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Politik

Corona-Party im Großraumbüro

6. Januar 2021

Verlängerter Lockdown, schärfere Kontakt-Beschränkungen, Ausgangssperren, geschlossene Schulen und Kitas: die Politik zieht die Zügel an. Nur die Wirtschaft bleibt verschont. Das ärgert viele.

Symbolbild | Homeoffice
Viele Unternehmen arbeiten komplett von zu HauseBild: imago images/photothek/T. Imo

"Wir haben 1000 Corona-Tote am Tag. Unverantwortlich, dass die Ministerpräsidentenkonferenz kein Recht auf Homeoffice beschlossen hat", schimpft die stellvertretende Grünen-Vorsitzende Jamila Schäfer auf dem Nachrichtenportal Twitter. Die deutlich verschärften Kontaktbeschränkungen in der Freizeit würden durch vermeidbare Begegnungen am Arbeitsplatz "extrem" reduziert. Der Tweet endet mit der Forderung nach mehr Schutz für Arbeitnehmende und einem Hashtag: #MachtBuerosZu.

Ein Hashtag, der in den sozialen Medien Fahrt aufnimmt, seit die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin am Dienstagabend beschlossen haben, den Lockdown bis Ende Januar zu verlängern, weitere Einschränkungen für die Wirtschaft aber ablehnen. "Partys nur noch im Großraumbüro", kommentiert ein Twitter-User sarkastisch. "Wieder keine Homeoffice-Verpflichtung für Unternehmen und die nächste Scheibe Salamitaktik."

Nur Appelle, keine Vorschriften

Es bleibt bei der Bitte an die Unternehmen, nach Möglichkeit auf mobiles Arbeiten zu setzen. Eine Verpflichtung in dem Sinn, dass Arbeitgeber begründen müssten, warum sie Homeoffice nicht zulassen, soll es nicht geben. "Zu der Umkehrung haben wir uns noch nicht entschieden, weil wir auch viele gute Beispiele dafür sehen, dass Unternehmen, Betriebe und Behörden - ich weiß das ja von uns selbst - Homeoffice breitflächig anbieten", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Ministerpräsidentenkonferenz.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete die zusätzlichen EinschränkungenBild: Michael Kappeler/REUTERS

50 Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschland sind Bürojobs. In der Corona-Pandemie hat sich die Anzahl derjenigen, die von zu Hause arbeiten, deutlich erhöht. In vielen Unternehmen ist Homeoffice zur Selbstverständlichkeit geworden. Aber es gibt offenbar auch genug Gegenbeispiele.

Listen mit Namen

Die Berliner Grünen-Politikerin Laura Sophie Dornheim, die im Herbst für den Bundestag kandidieren will, hat eine Positiv- und eine Negativliste zum Homeoffice angelegt auf denen sie Namen von Unternehmen sammelt und jeweils danach einsortiert, ob und in welchem Umfang sie das Arbeiten von zuhause möglich machen oder verpflichtend einrichten. Oder eben auch nicht.

Die Positiv-Liste mit bereits 300 Unternehmen hat Dornheim öffentlich gemacht, die mit den Gegenbeispielen nicht. "Die Negativliste mit viel zu vielen krassen Horrorgeschichten wächst leider auch", schreibt sie dazu. Wegen der zu erwartenden rechtlichen Konsequenzen will sie die Liste aber nicht selbst veröffentlichen.

Abschreckende Beispiele gibt es genug

Kommentare von Büroarbeitern, die gerne ins Homeoffice wechseln würden, aber das nicht dürfen, gibt es im Netz jede Menge. "Ich möchte nach 19 Jahren kündigen", schreibt eine Twitter-Userin, die weiter im Büro arbeiten muss und Angst um ihre Gesundheit hat. "Es entscheiden Chefs aus ihrem Einzelbüro heraus über das Schicksal der Mitarbeiter im Großraumbüro."

Laut Arbeitsschutzgesetz muss die Anzahl der Mitarbeiter in Großraumbüros in der Corona-Pandemie so weit wie möglich reduziert werden. Maßgeblich ist die Größe des Raums und der Abstand zwischen den Schreibtischen. Viel mehr Auflagen gibt es aber nicht, am Schreibtisch kann auch die Maske abgelegt werden. In den ersten Monaten der Pandemie wurden zum Schutz Plexiglasabtrennungen aufgestellt, doch inzwischen ist klar, dass solche "Spuckwände" nichts an der Aerosolbelastung im Raum ändern. Die kann nur durch regelmäßiges Lüften oder Luftreiniger verringert werden.

Gemeinsames Frühstück

Seine Kollegen und er seien in Schichten aufgeteilt worden, an drei Wochentagen aber immer noch zu zwölft im Büro, schreibt ein Twitter-User. "Zu allem Überfluss findet nächste Woche ein gemeinsames Frühstück je Schicht statt, bei dem alle gemeinsam in einem Raum sitzen! ES REICHT!!" Ein anderer User schreibt: "90 Prozent aller mir bekannten Corona-Fälle im Freundeskreis kamen durch diesen einen "Wir wollen uns noch einmal alle zusammen im Büro treffen"-Meetings zustande. Es ist ungeheuerlich, welcher soziale Druck und emotionale Erpressung dafür stattfand. Am Ende alle krank."

Doch es gibt in der Diskussion um mehr Homeoffice auch Gegenstimmen und Unverständnis vor allem bei denen, die gar nicht zuhause bleiben können. "Ich hoffe, die, die das fordern, haben dann auch Verständnis, wenn Pflegekräfte, Müllabfuhr, Supermarktangestellte, Ärzte, Handwerker, Produktionsmitarbeiter, Paketzusteller, Bäcker, Apotheker, ihre Schnitzelschlachter etc. sich auch zuhause verkriechen", schreibt ein User.

Die Fließbänder laufen

Tatsächlich hätten auch bei einer generellen Verpflichtung zum Homeoffice Millionen Arbeitnehmer keine Chance, ihre Arbeit zu Hause zu verrichten. Das war im ersten Lockdown anders, weil im Frühjahr auch viele Unternehmen geschlossen waren. So weit will es die Politik aber nicht nochmal kommen lassen. Denn das hätte verheerende Folgen für die Konjunktur und würde den Staat noch mehr Geld kosten als das ohnehin der Fall ist.

Die Produktion kann nicht zu Hause stattfindenBild: Felix Kästle/dpa/picture alliance

Bundesfinanzminister Olaf Scholz betont, der Lockdown, wie er jetzt ablaufe, sei verkraftbar. Schließlich gebe es "keinen ganz kompletten Stillstand", in Fabriken und Büros werde gearbeitet. Daher und weil Deutschland in früheren Jahren gut gewirtschaftet habe, könne sich das Land die Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie finanziell leisten. "Wir können das lange durchhalten", sagte Scholz am Mittwochmorgen in der ARD.

Rückgang der Infektionszahlen ausgeschlossen

Es gibt allerdings Virologen, die bezweifeln, dass der Lockdown unter diesen Umständen Erfolg haben wird, die Infektionszahlen also deutlich sinken. Das Ziel, wieder unter die Marke von 20 bis 50 Ansteckungen pro 100.000 Einwohnern in sieben Tagen zu kommen, sei so in der kalten Jahreszeit, wo die Menschen für Infekte ohnehin anfällig seien, nicht zu schaffen, sagte der Epidemiologe Klaus Stöhr in der ARD.

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