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Gesellschaft

Corona-Quarantäne - Alltag mit Vollbremsung

Peter Koppen
30. März 2020

Nach seiner Rückkehr aus Tirol muss DW-Redakteur Peter Koppen in häusliche Quarantäne. Er kam aus einem Risikogebiet. Und hatte direkten Kontakt zu Corona-Infizierten. Ein Erfahrungsbericht.

DW Redakteur Peter Koppen im Home-Office
Bild: DW/P. Koppen

Schon das Klingeln an der Haustür kann zu einer Herausforderung werden. Der DHL-Kurier überbringt ein Paket; ich bin in Quarantäne. "Vermeiden Sie direkten Kontakt und halten Sie mindestens zwei Meter Abstand", lautet die oberste Verhaltensregel. Aber als ich die Tür öffne, hat der Bote das Paket schon an der Türschwelle abgestellt und steht zwei Meter entfernt. "Eine Empfangsbestätigung ist nicht nötig, ich unterschreibe für Sie." Und dann ist er auch schon weg, sagt noch, er habe wahnsinnig viel zu tun, die Leute bestellten ja derzeit wie verrückt.

Paketdienste machen zurzeit Überstunden - und haben sich auf Corona eingestelltBild: picture-alliance/dpa/B. Marks

Zwei Wochen Ausgangssperre, Kontaktsperre, Isolation liegen hinter mir. Ich war in Tirol Skifahren mit Freunden, die sich schon seit vielen Jahren für eine Woche in Galtür zum Wintersport treffen. Dann wurden die ersten Corona-Fälle im nahen Ischgl bekannt. Das Skigebiet wurde geschlossen und die ganze Region zum Risikogebiet erklärt. Tausende ausländische Gäste flüchteten aus ihrem Ferienparadies, bevor die Grenzen geschlossen wurden. Auch ich stand mit im Stau, der sich schnell an der einzigen Straße aus dem Tal bildete. Es war eine Heimreise mit sehr gemischten Gefühlen: Zu Hause würde es kein Treffen mit Freunden geben, keinen Besuch von Kindern oder Eltern, keinen Kaffee mit Arbeitskollegen. Eine Vollbremsung des Alltags, keine kleinen Fluchten.

Lange und viele Gespräche

Natürlich machte ich Pläne, wollte in der Quarantänezeit endlich mal Dinge erledigen, die liegen geblieben sind: den Keller aufräumen, die Gartenmöbel streichen, das Fahrrad reparieren. Lange Telefonate führen mit Freunden und der Familie. Das gute Wetter im Garten genießen. In diese Stimmung platzte die Nachricht: Zwei aus der Skigruppe sind COVID-19 positiv. Bei fünf fiel das Testergebnis negativ aus. Ratlosigkeit über die Ergebnisse, zumal bei einem Paar die Tests unterschiedlich ausgefallen sind. Nur wer Symptome hat, soll zum Test gehen. Jetzt horcht jeder in sich hinein: Kratzt da etwa der Hals, ist das schon Husten, fühlt sich die Stirn gerade nicht etwas wärmer an? Schon Menschen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren gehören zur Risikogruppe, und solche mit Problemen am Herzen gelten als gefährdet. Ich mache mir Sorgen um einen Freund, der mit auf der Skitour war. Er bekam Fieber, fühlte sich matt und abgeschlagen. Das Gesundheitsamt erkundigte sich täglich bei ihm, da er positiv getestet worden war, bot ihm medizinische Hilfe an. Es blieb bei einer milden Ausprägung von COVID-19.

DW-Redakteur Koppen vor seiner Flucht aus Tirol in die QuarantäneBild: DW/P. Koppen

Post vom Gesundheitsamt

Da ich direkten Kontakt zu einem Corona-Infizierten hatte, erhielt auch ich Post vom Gesundheitsamt. Per Verfügung ordnete mir die Stadt "zur Verhütung der Übertragung von COVID-19 … ab sofort die häusliche Absonderung an". Nur in Ausnahmefällen, "beispielsweise wegen einer Bombenentschärfung oder für zwingend notwendige Arztbesuche" dürfe ich das Haus verlassen. "Jegliche Tätigkeit … in Kontakt mit anderen Personen" dürfe ich "für die Dauer der Absonderung, soweit es sich nicht um Heimarbeit handelt, nicht ausüben." Zielführend war die Anordnung nicht: Sie lag erst drei Tage vor Ablauf der Quarantänefrist im Briefkasten. Die Pandemie bringt die Gesundheitsämter offenbar an ihre Grenzen. Aber meine Frau und ich hatten uns seit meiner Rückkehr aus dem österreichischen Risikogebiet schon entsprechend eingerichtet.

Späte Post vom GesundheitsamtBild: DW/P. Koppen

Kleine Sorgen, große Sorgen

Je länger die Quarantäne dauert, umso größer ist der Wunsch auszubrechen: endlich mal wieder im Park joggen. Spazieren gehen. Oder im Baumarkt stöbern. Es ist eine Situation, die bisher keiner aus unserer Skigruppe kannte. Manchen fällt die Decke auf den Kopf. Verzicht und fehlende Bewegungsfreiheit machen unruhig. Doch es hat auch etwas Entschleunigendes; ein gutes Buch oder Gespräch werden wertvoller. Und die eigenen Sorgen wirken auf einmal ziemlich klein, wenn man über das Virus redet. Vor allem mit denen, die wirklich unter der Situation leiden.

Ältere Patienten, erzählt mir ein befreundeter Arzt, kämen oft ohne wirkliche Beschwerden in seine Praxis. Er ermahne sie, zuhause zu bleiben. Eine Infektion mit dem Corona-Virus würden viele wohl nicht überleben. Sie kommen trotzdem. Sie haben sonst niemanden, mit dem sie sprechen können. Lieber den Tod riskieren als einsam sein?

Oder meine Tochter: Sie ist freiberufliche Schauspielerin und Sprecherin. Jetzt hat sie keine Engagements mehr, weil alle Produktionen still stehen. Sie weiß nicht, wie lange sie sich noch ohne Einkommen über Wasser halten kann. Da wachsen existenzielle Zukunftsängste.

Und dann ruft ein Freund an. Eine Bekannte hat sich mit dem Virus infiziert. Sie ist in unserem Alter, hat keine Vorerkrankungen. Sie liegt im Koma.

Ende der Quarantäne

Für mich endet jetzt die Quarantäne. Aber der gewohnte Alltag ist noch weit weg: Inzwischen haben die Einschränkungen das ganze Land erreicht. Kontaktverbote, Restaurants mit verrammelten Türen, geschlossene Geschäfte - abgesehen von Lebensmittelläden, Apotheken, Baumärkten - werden uns noch Wochen erhalten bleiben. Auch meine Arbeitsroutinen bleiben betroffen: Ich muss weiterhin im Home-Office arbeiten. Nie hätte ich gedacht, dass ich den Weg zum Arbeitgeber in einer vollbesetzten Regionalbahn vermissen würde. Corona relativiert vieles, macht manchmal rasend - und manchmal auch ein bisschen demütig.

Peter Koppen Redakteur und Moderator bei Fokus Europa@KoppenPeter
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