Was tun in Zeiten, in denen man wegen der Coronavirus-Krise zu Hause bleiben muss? Unser Couchkino-Vorschlag: Filme über das Phänomen Zeit. Wir zeigen Ihnen hier die schönsten cineastischen Hymnen auf die Langsamkeit.
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Filmtipps in der Corona-Krise: Zwölf Filme zum Phänomen Zeit
Plötzlich haben wir sehr viel davon: Zeit. Aber kein Anlass zur Langeweile. Filmemacher erzählen uns vom richtigen Umgang mit der Zeit. Zwölf Beispiele aus der Kinogeschichte.
Bild: Imago/United Archives
Reise durch Zeit und Raum: "2001: A Space Odyssey"
Für viele Kinofans ist "2001" der ultimative Weltraumfilm. Stanley Kubricks philosophische Filmreise aus dem Jahr 1968 zieht den Zuschauer auch heute noch in seinen Bann. Die Odyssee beginnt in der Steinzeit, setzt sich im Weltall fort und endet in einem psychodelischen Farbrausch. "2001" ist Zeit- und Raumreise zugleich - gerade in heutigen Krisenzeiten bietet der Film viele Denkanstöße.
Bild: Imago/United Archives
Blick in den Spiegel: "Paris, Texas"
Ein Klassiker des langsamen Kinos ist auch Wim Wenders Film "Paris, Texas" aus dem Jahre 1984. Travis (Harry Dean Stanton) ist inmitten der texanischen Wüste auf der Suche nach der eigenen Vergangenheit. "Paris, Texas" ist ein Film über existenzielle Fragen - dargeboten in grandiosen Bildern. Wenders Film gewann die Goldene Palme in Cannes und öffnet gerade jetzt den Blick aufs Wesentliche.
Bild: picture alliance / kpa
Gedehnte Zeit: "Marseille"
"Diese Regisseurin ist etwas Besonderes" schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" über die Regisseurin Angela Schanelec 2004 anlässlich des Kinostarts ihres Films "Marseille". Sie "gestaltet die Räume wie ein Bühnenbild, sie lässt die Bilder so lange wirken wie eine Fotografie und schickt so das Auge in minimalistischen Arrangements auf die Reise." Schanelec ist die Meisterin der Reduktion.
Bild: peripherfilm/R.Vorschneider
Französische Langsamkeit: "Die schöne Querulantin"
Ein Künstler malt sein Modell - um nichts anderes geht es in Jacques Rivettes Film "Die schöne Querulantin". Wie kann man aus diesem Stoff einen Film mit 240 Minuten Spieldauer machen? Der Franzose gab 1991 die Antwort. "Die schöne Querulantin" (mit Emmanuelle Béart und Michel Piccoli) ist ein Film über die Mechanismen der Kunst - und über das Vergehen von Zeit.
Bild: picture alliance/kpa
Nie zu spät: "Kleine Fluchten"
Was macht man im Alter, wenn man viel Zeit hat, aber noch etwas erleben will? Der Schweizer Dokumentarist Yves Versin drehte 1979 seinen einzigen Spielfilm "Kleine Fluchten". Es ist die Geschichte des Knechts Pipe (Michel Robin, l.), der sein ganzes Leben auf dem Bauernhof verbracht hat und nun ausbricht. Er kauft sich ein Mofa - und macht einen Helikopterausflug zur Zugspitze.
Bild: picture-alliance/United Archives
Film-Philosophie aus Griechenland: "Die Ewigkeit und ein Tag"
Vielleicht war es kein Zufall, dass einer der größten Filmphilosophen des Kinos aus Griechenland kam. Die Werke des 1935 in Athen geborenen Theodoros Angelopoulos zeichneten sich durch lange Kamerafahrten, wenig Dialoge und minutenlanges Verharren auf Menschen und Dingen aus. Schon die Titel seiner Filme waren Programm - hier eine Szene aus "Die Ewigkeit und ein Tag" (1998) mit Bruno Ganz.
Bild: picture-alliance/United Archives
Meister der Ruhe: "Reise nach Tokio"
Für Film-Experten, insbesondere Regie-Kollegen, gilt er als Kino-Gott. Ozu Yasujirō wusste wie kein Zweiter Elemente wie Zeit und Stille zu inszenieren. In einem Film wie "Reise nach Tokio", in dem ein älteres Ehepaar seine Kinder besucht, blickte er mit großer Sensibilität und voller Menschenliebe auf das Leben seiner Protagonisten. Der japanische Filmemacher war ein Meister der Achtsamkeit.
Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Philosophie aus Russland: "Stalker"
Auch Andrej Tarkowski galt als Philosoph auf dem Regiestuhl. Der früh verstorbene russische Filmemacher hinterließ nur sieben Spielfilme - jeder auf seine Art ein Meisterwerk. Auch Tarkowski schätzte Ozu. Und wie der Japaner nahm sich auch der Russe viel Zeit für seine Leinwand-Erzählungen. Als Meisterwerk mit enormen Einfluss auf die Filmgeschichte gilt sein Endzeit-Drama "Stalker" von 1979.
Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Mit dem Rasenmäher durch die Staaten: "The Straight Story"
Dass ausgerechnet David Lynch, der Meister des abgründigen wie absurden Horrors, einen Film wie "The Straight Story" inszenieren würde, war 1999 eine große Überraschung. Lynchs Film zeigt einen alten Mann, der seinen Bruder besuchen will und dafür einen Rasenmäher als Gefährt nutzt. Darauf fährt er fast 400 Kilometer durch die Einöde der USA. "The Straight Story" ist eine Studie über Langsamkeit.
Bild: picture-alliance/dpa/Senator
Erlesene Schönheit: "In the Mood for Love"
In Schönheit sterben: 2000 begeisterte Wong Kar-Wai, in Shanghai geboren und in Hongkong aufgewachsen, Zuschauer und Kritiker. Wie andere Werke dieses Regisseurs auch, überwältigte "In the Mood for Love" den Betrachter mit Bildern, Einstellungen und Perspektiven, die den Begriff der Kinoästhetik neu definierten.
Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library/Ronald Grant Archive
Aus der Welt der Tiere: "Gunda"
Zum Schluss noch ein optimistischer Blick in die Zukunft - wenn die Kinos wieder öffnen. Eine tolle Herausforderung für Zuschauer, die Spaß an der Philosophie haben, ist "Gunda". Der Film des Russen Viktor Kosakovskiy feierte bei der Berlinale 2020 Weltpremiere und soll im August ins Kino kommen. Wer hätte gedacht, dass ein 90-Minuten-Film über eine Sau und ihre neun Ferkel großes Kino sein kann?
Bild: Egil Haskjold Larsen/Sant & Usant
Stille des amerikanischen Westens: "First Cow"
In den USA und Kanada startete Kelly Reichardts Film "First Cow" kurz vor der Corona-Krise - Europa muss nun noch ein wenig warten. "First Cow" war ebenfalls auf der Berlinale zu sehen und ist Kino der Entschleunigung par excellence. Die Geschichte zweier Outsider im Oregon des ausgehenden 19. Jahrhunderts strahlt große Ruhe und Gelassenheit aus - und lenkt den Blick aufs Wesentliche.
Bild: Allyson Riggs/A24
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Plötzlich ist Zeit übrig. Tagsüber arbeiten natürlich viele Menschen derzeit im Home-Office. Doch die täglichen Freizeitaktivitäten kommen zum Stillstand. Und die Kultur bleibt nur eine Alternative, wenn man sie zu Hause konsumieren kann. Theater, Kinos, Museen oder Konzertsäle sind geschlossen.
Kinogeschichte ist auf DVD zu haben
Doch Filme schauen ist weiterhin möglich. Und das Streaming-Zeitalter steckt ja auch nicht mehr in den Kinderschuhen. Dabei sind "Netflix" und "Amazon Prime" längst nicht alles. Anbieter wie "MUBI" ermöglichen eine Auswahl an künstlerisch hochwertigen Filmen. Und außerdem gibt es auch noch die ein wenig in Vergessenheit geratenen DVD oder Blu-ray Discs, die man sich dieser Tage noch per Online-Versand bestellen kann. Denn nur auf diesen Trägermedien sind viele Filme der Kinogeschichte zu sehen, die bei den großen US-Streaminganbietern gar nicht im Angebot sind.
Deshalb liefern wir für alle Cineasten ein paar Empfehlungen für die kommenden, langen Abendstunden: Filme, die sich mit dem auseinandersetzen, was gerade im Überfluss vorhanden scheint - Zeit. Es handelt sich um Filme über Menschen, die über das Leben nachdenken, Filme, die das Wesentliche berühren, den Kern der Dinge, die Fragen stellen nach dem Sinn der menschlichen Existenz.
Über die Film-Kunst der Langsamkeit
Man muss sich auf diese Filme einlassen, es sind keine Filme der schnellen Schnitte, der rasanten Montagen und der schnellen Unterhaltung. Doch sie vermitteln dem Zuschauer ein Gefühl für Zeit. Was stellt man damit an? Vor allem, wenn sie plötzlich im Überfluss vorhanden ist, fernab des oft hektischen Alltags?
Natürlich hoffen wir alle dennoch auf ein Ende der Isolation, auf einen Neuanfang nach der Corona-Krise. Deshalb enthalten unsere Empfehlungen neben zehn philosophischen Filmen über Zeit und Zeitwahrnehmung auch noch zwei aktuelle Filme. Sie sind zwar auch von einem langsamen Rhythmus geprägt und lassen sich ebenso konzentriert und intensiv auf ihre Protagonisten ein und erzählen ihre Geschichten sorgsam. Wir hoffen aber dennoch, dass sie bald wieder dort zu sehen sind, wo sie hingehören: auf der großen Kino-Leinwand.