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GesellschaftDeutschland

Corona-Stimmung: Düster bis hoffnungsvoll

16. März 2021

Einen ganzen Winter haben Menschen in Deutschland im Corona-Lockdown verbracht. Wie geht es ihnen damit? Ein Stimmungsbild aus Bonn.

Bonn Sturmwetter
Wind und Wolken über dem Rhein in BonnBild: Lisa Hänel/DW

Es liegt ein Sturm in der Luft. In den warmen Frühlingswind mischen sich Regentropfen. Über den Himmel zieht sich ein feiner Regenbogen. Es ist wie ein Sinnbild für die Stimmung in Deutschland, ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie: Sonne und Regen, schlechte und gute Tage, liegen sehr nah beieinander.

So geht es auch dem 38-jährigen Jan, seinen Nachnamen möchte er nicht nennen. Er sitzt in einem Holzboot auf einem Spielplatz in Bonn und schaut seiner fast zweijährigen Tochter dabei zu, wie sie im Sand buddelt. "Unsere Akkus sind bald leer", sagt er. Er und seine Frau arbeiten im Schichtdienst und wechseln sich ab mit der Betreuung der Tochter. Ein paar Stunden die Woche geht sie auch zur Tagesmutter. "Ich hätte mir bei allem, was Kinder betrifft, eine bessere Planung gewünscht."

Familienvater Jan hat nur noch bedingt Verständnis für die Corona-MaßnahmenBild: Lisa Hänel/DW

Monatelang waren Kindertagesstätten und Schulen in Deutschland größtenteils geschlossen. Seit ein paar Wochen dürfen sie wieder für einige Jahrgangsstufen öffnen. Er könne, fügt Jan hinzu, die Maßnahmen der Bundesregierung nicht mehr ganz nachvollziehen: "Es ist eine komische Gemengelage. Das Impfen geht nicht voran, gleichzeitig öffnen wir trotz steigender Inzidenzen."

Diese Einstellung teilen offenbar einige in Deutschland. Lange Zeit haben die Menschen - das belegen mehrere Umfragen - die Entscheidungen der Bundesregierung mitgetragen. Doch die Zustimmung lässt nach. In einer am Freitag veröffentliche Umfrage des Instituts YouGov bescheinigten nur noch 35 Prozent der Befragten der Bundesregierung einen guten Umgang mit der Krise. Im vergangenen September waren es noch 63 Prozent gewesen, im Februar immerhin noch 43 Prozent.

Corona-Schnelltests in der Schule

02:20

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Zaghafte Öffnungsschritte

Dabei wagt Deutschland erste Schritte aus dem Lockdown. Seit einer Woche dürfen die Geschäfte in einigen Bundesländern wieder öffnen. Teilweise, wie in Bonn, nur mit vorheriger Terminvereinbarung. Das ist zwar umständlich, doch die Innenstadt ist deutlich belebter als noch im Januar. Jugendliche stehen mit vollen Einkaufstüten bepackt vor Geschäften.

Alessandra Cuschié kann sich über die zaghaften Öffnungsschritte und die vollere Innenstadt freuen. Sie besitzt einen sogenannten Concept-Store mit Kleidung, Wohnaccessoires und Schmuck in der Fußgängerzone. Eine Frau steht in der Tür ihres Geschäfts: "Ich hatte einen Termin gemacht!"

In der Zeit, als sie ihren Laden geschlossen halten musste, habe sie über die sozialen Medien Kontakt zu ihren Kunden gehalten, sagt Cuschié. "Wir sind auf Instragram und Facebook live gegangen, um unsere neue Mode zu präsentieren". Die Umsatzeinbußen habe sie damit aber nicht ausgleichen können. Noch weiß sie nicht, wie hoch die genau ausfallen werden. Mit mehr als 50 Prozent rechne sie aber mindestens.

Ladeninhaberin Cuschié kann endlich wieder Kunden vor Ort empfangenBild: Lisa Hänel/DW

Einsamkeit und Quarantäne-Gedanken

Bonn mit seinen 300.000 Einwohnern, am Rhein im Westen Deutschlands gelegen, ist eine friedliche Stadt. Eine, wie es sie dutzendfach in Deutschland gibt. Mit den Menschen hier zu sprechen, vermittelt keinen Eindruck von der Situation insgesamt in Deutschland - es ist ein Schlaglicht. Aber die Gedanken und Gefühle der Menschen in der Pandemie könnten so auch in anderen Städten geäußert werden.

So wie die von Ute, die ihren Nachnamen ebenfalls nicht nennen möchte. Sie ist in den frühen Abendstunden zum Rhein gekommen, um sich die untergehende Sonne anzuschauen. Der Regen hat nachgelassen. Rötliches Licht schimmert hinter dicken Wolken. In der Hand hält Ute einen wärmenden Kaffee.

Die 52-Jährige lebt allein. Trotzdem, so erzählt sie, sei sie mit den Einschränkungen der vergangen zwölf Monate gut zurechtgekommen. "In der letzten Phase, vor ein paar Wochen, wurde es aber schwierig. Da ist bei mir die Stimmung sehr nach unten gegangen und ich hatte auch Probleme." Sechs Wochen lang habe sie sich in Körper und Geist wie gelähmt gefühlt. "Es ist einfach zu lang alles. Da sah man kein Licht mehr am Ende des Tunnels bei den schlechten Nachrichten den ganzen Tag." Irgendwann aber war diese Stimmung wieder verflogen, seitdem gehe es ihr wieder besser.

Teenager: Psychische Belastung durch Corona

02:43

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Auf der gegenüberliegenden Rheinseite haben sich Saifudden und Samir ebenfalls getroffen, um die letzten Abendstunden draußen zu genießen. Die beiden Mittzwanziger sind beste Freunde und sehen sich einmal in der Woche. Sie sitzen einander zugewandt auf einer Mauer, zwischen sich etwa eineinhalb Meter Abstand, vor sich jeweils ein Feierabendgetränk in grünen Flaschen.

Samir ist Bäcker, Saifudden lebt in einer Flüchtlingsunterkunft. Jeden Montag werden sie dort auf das Coronavirus getestet. "Das ist gut für uns", sagt er. 20 Personen teilen sich eine Küche. Im Dezember zeigte sein Test positiv an. Zwei Wochen verbrachte er in Quarantäne in einem Hotelzimmer. Das sei eine schlimme Zeit gewesen. "Mein Kopf machte so", sagt Saifudden und dreht seinen Finger im Kreis.

Soziologie-Studentin Katrin Lindstädt arbeitet in einem veganen CaféBild: Lisa Hänel/DW

Ein paar Gehminuten weiter nördlich entflieht Katrin Lindstädt der Tristesse ihres ausschließlich online stattfindenden Studentenlebens in einem veganen Café. Ein paar Stunden die Woche jobbt sie hier. Durch das Fenster kaufen Kunden momentan Speisen und Getränke zum Mitnehmen. Lindstädt ist froh, weiterhin arbeiten zu können. "Vor allem, weil die Uni zurzeit aus Aufstehen und zwei Meter weiter an den Laptop gehen besteht", sagt sie.

Doch auch ihr Job habe sich verändert. Das Café ist bekannt im Viertel. Vor Corona waren in den warmen Monaten Tische auf dem Fußweg davor aufgebaut, die immer belegt waren. Die vielen Stammkunden kämen zwar immer noch. "Aber es ist einfach weniger Kontakt möglich. Das Quatschen mit den Kunden fehlt", sagt Lindstädt. "Es macht einfach alles weniger Spaß als vorher." 

Die Sonne ist jetzt verschwunden, vom Fluss weht der Wind kühl herüber. Ob hier bald wieder Menschen in Massen eng an eng am Ufer sitzen, so wie sonst, wenn der Frühling kommt? Vielleicht im Sommer? Die Sehnsucht danach ist groß, aber noch erscheint das sehr weit weg.

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