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Politik

Gastarbeiter in Moskau gestrandet

30. März 2020

Seit Russland seine Grenzen dicht gemacht hat, kommen tausende Arbeitsmigranten aus Zentralasien nicht mehr weg. Viele stecken an Flughäfen fest. Eine Momentaufnahme aus Moskau von Juri Rescheto.

Gestrandete Menschen aus Zentralasien Flughafen Moskau-Wnukowo
Gestrandete Menschen aus Zentralasien Flughafen Moskau-WnukowoBild: Getty Images/AFP/A. Nemenov

Reis auf dem Pappteller, Wasser im Plastikbecher, Isomatte auf dem Boden - so beginnt der Morgen von Ruchudyn Saidulaev. Der Usbeke sitzt im Schneidersitz auf "seinen" zwei Quadratmetern neben der Rolltreppe. Seit über einer Woche schon. Saidulaev kommt aus Taschkent. Und da will er jetzt auch wieder hin. Doch das geht nicht. 

Seit dem 18. März fliegen von Russland keine Maschinen mehr nach Usbekistan. Seit vergangenen Freitag sind Flugverbindungen ins Ausland fast komplett gestrichen. Und Chartermaschinen aus Taschkent landen selten.

Letzte Hoffnung Charterflug

Allein auf dem Internationalen Flughafen Wnukowo sind seit Tagen mehrere hundert Gastarbeiter gestrandet: Usbeken in einer Ecke, genauso viele Tadschiken in einer anderen. Dazwischen ein paar Ukrainer, die ebenfalls nicht mehr wegkommen. Ähnlich sieht es auf den beiden anderen Moskauer Flughäfen Schukowski und Domodedowo aus.

Bild: Getty Images/AFP/A. Nemenov

"Das hier ist meine Decke.“ Der gestrandete Saidulaev zeigt auf eine Jacke. Er wirkt müde aber optimistisch. Gott sei Dank sei es warm, meint der junge Mann, frieren müsse hier niemand. Die usbekische Botschaft und die Leitung des Flughafens haben für alle Usbeken einen Platz im hinteren Bereich von Wnukowo organisiert - mit heißem Wasser und weichen Polstermöbeln, heißt es auf der Internetseite der Botschaft in Moskau. 

Aber dort will niemand hin, denn das hieße, sich für noch längere Zeit einzurichten. Also bleiben fast alle am Abfertigungsschalter, in der Hoffnung, einen Platz in einer der Chartermaschinen zu ergattern.

Über zwei Millionen Gastarbeiter aus den zentralasiatischen Staaten leben in Moskau, die meisten aus Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan. Besser gesagt: sie lebten, denn viele wollen seit dem Ausbruch des Coronavirus die russische Metropole verlassen. Sie alle putzten, kellnerten, kassierten und transportierten die Einwohner der russischen Metropole von A nach B - pünktlich, höflich, bescheiden.

Warten auf die Rückkehr des Alltags

Aber einige der Arbeitsmigranten wollen auch bleiben. So wie Suchrob aus Buchara. Der junge Usbeke verkauft Tulpen am Rischskaja-Blumenmarkt. In Großpackungen ab fünfzig Stück - zu Dumpingpreisen. Kleinere Sträuße lohnen sich nicht.

Suchrob will die schnell verderblichen Schönheiten loswerden. Denn dort, wo man sich noch vor einer Woche seinen Weg als Kunde erkämpfen musste - zwischen all den Blumenständen und eiligen Kunden - verirrt sich kaum noch jemand hin.

Der Rischskaja-Blumenmarkt in MoskauBild: Imago Images/ITAR-TASS/S. Bobylev

Der Rischskaja-Blumenmarkt, diese bunteste Versuchung seit es Blumen in Moskau gibt, wird wohl auch bald ganz seine Tore schließen müssen. Geht Suchrob nach Hause? "Nein. Hier ist mein Zuhause! Ich bleibe in Moskau. Was soll ich in Buchara? Ich komme ja auch gar nicht mehr hin." 

Wie er dann seinen Lebensunterhalt verdienen wird, weiß Suchrob allerdings nicht. Er hoffe, das normale Leben kehrt irgendwann wieder zurück.

Russland fährt langsam runter

Doch davon ist Moskau wohl noch weit entfernt. Von Schutzmaßnahmen wie in anderen Staaten ist in Russland noch keine Rede. Die kommende Woche hat Präsident Wladimir Putin erst einmal zu einer "freien" Woche erklärt. Alle Betriebe sollen still stehen. Parks, Kinos, Restaurants und Theater werden dicht sein. Nur Supermärkte und Apotheken bleiben offen.

Bild: DW/J. Rescheto

Dann wird es noch leiser werden in Moskau als jetzt. Nur der eine oder andere Charterflug nach Taschkent oder Dushanbe hinterlässt heute seine Spur am Himmel über Wnukowo. Es sind wohl die letzten Maschinen gen Süden. In einer davon sitzt vielleicht Ruchudyn Saidulaev. Hoffentlich.  

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