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Politik

Einmal Schottland und zurück

Elliot Douglas ch
19. Januar 2021

Auslandsreisen in Corona-Zeiten sind nicht unbedingt empfehlenswert. Eine Reise nach und von Großbritannien um den Jahreswechsel wurde für den in Berlin lebenden Briten Elliot Douglas geradezu zu einer Odyssee.

Deutschland Berlin Coronavirus Schnelltest-Zentrum am Moritzplatz
Bild: Elliot Douglas/DW

Wenige Tage nach dem Brexit wartete ich frierend am Flughafen von Edinburgh auf meine Maschine nach Berlin, wo ich seit anderthalb Jahren lebe. Draußen tobte ein Schneesturm. Eine Maske im Gesicht, die Hände desinfiziert, unterm Arm einen dicken Packen Papiere, die meinen Aufenthalt in Deutschland dokumentierten, und einen negativen Corona-Test, glaubte ich mich gut gerüstet.

Eigentlich hatte ich über Weihnachten in Berlin bleiben und warten wollen, bis das Reisen wieder leichter und sicherer wäre, aber durch einen Todesfall in meiner Familie musste ich früher wieder nach Schottland.

Am Tag, als ich nach Edinburgh flog, wurden in Großbritannien 24.054 neue Corona-Fälle gemeldet, in Deutschland 23.542. Nach meiner Ankunft in Schottland musste ich zwei Wochen bei meiner Familie in Quarantäne.

COVID-Absurditäten

Aber für andere Familienmitglieder gab es keine Einschränkungen. Mein Vater zum Beispiel durfte während meiner zweiwöchigen Quarantäne nach Herzenslust einkaufen, Restaurants und Pubs besuchen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Ein Großteil von Schottland befand sich damals nicht im Lockdown.

Ein Flug von Edinburgh nach Berlin, in diesen COVID- und Brexit-Tagen ein AbenteuerBild: Euan Cherry/Photoshot/picture alliance

Ausnahmen von den Quarantänebestimmungen erlaubte die schottische Regionalregierung auch für Beerdigungen. Ich war froh darüber, aber natürlich führte das meine Quarantäne ad absurdum.

Tatsächlich wurde meine Quarantäne nur ein einziges Mal überprüft, und das war ausgerechnet bei der Beerdigung. Ich sah irgendwann auf meinem Handy, dass ich einen Anruf verpasst hatte, wenige Stunden später rief ich zurück. Eine freundliche Dame mit Glasgower Akzent stellte mir ein paar Fragen, dann ging es vor allem um meinen Seelenzustand. Sie gab mir noch die Nummer einer Hilfsorganisation, an die ich mich wenden könne, "falls Sie sich zu einsam fühlen".

Ich sitze in Schottland fest

Eigentlich wollte ich deutlich vor dem Jahreswechsel zurück nach Berlin. Das Ende der Brexit-Übergangsperiode am 31. Dezember bedeutete, dass danach britische Staatsbürger durch Corona-Reisebeschränkungen von der Wiedereinreise in die EU ausgeschlossen werden konnten.

Dann kam das Wochenende vor Weihnachten, und die Familie versammelte sich vor dem Fernseher, um die Rede an die Nation von Premierminister Boris Johnson und, etwas später, die der schottischen Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon zu hören.

Boris Johnson stimmte die Briten kurz vor Weihnachten auf harte Maßnahmen einBild: Toby Melville/Pool/AP/picture alliance

Die Welt schottet sich ab

Die mutierte Form des Virus war in Südengland bereits außer Kontrolle; Familienfeiern zu Weihnachten sollten weitgehend verboten, die Grenze zwischen Schottland und England zum ersten Mal seit 70 Jahren geschlossen werden. Ich muss sagen, dass mir die Lage während der ganzen Zeit der Pandemie nie so hoffnungslos vorkam wie an jenem Tag.

Ein Großteil der Welt schottete sich mit sofortiger Wirkung von Großbritannien ab, um das mutierte Virus fernzuhalten - nur Tage, bevor Großbritannien sich seinerseits von der EU abwandte.

In dem darauffolgenden Chaos füllten sich die Flughäfen mit Menschen, die zurück zu ihren Familien wollten; Fernfahrer saßen an englischen Fährhäfen fest und mussten Weihnachten in ihren Lastwagen verbringen; Lebensmittel verdarben. Und mein Flug nach Berlin fiel - natürlich - aus.

LKW stauen sich vor dem Fährhafen DoverBild: Kirsty Wigglesworth/AP Photo/picture alliance

Ich fand mich bereits mit der Aussicht ab, den Rest des Winters zusammen mit meiner Familie im ländlichen Schottland zu verbringen. Doch dann tat sich ein Schlupfloch auf! Deutsche Staatsbürger und Personen mit Aufenthalt in Deutschland sollten vom 1. Januar an dorthin reisen dürfen. Mein Flug wurde auf Anfang Januar verschoben. Ich rang eine Weile mit mir und beschloss schließlich, es zu riskieren.

Wieder in Berlin   

Doch so einfach sollte es nicht sein. Briten, die schon vor dem Brexit in Deutschland gelebt und gearbeitet haben, behalten dieses Recht. Aber als Nachweis brauchen wir ein neues Aufenthaltsdokument, eine Karte, die offenbar die große Mehrheit derer, die noch nicht so lange in Deutschland leben, noch nicht haben - wie ich zum Beispiel. Daher musste ich mit jedem möglichen Stück Papier meinen Aufenthalt in Deutschland nachweisen. Zum Glück ist das Leben in Deutschland mit ziemlich vielen Behördenpapieren verbunden.

Das zweite Problem war, dass ich vor Antritt der Reise aus dem Vereinigten Königreich einen privat bezahlten Corona-Test brauchte, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Die meisten privaten Testfirmen garantieren aber nicht, dass man binnen 48 Stunden ein Ergebnis hat. Nach Anrufen beim Testzentrum, bei meiner Fluglinie und dann noch bei der deutschen Botschaft in London kam ich zu dem Ergebnis, dass ich eine Garantie nicht bekommen würde. Ich musste es einfach versuchen.

Zum Glück erhielt ich mein Testergebnis (negativ) dann doch rechtzeitig, und ich machte mich auf den Weg zum Flughafen. Einige Leute wurden bereits am Abfertigungsschalter zurückgewiesen, noch mehr am Gate. Kaum je war ich in einem so leeren Flugzeug, und kaum je war die Stimmung an Bord so angespannt wie bei diesem Flug. Als wir in Berlin landeten, auch dort in einem Schneesturm, waren die Türen zugefroren. Es dauerte eine halbe Stunde, bis die schnarrende Lautsprecherstimme des Piloten sagte, wir könnten aussteigen.

Willkommen in Berlin? Erstmals musste sich unser Autor in die Schlange für Nicht-EU-Bürger einreihenBild: Elliot Douglas/DW

Beim Zoll stellte ich mich zum ersten Mal in die Schlange für Nicht-EU-Bürger, die nur im Schneckentempo vorrückte. Ein Beamter mit ernstem Gesicht prüfte meine Papiere und mein negatives Corona-Testergebnis- und zum ersten Mal bei einer Einreise in ein EU-Land wurde mein Pass gestempelt.

Kein Schwein ruft mich an  

Die Quarantänebestimmungen in Deutschland waren etwas anders als in Schottland. Statt 14 Tagen waren nur zehn Tage vorgeschrieben, und in Berlin und einigen anderen Bundesländern kann man die Zeit auf fünf Tage drücken, wenn man am fünften Tag ein negatives Testergebnis vorlegt.

Während ich mich dort melden musste, wo ich in Quarantäne ging, machte, anders als in Schottland, niemand den Versuch, mich zu kontaktieren. Wie mein Vater in Schottland, durfte auch in Berlin mein Mitbewohner das Haus verlassen und für mich einkaufen. Am fünften Tag versuchte ich, mich telefonisch beim örtlichen Gesundheitsamt zu melden, das angeblich die Einhaltung meiner Quarantäne überwachte, erreichte aber niemanden.

Ich versuchte es bei der Bürger-Hotline für ganz Berlin. "Ach so, Friedrichshain-Kreuzberg?", sagte die Frau am anderen Ende und seufzte. "Die sind ziemlich nutzlos, die prüfen das anscheinend nie."  

Zur Feier des Tages ein Einkauf im Supermarkt

Das war nicht gerade ermutigend. Schließlich verließ ich zum ersten Mal seit fünf Tagen das Haus, um mich von der Quarantäne zu befreien. Im Testzentrum entschied ich mich für den Antigen-Test, der weit schnellere Ergebnisse liefert, aber nach Ansicht mancher Experten weniger genau ist als der PCR-Test. In den Bundesländern werden teilweise unterschiedliche Tests verlangt, und die Vorschriften ändern sich ständig. 

Endlich wieder selbst einkaufen nach der Quarantäne!Bild: DW/N. Jolkver

Und dann kam, innerhalb von Minuten, mein negatives Testergebnis! Ich feierte das mit einem Einkauf im Supermarkt. Hätte ich das wenige Stunden zuvor getan, hätte ich gegen das Gesetz verstoßen. Aber ich glaube, die Chance, erwischt zu werden wäre sehr gering gewesen, und das haben sich bestimmt schon viele andere Leute überlegt.

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