1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Gesellschaft

Corona treibt Hunderttausende Mädchen in Zwangsehe

1. Oktober 2020

Die Zahl der Kinderehen steigt laut "Save the Children" wegen der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie drastisch an. 500.000 Mädchen zusätzlich könnten allein in diesem Jahr in eine Ehe gezwungen werden.

Eine 12-Jährige im Niger am Tag ihrer Zwangsheirat
Eine 12-Jährige im Niger am Tag ihrer Zwangsheirat (Archivbild)Bild: Jerome Delay/AP Photo/picture-alliance

Einem Bericht der Kinderrechtsorganisation "Save the Children" zufolge drängt Corona viele Familien weltweit in die Armut. "Die Eltern haben das Gefühl, keine Alternative zu haben, als ihre Mädchen dazu zu zwingen, Männer zu heiraten, die oftmals viel älter sind", sagte die Geschäftsführerin der internationalen Kinderhilfsorganisation, Inger Ashing. Fortschritte im jahrzehntelangen Kampf gegen die Zwangsverheiratung von Kindern drohten zunichte gemacht zu werden.

"Das Schockierende ist, dass es keine Langzeitfolgen sind, über die wir hier reden. Das passiert in diesem Augenblick", sagte die Expertin für Geschlechtergerechtigkeit bei "Save the Children" in London, Gabrielle Szabo. "Ursachen sind allein die Folgen der Corona-Pandemie." Die Mädchen gefährde, dass die Schulen geschlossen sind, die Eltern ihre Verdienstmöglichkeiten verlieren und Lockdowns zu mehr Gewalt und Vergewaltigungen führen. Eltern verheirateten ihre minderjährigen Töchter, weil sie kein Geld hätten, um für sie zu sorgen. "Viele Eltern tun dies in der Überzeugung, ihre Töchter vor Hunger und Entbehrung zu schützen, aber auch vor Gewalt, denn verheiratete Frauen bleiben eher zuhause", erläuterte Szabo. Dabei sei die Zwangsverheiratung auch eine Form von Gewalt.

Schätzungen gehen von 61 Millionen Kinderehen im Jahr 2025 aus

Allein im Jahr 2020 dürften eine halbe Million Mädchen mehr zwangsverheiratet werden, schätzt die Organisation in ihrem Bericht "Global Girlhood - Wie COVID-19 den Fortschritt in Gefahr bringt". Bis 2025 könnten zusätzlich zu den rund zwölf Millionen Minderjährigen, die bereits vor der Pandemie jährlich zwangsverheiratet wurden, weitere 2,5 Millionen Mädchen Opfer dieser Praktik werden. Das sei der größte Anstieg seit 25 Jahren. Die Gesamtzahl der Kinderehen dürfte bis 2025 auf 61 Millionen steigen.

Als Folge seien drastisch steigende Zahlen für Teenager-Schwangerschaften und Schulabbrüche zu erwarten. Eine Million Mädchen zusätzlich sei allein in diesem Jahr in Gefahr, schwanger zu werden. Dabei seien Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt die häufigste Todesursache bei 15- bis 19-Jährigen.

Besonders gefährdet, in eine Ehe gezwungen zu werden, sind laut dem Bericht Mädchen in Südasien, gefolgt von West- und Zentralafrika und Lateinamerika, aber auch in Konfliktregionen wie Afghanistan, Syrien und dem Jemen.

Die Pandemie habe bereits jetzt Geschlechterungleichheiten verschärft und bedrohe hart erkämpfte Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte, sagte Ashing: "Wir können und dürfen nicht zulassen, dass sich die Dinge weiter verschlimmern." Mädchen müssten von den Politikern geschützt werden und hätten ein Anrecht auf die gleichen Chancen wie Jungen. Die Zukunft von Mädchen müsse in allen Entscheidungen im Kampf gegen die Pandemie mitgedacht werden.

qu/cw (epd, kna, Save the Children)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen