1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Corona, Trump und die FDA

David Sloan ie
10. Dezember 2020

Nach der politischen Einmischung durch US-Präsident Trump kämpft die US-Arzneimittelbehörde FDA um ihren Ruf. Jetzt muss sie über die Zulassung des Corona-Impfstoffes entscheiden. Wie funktioniert der Prozess?

USA Sitz der FDA (US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel)
Die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel in den USA hat ihren Sitz in der Stadt Silver Spring im US-Staat Maryland Bild: Jacquelyn Martin/dpa/picture alliance

Die US Food and Drug Administration (FDA), die in den USA die Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln Lebensmitteln, Kosmetika und medizinischen Geräten kontrolliert, wurde in den vergangenen Monaten von Donald Trump unter Druck gesetzt. Der US-Präsident suchte nach einer schnellen Lösung im Kampf gegen das Coronavirus. Gleichzeitig unterminierte er die Gesundheits- und Wissenschaftsexperten seiner Administration.

Die von den Pharmakonzernen BioNTech-Pfizer, Moderna und AstraZeneca entwickelten Impfstoffe haben den Amerikanern Hoffnung gegeben, dass eine Lösung für die Pandemie in greifbarer Nähe sein könnte. Das Coronavirus hat in den Vereinigten Staaten bereits mehr als 280.000 Menschen getötet (Stand 9.12.2020) - das ist die höchste landesweit registrierte Todesrate der Welt.

Die FDA spielt eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, ob die Bevölkerung noch bis Ende des Jahres Zugang zu einem Impfstoff erhalten wird. Denn am 10. Dezember kommt der Impfstoff-Beratungsausschuss der Bundesbehörde zusammen, um den Antrag der Mainzer Firma BioNTech und ihres US-Partners Pfizer auf eine Notfallgenehmigung zu prüfen. Vorab stellte die FDA dem BioNTech-Pfizer-Impfstoff bereits ein gutes Zeugnis aus. Es bestehe eine hohe Schutzwirkung, hieß es seitens von Wissenschaftlern der Arzneimittelagentur.

Über 100 Jahre Geschichte

Die FDA wurde vor 114 Jahren gegründet, als der US-Kongress sein erstes großes Lebensmittel- und Arzneimittelgesetz verabschiedete, den Pure Food and Drugs Act von 1906. Heute ist die Aufsichtsbehörde dem Gesundheitsministerium unterstellt, eine ihrer Hauptaufgaben besteht darin, festzustellen, ob medizinische Produkte und Arzneimittel sicher sind. Auf ihrer Website beschreibt sich die FDA als "verantwortlich für den Schutz der öffentlichen Gesundheit, indem sie dazu beiträgt, Innovationen zu beschleunigen, die medizinische Produkte wirksamer, sicherer und erschwinglicher machen".

Die FDA wird von einem Kommissar geleitet, der vom Präsidenten nominiert und vom Senat bestätigt wird. Für die Dauer der Amtszeit gibt keine Beschränkung, aber ein neuer Präsident kann einen anderen Kommissar ernennen.

Der Radio-Onkologe Stephen Hahn ist seit Dezember 2019 Kommissar der FDABild: Alex Edelman/abaca/picture alliance

Traditionell geht der oberste FDA-Job an medizinische Expertinnen und Experten. Der derzeitige Kommissar Stephen Hahn, ein Radio-Onkologe, wurde im Dezember 2019 von US-Präsident Trump mit der Leitung der Behörde betraut.

Der Impfstoff-Beratungsausschuss

Die FDA braucht oft Jahre, um ein Medikament zu genehmigen, aber sie kann den Prozess bei Notfällen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wie bei der Coronavirus-Pandemie, beschleunigen. Zurzeit arbeitet sie daran sicherzustellen, dass die kürzlich entwickelten Coronavirus-Impfstoffe verantwortungsbewusst verteilt werden.

Der Impfstoff-Beratungsausschuss der Behörde, der nun zusammentritt, besteht aus 15 stimmberechtigten Mitgliedern. Dabei handelt es sich um vom FDA-Kommissar ernannte Wissenschaftler und Mediziner. Sie werden alle über den BioNTech-Pfizer-Impfstoff verfügbaren Daten prüfen und dann entscheiden, ob sie den Vertrieb des Impfstoffs freigeben.

Politische Einmischung

Die Arznei- und Lebensmittelbehörde hat in den vergangenen Jahren zunehmend öffentliche Kritik erfahren - beispielsweise, weil sie zu schnell und zu oft Opioide zugelassen hat. Der dadurch erleichterte Missbrauch von Schmerzmitteln hat bei vielen US-Amerikanern zu einer Abhängigkeit geführt.

Auch die vergangenen Monate unter der Trump-Regierung waren für die FDA schwierig. Im Sommer diskreditierte der Präsident sie über seinen persönlichen Twitter-Account. Unter anderem behauptete er ohne jeden Beweis, dass die Behörde das Zulassungsverfahren für Corona-Impfstoffe wohl absichtlich verlangsame.

"Präsident Trump hat den Impfstoff und COVID selbst politisch umstritten gemacht", erklärt Lawrence Gostin, Direktor des Instituts für Gesundheitsrecht an der Georgetown-Universität, gegenüber der DW. Seine Einmischung sowie die widersprüchlichen Botschaften sowohl seitens seiner Administration als auch der FDA-Führung haben das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Behörde erschüttert. Eine im September durchgeführte Umfrage ergab, dass weniger als eine von zehn Personen in den USA noch darauf vertraut, dass sich die FDA um ihre Belange kümmert.

Vertrauenskrise

Die FDA hat ihrer Glaubwürdigkeit auch dadurch geschadet, dass sie ihre Genehmigungen für COVID-19-Behandlungen zurückziehen musste, die von Trump angepriesen worden waren, deren Wirksamkeit aber fragwürdig blieb. So kam es beispielsweise im März dieses Jahres zunächst zu einer Notfallzulassung von dem von Trump gepriesenem Wirkstoff Hydroxychloroquin. Drei Monate später schwenkte die FDA um, nachdem nachgewiesen worden war, dass das Mittel nicht gegen das Coronavirus wirkt.

Im August musste sich FDA-Kommissar Hahn zudem öffentlich korrigieren. Zuvor hatte er mehrere irreführende Aussagen über Vorteile gemacht, die der Einsatz von Blutplasma COVID-Überlebender bei der Behandlung derzeit infizierter Patienten habe - auch dies eine Behandlung, die Trump gelobt hatte und die die FDA in einem beschleunigten Verfahren genehmigt hatte.

Donald Trump und Stephen Hahn bei einer Pressekonferenz zum Einsatz von Blutplasma im AugustBild: picture-alliance/CNP/S. Reynolds

Hahn versuchte zwar zuletzt, die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass seine Behörde auf ihre Wissenschaftler höre, doch Gostin von der Georgetown-Universität hält das nicht für ausreichend: "Die US-Amerikaner hegen mittlerweile ein beträchtliches Misstrauen gegen das Impfstoff-Zulassungsverfahren."

Dabei könnte der Grad des Vertrauens in dieser Phase der Pandemie entscheidend sein. Während die Pharmakonzerne sagen, dass die von ihnen entwickelten Impfstoffe wirksam sind, muss die FDA die Menschen noch davon überzeugen, sich auch tatsächlich impfen zu lassen, wenn es soweit ist.

Verteilung vorbereiten

Wenn der designierte Präsident Joe Biden am 20. Januar sein Amt antritt, wird auch die Mammut-Aufgabe der Corona-Impfstoff-Verteilung in seine Hände übergeben. "Es werden eine Menge neuer Entscheidungen zu treffen sein", sagt Natalie Dean, Juniorprofessorin für Biostatistik an der Universität von Florida. "Es werden etwa Fragen aufkommen, wie die anderen Impfstoffe getestet werden sollen."

Biden hat bereits signalisiert, sich auf die Pandemie konzentrieren und seinen Ansatz transparenter machen zu wollen; nur wenige Tage nach dem Wahlsieg ernannte er einen wissenschaftlichen Beirat zur Bekämpfung des Coronavirus. Zudem versprach der Demokrat, die Wissenschaftler ohne politische Einmischung arbeiten zu lassen. 

Mehrere weitere Pharmaunternehmen arbeiten derzeit an Corona-Impfstoffen und Behandlungsmethoden gegen COVID-19. Mit deren Überprüfung und Zulassung wird die FDA wohl noch Monate und vielleicht sogar Jahre lang beschäftigt sein.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen