "Unión Tepito" aber weiter Schutzgeld verlangt, wird es für die Verkäufer eng. Die Kriminellen reagierten mit Entführungen und ersten Morden an Zahlungsunwilligen. Presseberichten zufolge hat eine Gruppe Händler die Stadtverwaltung nun um Schutz durch die Nationalgarde gebeten.

Drogennachschub aus China stockt

Das Coronavirus hat auch den Nachschub an Chemikalien aus China zur Herstellung synthethischer Drogen, inbesondere des Opiumersatzes Fentanyl, versiegen lassen. Die Provinz Hubei war eine der großen Drehscheiben des Fentanyl-Geschäfts. Einem Bericht des Portals "insight crime" zufolge trifft dieses Problem vor allem die beiden großen Kartelle, das von Sinaloa und das Kartell Jalisco Nueva Generacion (CJNG).

Der Zeitung "Riodoce" zufolge ordnete der Anführer des Sinaloa-Kartells, Mayo Zambada, deshalb eine drastische Preiserhöhung für synthetische Drogen an. Ein Pfund des Aufputschmittels Methamphetamin, bekannt als Crystal Meth, soll demnach nun 15.000 Pesos (rund 567 Euro) statt wie bislang 2.500 Pesos (95 Euro) kosten.

In einem illegalen Labour beschlagnahmen Forensiker 50 Tonnen Methamphetamine Bild: Reuters/SEMAR Mexico's Navy

Die Schmuggelwege in die USA sind jetzt ebenfalls teilweise unterbrochen. "Vor fünf Tagen haben wir zum letzten Mal was rübergebracht, und auch nur drei Kilogramm. Wir haben Übereinkünfte mit der Grenzpolizei und unsere Schmuggler wissen, welchen Posten sie benützen müssen. Aber jetzt werden viele Übergänge überraschend geschlossen. Das macht das Geschäft riskanter", sagte ein Schmuggler aus Mexicali dem Portal "blogdelnarco".

Weniger Flüge, mehr Kontrollen

Weil viele Flüge gestrichen wurden und der Flugverkehr über Lateinamerika sehr ausgedünnt ist, sind für die Radare der Sicherheitskräfte auch illegale Drogenflugzeuge sehr viel einfacher zu erkennen. So wurde zum Beispiel vor einigen Tagen in Honduras ein mit Drogen beladenes Kleinflugzeug geortet, als es eine Bruchlandung hinlegte. Der Flieger kam aus Kolumbien und war als Ambulanzflugzeug angemeldet.

Das Virus, so das Portal "insight crime", stelle die Widerstandsfähgkeit der Kartelle auf eine harte Probe. "Große Organisationen wie das CJNG, die in vielen illegalen Wirtschaftsbereichen und in vielen Regionen operieren, haben es leichter, den Schwierigkeiten und der Rezession zu trotzen", meint das Portal.

Was Mexikos Journalisten riskieren

12:36

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Die Gewalt ist zwar aus den Schlagzeilen verdrängt – abgenommen hat sie aber nicht. Erst am Dienstag starb eine Journalistin aus Veracruz an den Kugeln eines Killerkommandos. Seit Beginn der ersten Quarantänemassnahmen am 23. März wurden offiziellen Zahlen zufolge 646 Menschen ermordet. Im Vorjahr starben im Schnitt 95 Menschen pro Tag eines gewaltsamen Todes.

Auch Plünderungen nahmen in den vergangenen Wochen deutlich zu. In den Bundesstaaten Guerrero und Michoacán sind Revierkämpfe der Kartelle neu aufgeflammt. Mit zunehmenden Konflikten der Kartelle untereinander durch die Marktverzerrungen und mit steigenden Kriminalitätsraten etwa bei Strassenraub und Einbrüchen rechnen daher Experten wie Javier Oliva, Politikprofessor der staatlichen Autonomen Universität (UNAM).

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