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Warum in Deutschland plötzlich Impfstoff fehlt

Kay-Alexander Scholz
16. Dezember 2021

Im Kampf gegen Omikron will der deutsche Gesundheitsminister nun sehr schnell handeln. Hauptwaffe soll ein Booster-Turbo sein. Doch dafür reicht aktuell die Impfstoffmenge gar nicht aus. Die EU-Kommission hilft aus.

Deutschland | Coronavirus | PK Karl Lauterbach
Bild: Omer Messinger/Getty Images

Viele Experten sind sich einig: Die Omikron-Variante werde schon im Januar auch in Deutschland die vorherrschende Variante des COVID-19-Virus sein. Das sagte auch ein Sprecher der EU-Kommission. Es sei nur eine Frage der Zeit, heißt es dazu etwas ungenauer vom Robert-Koch-Institut (RKI). Der neue deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versucht nun gegenzusteuern. Seine Strategie: eine offensive und schnelle Booster-Kampagne.

Die gegenwärtige Datenlage zeige, dass eine Booster-Impfung einen Schutz vor einer symptomatischen Erkrankung von 70 bis 80 Prozent biete, sagte Lauterbach bei seinem ersten Auftritt als Minister in der Bundespressekonferenz in Berlin. Ohne Booster betrage der Schutz vor Omikron nur 25 bis 40 Prozent. Noch unklar sei, wie hoch der Schutz vor einer schweren Erkrankung, vor einer Behandlung im Krankenhaus und auf der Intensivstation sei.

Eigentlich könnte Lauterbach ein wenig darauf vertrauen, dass es mit dem Boostern gut vorwärts geht. Denn gegenwärtig lassen sich so viele Menschen impfen wie noch nie im Laufe der Pandemie, nämlich 1 bis 1,5 Millionen pro Tag. Damit sei das Booster-Tempo in Deutschland derzeit so hoch wie in keinem anderen EU-Land, sagt der Minister. Die Booster-Rate beträgt aktuell knapp 28 Prozent. Zweimal geimpft sind derzeit rund 70 Prozent. Es könnten also noch viele Booster-Impfungen folgen.

Knappheit bei den Impfstoffen

Hier aber beginnt das Problem. Lauterbach habe, wie er sagt, nach Amtsantritt eine "Inventur" gemacht und festgestellt: Die Impfstoffmenge reicht nicht.

Das sorgte in den deutschen Medien und in der Politik für hitzige Diskussionen. Hat sein Amtsvorgänger Jens Spahn zu wenig bestellt? Wolle Lauterbach nur "Feuer rufen, um dann selbst die Feuerwehr zu spielen", wie es von der Opposition hieß - ist sein Notruf also nur politische Taktik?

Jedenfalls erreichte das Thema auch die EU-Kommission. Lauterbach bat dort um Hilfe. Hier fragte man sich allerdings, woher die plötzliche Lücke beim Impfstoff komme. Die Beschaffung der nationalen Impfstoff-Kontingente läuft in der Regel zentral über die EU, die die Verträge mit den Herstellerfirmen macht.

Lauterbach versuchte nun in Berlin, die Fragen zu beantworten. Auch Brüssel hörte gespannt mit. Nein, sein Amtsvorgänger trage keine Schuld, sagte Lauterbach. "Ich möchte, dass mehr Impfstoff da ist, als abgerufen wird", erläuterte er, "so dass jederzeit Impfstoff da ist, wenn mehr gebraucht wird". Heißt: Weil die Deutschen viel häufiger boostern als erwartet, und der Gesundheitsminster darin die Hauptwaffe gegen eine explosionsartige Verbreitung der Omikron-Variante sieht, werden nun die Impfstoffe knapp.

35 Millionen Dosen mehr von Moderna

Was der Mangel konkret bedeutet, zeigt sich aktuell. Für die kommende Weihnachtswoche seien acht Millionen Dosen bestellt - ausgeliefert werde könnten aber nur 4,6 Millionen Dosen, erklärte Lauterbach. Vom Vakzin von BioNTech/Pfizer seien nur noch drei Millionen Dosen im Lager. Das müsse bis Anfang Januar reichen.

Es wird in Deutschland gerade so viel geimpft wie noch nie in der PandemieBild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance

Allerdings hatte schon Spahn angekündigt, dass der in Deutschland beliebteste Impfstoff rationiert werden müsse. Deshalb sollte auf Moderna umgestiegen werden. Doch selbst diese Vorräte scheinen nun nicht auszureichen.

Die EU-Kommission hat nach Anfragen aus Deutschland Hilfe organisiert. So soll es noch im Dezember eine Lieferung von zehn Millionen Moderna-Dosen zusätzlich geben - gefolgt von 25 Millionen mehr im Laufe des ersten Quartals.

Außerdem hat Deutschland zugesagt, im zweiten Quartal 80 Millionen Dosen von BioNTech/Pfizer zu kaufen. Diese Zusage erlaubte der EU-Kommission, eine Tranche von 150 Millionen Dosen in Auftrag zu geben. Lauterbach hofft, wie er sagte, dass dieser Impfstoff dann zumindest teilweise schon an Omikron angepasst ist. Es wäre dann wahrscheinlich für viele die vierte Impfung.

Hilfe aus anderen EU-Staaten

Deutschland will nun von einer weiteren Möglichkeit Gebrauch machen, an Impfstoff zu kommen. Mit Polen, Rumänien, Bulgarien und Portugal laufen Verhandlungen, dort nicht gebrauchten Impfstoff zu überlassen. Solche bilateralen Abmachungen hätten sich schon öfter bewährt, heißt es von der EU-Kommission dazu. Sie sind also erlaubt.

Deutschlands Strategie, sich einen Puffer zu erarbeiten, könnte auch aus einem anderen Grund gut sein. Derzeit wird zum Boostern mit Moderna eine halbe Dosis verwendet. Das könnte zu wenig sein, sagte Lauterbach. Noch aber gebe es dazu keine abschließende Einschätzung.

Insgesamt erwartet der Minister einen Bedarf von 70 Millionen Impfdosen bis zum Ende des ersten Quartals 2022, also bis Ende März. Eingeplant sind 50 Millionen Dosen - 20 Millionen fehlen also, sagte Lauterbach. Der Minister machte klar, die Sache eilt.

"Weihnachten darf kein Kickstart für Omikron werden"

Was wird aus der geplanten Impfpflicht, wenn der Impfstoff knapp ist, wurde Lauterbach gefragt. Bereits auf den parlamentarischen Weg gebracht ist eine Impfpflicht für das Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Darüber hinaus wird im Bundestag aber auch schon eine allgemeine Impfpflicht vorbereitet. Es werde genug Impfstoff da sein, so Lauterbach, sollte es zu einer Impfpflicht kommen. "Wir können das Problem lösen!"

Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, erwartet bald ein Anstieg der Infektionen mit OmikronBild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

RKI-Chef Lothar Wieler mahnte zur äußersten Vorsicht. Omikron sei "extrem ansteckend". Deshalb müssten alle aufpassen, dass "Weihnachten nicht zu einem Kickstart für Omikron wird." Heißt: Kontakte einschränken und Weihnachten "nur in einem engen Kreis feiern".

Am Freitag wird sich der neu eingesetzte wissenschaftliche Experten-Rat im Bundeskanzleramt mit der Virus-Mutation befassen und eine Empfehlung an die Politik abgeben, was zum Schutz vor Omikron getan werden könnte.

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