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Politik

Behindert Corona faire Arbeitsbedingungen?

28. März 2020

Mit einem Lieferkettengesetz sollten deutsche Unternehmen weltweit für Menschenrechte und Umweltschutz sorgen. Bedeutet die Corona-Krise das Aus für dieses Projekt?

Symbolbild | Osterhasen | Schokoladenhasen
Bild: imago images/K. Hessland

Ein Schokohase steht in einem deutschen Supermarkt-Regal und wartet auf Kunden. Ein Kind schleppt schwere Säcke auf einer Kakaoplantage in Westafrika. Ob beides zusammenhängt? Viele Schokoladenhersteller können das bislang nicht ausschließen. 

Denn Kinderarbeit, Umweltzerstörung oder Ausbeutung stehen oft am Beginn der Lieferketten. Also beim Pflücken von Kakao oder Teeblättern, beim Nähen von Kleidung oder in einem Bergwerk, dessen Arbeiter nicht für ihre Rechte kämpfen dürfen. Mit einem Lieferkettengesetz wollte Entwicklungsminister Gerd Müller deutsche Unternehmer in die Pflicht nehmen, solche Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltschutz bei ihren Zulieferern zu verhindern. Ihnen könnten etwa Bußgelder drohen, wenn sie ihre Lieferketten nicht genau kontrollieren. Unterstützung dafür erhielt Müller von Arbeitsminister Hubertus Heil.

Entwicklungsminister Müller: "Halte an Ziel fest"

Ein solches Gesetz war allerdings auch innerhalb der Bundesregierung stets umstritten. Sie setzte bislang darauf, dass Firmen sich freiwillig für Menschenrechte in ihren Lieferketten einsetzen. Eine gesetzliche Regelung könnte die deutschen Unternehmen zu sehr belasten, so die Befürchtung. Angesichts der Corona-Krise und ihrer wirtschaftlichen Folgen sind diese Stimmen lauter geworden, besonders im Wirtschaftsministerium. Entwicklungsminister Müller hält dagegen: "Diese globale Krise ist auch ein Moment, um darüber nachzudenken, wie wir zukünftig Globalisierung gestalten wollen", so Müller zur DW. Man dürfe nicht in die alte Globalisierung zurückfallen, die auf der kurzsichtigen Ausbeutung von Mensch und Natur basiere.

Osterhasen protestieren: für Menschenrechte und gegen Ausbeutung beim Kakao-AnbauBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Die Corona-Krise zeige deutlich, "wie wichtig eine gerechte Globalisierung mit Gesundheitsstandards, Arbeitsschutz und sozialen Sicherheitsnetzen ist”, sagt Müller.. “Deswegen halte ich an dem Ziel nachhaltiger globaler Lieferketten fest." Über einen möglichen Zeitplan für einen Gesetzesentwurf gibt es jedoch aus seinem Ministerium keine Auskunft. Falls es ihn vor der Corona-Krise gab, dürfte er sich nun weit nach hinten verschieben.

Genth: "Haftung kaum möglich"

Man müsse jetzt "einen Moment innehalten", sagt Stefan Genth Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland im Gespräch mit der DW. "Momentan geht es darum, das Überleben vieler mittelständischer Unternehmen zu sichern, aber auch von großen Kauf-, Textil- und Warenhäusern." Deshalb sei es "absolute Unzeit", über ein Lieferkettengesetz zu diskutieren.

Befürchtet Wettbewerbsnachteile: Stefan Genth vom Handelsverband DeutschlandBild: picture-alliance/ZB

Wie viele andere Vertreter von Unternehmerverbänden ist Genth auch generell Gegner eines weitreichenden Lieferkettengesetzes. Eine Haftung deutscher Unternehmen in Lieferländern, ob in Myanmar, Bangladesch oder anderswo sei rechtlich und juristisch kaum möglich, sagt Genth. Und: "Eine Regulierung nur auf deutscher Ebene würde deutsche Unternehmen sehr stark benachteiligen im Wettbewerb mit anderen."

Paasch: "Gesetz nicht vom Tisch"

Gerade in Krisenzeiten dürfe man nicht den Fehler machen, Menschenrechte beiseite zu schieben und nur auf Wachstum zu setzen, sagt Armin Paasch vom Hilfswerk Misereor. Gemeinsam mit anderen kirchlichen Organisationen, Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltgruppen ist Misereor an der "Initiative Lieferkettengesetz" beteiligt. "Eine wirtschaftliche Entwicklung, die den Menschen in Deutschland dient, aber auch weltweit, muss immer kohärent sein mit Menschenrechten, mit Arbeitsrecht", so Paasch zur DW. "Ansonsten dient sie nur den Profiten einzelner Unternehmen."

Wirbt für ein Lieferkettengesetz: Armin Paasch von MisereorBild: Misereor

Es sei nachvollziehbar, dass sich ein Gesetzesentwurf angesichts der Corona-Krise verschiebe. "Allerdings heißt das mitnichten, dass jetzt das Lieferkettengesetz vom Tisch wäre oder nicht nötig oder oder unangemessen", so Paasch. "Ich halte es für geschmacklos, dass jetzt einige Wirtschaftsverbände versuchen, die Corona-Krise zu instrumentalisieren, um ein Lieferkettengesetz zu verhindern, das dem Schutz der Menschenrechte dienen würde."

Lieferketten brechen zusammen

SPP und CDU/CSU hatten in ihrem Koalitionsvertrag verabredet, in diesem Jahr zu prüfen, ob ein Lieferkettengesetz notwendig ist. Nämlich dann, wenn die Mehrheit der Unternehmen nicht freiwillig für Umweltschutz und Menschenrechte bei ihren Zulieferern sorgt. Schon vor der Corona-Krise waren entsprechende Abfragen bei den Unternehmen aber ins Stocken geraten.

Entwicklungsminister Gerd Müller (3. v.l.) beim Besuch einer Schuhfabrik in Bangladesch im Februar 2020Bild: Imago Images/photothek/U. Grabowsky

Klar ist: der drohende wirtschaftliche Abschwung wird nun alle treffen. Deutsche Unternehmen, ihre Konkurrenz im Ausland und ihre Zulieferer. "Investitionen gehen massiv zurück", so Entwicklungsminister Müller zur DW. "Viele globale Lieferketten wie beispielsweise Textil drohen zusammenzubrechen. In Bangladesch wurden Aufträge für 1,4 Milliarden Euro storniert. 1,2 Millionen Näherinnen, die ohnehin nur einen Hungerlohn bekommen, stehen vor dem Nichts." Dass im Zeitalter globaler Lieferketten alles mit allem zusammenhängt - auch das zeigt uns die Corona-Pandemie.

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