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Politik

Deutschland sieht Antwerpen als Corona-Risiko

6. August 2020

Deutschland stuft die belgische Hafenstadt als "Risikogebiet" ein. Antwerpen versucht seit einer Woche, die Infektionszahlen zu senken. Es gibt Ausgangsbeschränkungen und ein neues Testzentrum wird eröffnet.

Drive-in-Test im "Corona-Dorf" in Antwerpen (Belgien)
Drive-in-Test im "Corona-Dorf": Freiwillige Tests für alle AntwerpenerBild: picture-alliance/dpa/E. Lalmand

Die Provinz Antwerpen, rund um die gleichnamige belgische Hafenstadt an der Schelde, gehört nach Meinung des Robert-Koch-Instituts seit Mittwochabend zu den "Risikogebieten". Damit hat Antwerpen nach Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amtes jetzt den gleichen Corona-Infektionsstatus wie die USA, Brasilien, Luxemburg oder Nordspanien. Einreisende aus den "Risikogebieten" müssen sich von Samstag an in Deutschland einem Test auf Corona unterziehen. Das gilt für Touristen, nicht aber für Berufspendler oder Reisende mit wichtigen Gründen. Das gab Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Berlin bekannt.

"Das hat mich doch sehr überrascht", meint die Antwerpenerin Hanne Lemmens zur Testpflicht für Menschen aus Antwerpen. "Sind wir so schlimm wie die USA? Vielleicht ist das auch etwas übertrieben, aber ich bin ja keine Ärztin." Allerdings hatte Lemmens auch nicht vor, in nächster Zeit nach Deutschland zu fahren. "Wir bleiben zurzeit in Antwerpen", sagt die Freiberuflerin, die in Antwerpen zu Hause arbeitet.

Testen im "Corona-Dorf"

Die Stadt Antwerpen hat in einem Gewerbegebiet in Bergerhout jetzt ein "Corona-Dorf" eröffnet. So nennt die Gesundheitsbehörde ein Test-Zentrum aus weißen Zelten, Containern und roten Absperrgittern. Hier können sich täglich 600 Menschen aus Antwerpen und vier weiteren Gemeinden testen lassen. Das Angebot richtet sich vor allem an Menschen, die aus dem Urlaub nach Belgien zurückkehren.

Eingang zum Testzentrum: Wie hoch ist die Infektionsrate tatsächlich?Bild: picture-alliance/dpa/E. Lalmand

Mit den zusätzlichen Test will Antwerpens Bürgermeister Bart de Wever herausfinden, wie hoch die Corona-Zahlen in der Bevölkerung tatsächlich sind. De Wever, Mitglied der flämisch-nationalistischen Partei (N-VA), hatte Brüssel und anderen Gemeinden in Belgien vorgeworfen, ihre Zahlen seien relativ niedrig, weil sie nicht genug Tests durchführten. Ein aktueller negativer Test aus dem "Corona-Dorf" in Antwerpen gilt als Ersatz für den anstehenden Zwangstest an der deutschen Grenze. Wie die Einhaltung der Testpflicht kontrolliert werden soll, ist ungewiss. Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Belgien an Straßen soll es zumindest laut Bundespolizei nicht wieder geben.

Mehr Infektionen, aber nicht mehr Tote in Belgien

Innerhalb Belgiens oder in die nahen Niederlande kann Hanne Lemmens reisen. Antwerpen ist nicht abgeriegelt oder in einem "Lockdown". Die Zentralregierung in Brüssel empfiehlt lediglich, auf Reisen nach Antwerpen zu verzichten, die nicht unbedingt nötig seien. Die Infektionszahlen steigen in Belgien seit einigen Wochen wieder an. Rund 500 Menschen infizieren sich jetzt Tag neu.

Innenstadt von Antwerpen: "Du setzt deine Maske auf, sobald du aus der Haustür gehst"Bild: picture-alliance/R. Utrecht

Und der Schwerpunkt liegt in Antwerpen, wo sich täglich 150 Menschen mit Corona anstecken, teilte die staatliche belgische Gesundheitsbehörde Sciensano mit. Damit liegt Antwerpen über dem Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche, die das Robert-Koch-Institut in Deutschland als kritische Schwelle ansieht.

Sciensano weist darauf hin, dass sich im Moment hauptsächlich Menschen unter 40 Jahren anstecken. Die Zahl der Infizierten, die im Krankenhaus behandelt werden müssten, steige nicht signifikant an. Die Zahl derjenigen, die an den Folgen einer COVID-19-Erkrankung sterben, steigt ebenfalls nicht an. Die "Übersterblichkeit", also die Zahl der Menschen, die zusätzlich zu den normalen Todesfällen sterben, liegt nach Angaben der Behörden auf normalem, niedrigen Niveau.

Schärfere Maßnahmen in Antwerpen

Um die vermutete zweite Corona-Welle in ihrer Anfangsphase zu brechen, gilt in ganz Belgien seit acht Tagen wieder eine verschärfte Kontaktbeschränkung. Privat darf man sich nur mit fünf Menschen außerhalb des eigenen Haushalts treffen, und zwar mit immer den gleichen Menschen in den nächsten Wochen. Diese "soziale Blase" betrug zuvor 15 Menschen. Treffen in Restaurants sind auf 10 Menschen begrenzt. Im Berufsleben gibt es keine Kontaktbeschränkungen. Es gilt aber die Aufforderung, so weit wie möglich zuhause zu arbeiten.

Bürgermeister de Wever: "Zu wenig Test in anderen Regionen"Bild: picture-alliance/dpa/K. Van Accom

In Antwerpen hat Bürgermeister de Wever zusätzliche Maßnahmen ergriffen. Von 23 Uhr bis sechs Uhr gilt eine Ausgangssperre. In allen öffentlichen Gebäuden und auf der Straße sind ständig Masken zu tragen. Das Teilen von Getränken oder Shisha-Pfeifen ist untersagt. Einige Corona-Ausbrüche in Antwerpen wurden auf Shisha-Bars und eine Hochzeit zurückgeführt. Per Twitter appelliert de Wever immer wieder an den Bürgersinn und Verantwortlichkeit. Bereits neun Bars und Restaurants mussten wegen Verstoßes gegen die neuen Regeln geschlossen werden, so de Wever.

"Die meisten halten sich an die Regeln"

Die Antwerpenerin Hanne Lemmens hat beobachtet, dass sich ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger im Großen und Ganzen an die neuen Bestimmungen halten. "Du setzt deine Maske auf, sobald du aus der Haustür gehst. Aber das hält uns nicht davon ab, Einkaufen zu gehen oder raus zu gehen."

Die Maßnahmen seien ja auch nur vorübergehend bis September in Kraft. "Wir probieren halt mal aus, ob es was nützt." Warum ausgerechnet in Antwerpen die Infektionszahlen so hoch sein sollen, in anderen belgischen Regionen aber nicht, kann sich die Mutter von zwei kleinen Kindern nicht erklären. "Das spielt auch belgische Politik eine Rolle. Die Regionen und Bürgermeister lassen die Muskeln spielen".

Antwerpen teste mehr als andere. Jede Region habe andere Regeln. "Dass es ausgerechnet in Antwerpen so schlimm sein soll, hat mich überrascht."

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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