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Pleitewelle: 25.000 Unternehmen vor dem Aus?

Mischa Ehrhardt
2. März 2021

In der Unternehmenslandschaft ist ein Stau entstanden. Ein Stau von Firmen, die durch staatliche Hilfen weiter existieren, aber eigentlich kurz vor der Pleite stehen. Wirtschaftsforscher zählen rund 25.000 Firmen.

Symbolbild wegen Insolvenz geschlossen
Bild: Fotolia/Markus Bormann

Finanzhilfen nach dem Gießkannenprinzip - das war und ist die Strategie, um die Härten der Corona-Krise abzufedern. Allerdings treibt das auch Blüten, die eher unerwünscht sind: Die Kehrseite der großflächig angelegten finanziellen Bewässerung sind aufgeschobene Insolvenzen - und die, so befürchten einige Ökonomen, könnten in einer Pleitewelle enden, sobald die Hilfen versiegen.

"Die finanzielle Unterstützung gesunder Unternehmen, die durch den Lockdown unverschuldet in Schwierigkeiten geraten sind, ist absolut nachvollziehbar", so die Experten des Mannheimer Leibniz-Institutes für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Die undifferenzierte Herangehensweise aber könne "neben den direkten Kosten in Milliardenhöhe auch negative Folgen für mittelfristige Wachstumschancen und die Produktivitätsentwicklung in Deutschland haben".

Antragspflicht für Insolvenzen ausgesetzt

Denn neben den Milliardenhilfen hat Berlin auch die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Gewöhnlich sind Unternehmen verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen. Auf Grund der Pandemie hat die Bundesregierung im März vergangenen Jahres diese Regelung außer Kraft gesetzt. Bis Ende September gültig, wurde die Sonderregelung zunächst bis Ende 2020 verlängert. In abgewandelter Form allerdings gilt sie noch bis Ende April: Für Firmen, die zwischen dem 1. November und dem 31. Dezember Antrag auf Corona-Hilfen gestellt haben und mit diesen Hilfen eine Insolvenz abwenden könnten.

Corona-Gastronomie: geschlossene Türen, kaum UmsatzBild: Marius Becker/dpa/picture alliance

Nach der ZEW-Studie ist vor diesem Hintergrund aber ein Stau von Unternehmensinsolvenzen entstanden, der sich in nächster Zeit auflösen könnte. In von der Krise besonders betroffenen Branchen hätten weniger als die Hälfte der Firmen den Gang zum Insolvenzgericht angetreten, als auf Basis der Vorjahre zu erwarten gewesen wäre. "Besonders ausgeprägt ist dieser Unterschied für Mikro-Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern, während er mit steigender Unternehmensgröße immer mehr abnimmt", erklärt Georg Licht, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik.

Den Untersuchungen von Licht und seinem Team zu Folge entfällt also auf diese Kleinunternehmen der Großteil der insolvenzbedrohten Firmen. Insgesamt gehen die ZEW-Experten von rund 25.000 Betrieben aus, die mit dem Ende der Hilfen vor dem Aus stehen. Betroffen sind natürlich in erster Linie Unternehmen, bei denen bereits vor der Krise die Aussichten mau und die Finanzpolster dünn waren. Bei Betrieben mit guter Bonität vor der Krise dagegen ließe sich kein Insolvenz-Stau beobachten. "Daher sollte die Politik im weiteren Verlauf der Corona-Krise ihre Finanzhilfen für Unternehmen nach sorgfältiger Prüfung verteilen", rät Georg Licht.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier, hier bei einer Videokonferenz mit Wirtschaftsverbänden Mitte FebruarBild: Andreas Mertens/BMWi/dpa/picture alliance

Wirtschaftsminister im Kreuzfeuer der Kritik

Ein anderes Problem allerdings ist, dass bei vielen Unternehmen die Finanzhilfen noch gar nicht angekommen sind. Im Zentrum dieser Kritik steht dabei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). "Stetig steigt die Anzahl der Unternehmer, die äußerst unzufrieden mit der Arbeit von Minister Altmaier sind", sagte etwa Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des Mittelstandsverbandes BVMW. Die Mittelständler kritisieren, dass die vom Bundeswirtschaftsministerium zugesicherten Hilfen zu bürokratisch und kompliziert zu beantragen seien. So sei der Bundeswirtschaftsminister vom vermeintlichen Retter zum "Bestatter ganzer Branchen geworden", klagt Jerger. Auch andere Wirtschaftsverbände schlagen Alarm, weil große Teile der November- und Dezember-Hilfen noch immer nicht bei den Unternehmen angekommen seien.

Leere Straßen - leere Kassen im LockdownBild: Rupert Oberhäuser/picture alliance

Dass die Wirtschaftspolitik in der Krise insgesamt stark verbesserungsfähig ist, hat auch eine Befragung des Ifo-Institutes ergeben. Im aktuellen Ökonomen-Panel äußern sich fast die Hälfte der befragten Volkswirte als "eher unzufrieden" (27 Prozent) oder "sehr unzufrieden" (20 Prozent) mit der Corona-Wirtschaftspolitik. Für das Panel befragen Ifo-Institut und Frankfurter Allgemeine Zeitung alle zwei Monate Wirtschaftsprofessoren und -professorinnen an deutschen Universitäten. Die Politik sei zu langsam und reagiere unflexibel, fasste Niklas Potrafke die Ergebnisse der Befragung am Dienstag zusammen. Potrafke ist Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie. "Die Ergebnisse des neuen Ökonomen-Panels legen nahe, dass bei der Corona-Wirtschaftspolitik noch deutlich Luft nach oben ist."

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