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GesellschaftDeutschland

Corona: Zeit für Schönheitsoperationen

14. Januar 2021

Viele Branchen leiden massiv in der Pandemie. Die Schönheitschirurgie allerdings kann sich in Deutschland über einen regelrechten Boom freuen. Das hat auch mit der Maske zu tun.

Ein plastischer Chirurg bereitet das Gesicht einer Patientin für eine Schönheitsoperation vor
Schönheitsoperationen in Corona-Zeiten: auch in Deutschland ein TrendBild: Elnur Amikishiiyev/Zoonar/picture alliance

Zwei Routine-Eingriffe am Lid, eine Hand-Operation und ein Implantat im Kinn - Professor Dennis vom Heimburg hat sein Soll am Vormittag schon erfüllt. Der Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie in Frankfurt macht die Deutschen schon seit 28 Jahren schöner; jedes Jahr legen sich rund 1000 Menschen bei ihm unters Messer oder die Spritze.

Zwar ist es von Heimburg spürbar unangenehm, in diesen schwierigen Zeiten Corona-Gewinner genannt zu werden. Doch der Trend ist eindeutig: Die Nachfrage nach ästhetischen Behandlungen steigt seit Beginn der Krise spürbar an.

"Die einen wollen zurück, was sie verloren haben; die anderen wollen, was sie noch nie hatten" - Professor Dennis von HeimburgBild: Wolfgang Uhlig/VDÄPC

"Es kommen derzeit viel mehr Berufstätige, als es früher der Fall war. Also die Menschen, die früher gesagt haben, es muss an diesem Tag sein, sonst geht es nicht, ansonsten komme ich nächstes Jahr wieder", sagt von Heimburg. Und dieses Plus an Patienten übersteige bei weitem den Rückgang bei den über 65-Jährigen, die wegen der Angst einer Ansteckung die Praxis meiden.

Urlaub fällt aus, Geld fließt in die Schönheits-OP

Von Heimburg ist, wenn man so will, der Christian Drosten der Ästhetisch-Plastischen Chirurgie. Er war jahrelang Präsident des Dachverbandes Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen VDÄPC, bei dem mehr als 120 Ärzte deutschlandweit organisiert sind. Speziell, wer seine untere Augenlidpartie straffen lassen will, wird bei Von Heimburg vorstellig. Das ist sein Spezialgebiet.

In wenig mehr als einer Stunde macht er Krähenfüße unsichtbar. Oft hört der Facharzt derzeit Sätze wie diese: "Ich will aus dem Lockdown frisch rausgehen, wenn ich schon keinen Sport machen kann." Oder auch: "Wir geben wegen Corona derzeit keinen Cent aus, das Geld für den Urlaub haben wir gespart. Von daher passt das jetzt sehr gut." Frei nach dem Motto: Man gönnt sich ja sonst nichts.

Trendsetter Fettabsaugen

Schon 2019 waren ästhetisch-plastische Operationen an Brust und Nase sowie die minimalinvasiven Behandlungen mit Botox und Hyaluron deutschlandweit um fast acht Prozent auf 83.000 gestiegen; im vergangenen Jahr könnten die Zahl der Eingriffe sogar die 100.000er-Marke geknackt haben.

Der vermeintlich einfache Weg für die perfekte Figur: Fettabsaugen in einer SchönheitsklinikBild: Jens Schierenbeck/dpa Themendienst/picture alliance

Vor allem im Trend, auch coronabedingt: Fettabsaugungen. Viele Menschen im Homeoffice bewegen sich wenig und legen an Gewicht zu. Da entscheiden sich manche lieber für das Skalpell statt für die Laufschuhe - und blättern dafür schon einmal 5000 Euro auf den Tisch. Dennis von Heimburg stellt aber auch klar: Seriösität geht vor; die Sicherheit des Patienten steht für ihn an erster Stelle.

Scharlatane schaden dem Branchenimage

"Es gibt keine Notwendigkeit für unsere Operationen, und wenn ein Schaden entsteht, ist es oft ein Dauerschaden bis hin zu Todesfällen. Wir müssen die Risiken minimieren", sagt von Heimburg.

Schwarzes Schaf der Schönheitschirurgen: Der Düsseldorfer Arzt (rechts) und sein Anwalt 2019 vor GerichtBild: picture-alliance/dpa/D. Young

Zu frisch ist die Erinnerung an die zwei Frauen, die für ihren Traum eines "Brazilian Butt" 2018 und 2019 in Düsseldorf ihr Leben ließen. Der Schönheitschirurg, der die beiden risikoreichen Po-Vergrößerungen vorgenommen hatte, darf wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge nicht mehr praktizieren. Der Branche insgesamt hat das schwarze Schaf einen enormen Imageschaden beschert. 

Das Problem: Schönheitschirurg ist in Deutschland kein geschützter Begriff. Sogar Kieferchirurgen dürften theoretisch Brustvergrößerungen vornehmen. Solche Eingriffe gehören aber in die Hände eines erfahrenen Facharztes für Plastische und Ästhetische Chirurgie, mit einer langjährigen Spezialausbildung und jährlichen Fortbildungen.

Maskenpflicht und Augenpartie

So wie Dennis von Heimburg. Oder auch die Fachärzte der Moser-Klinik, die in Wien, Augsburg und Bonn mit dem Slogan "Schön für das Leben" für Beauty-Operationen wirbt. Kristian Limbach ist der Klinikdirektor in Bonn und sagt: "Die seriöse ästhetische Schönheitschirurgie hat einen sehr guten Ruf. Und wir merken gerade in Corona-Zeiten, dass der Wunsch nach Selbstoptimierung größer wird."

"Soziale Medien haben großen Einfluss auf die Selbstwahrnehmung" - Kristian LimbachBild: Robert Toenshoff

Man könnte auch sagen, die Masken sind an allem schuld. "Durch sie fehlen ganz viele optische Informationen, ein Teil des Gesichtes fällt ja weg", erklärt Limbach. Die Menschen schauen sich nun noch mehr als ohnehin schon in die Augen. Jede Unregelmäßigkeit in diesem Bereich fällt also stärker auf. Hinzu kommt: In Video-Konferenzen sehen die Menschen viel häufiger ihr eigenes Spiegelbild.

"Wir hören deswegen jetzt immer häufiger den Wunsch nach einer Straffung im Lidbereich für ein jüngeres Aussehen", hat der Bonner Klinikdirektor beobachtet. Ein weiterer Effekt der Maskenpflicht: Weil die Masken Schwellungen und Rötungen nach einer Operation verdecken, steigt auch die Nachfrage nach Lippenkorrekturen massiv an. In Zeiten von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen fallen Eingriffe mit einer tage- oder wochenlangen Auszeit ohnehin weniger auf.

Vor allem Frauen zieht es in die Beauty-Klinik

Laut einer Statistik des Dachverbandes VDÄPC sind es überwiegend Frauen, die sich für die Schönheit auf den OP-Tisch legen, ihr Anteil liegt bei fast 90 Prozent. Ansonsten kämen Menschen aus der ganzen Bandbreite der Bevölkerung zu ihm in die Klinik, sagt Limbach.

Immer noch deutlich auf Platz 1 der Eingriffe: die Behandlung mit Botulinumtoxin, Handelsname BotoxBild: A. Noor/BSIP/picture alliance

"Da ist die einfache Küchenkraft, die seit Jahren Geld zur Seite gelegt hat, um sich die Ohren anlegen zu lassen. Da sind Hochschulprofessoren. Da sind die Reichen und Schönen. Da sind Leute, die kennen Sie aus dem Fernsehen. Da ist auch mal das Rotlichtmilieu. Und wir hatten auch schon sowohl katholische als auch evangelische Pfarrer bei uns."

Jürgen Klopps Haartransplantation 

Sie alle eine der Wunsch, so Limbach, nach einer maßvollen und dezenten Korrektur ihres Äußeren, nach einer optischen Verjüngung. Die Corona-Pandemie könnte am Ende auch im Bereich der Schönheitschirurgie einen Prozess beschleunigen: Dass auch in Deutschland noch offener über Eingriffe gesprochen wird, Korrekturen kein Tabu-Thema mehr sind - so wie es in Asien, USA oder auch Lateinamerika schon längst gang und gäbe ist.

Der Vorher-Nachher-Vergleich: Fußball-Trainer Jürgen Klopp vor und nach seiner HaartransplantationBild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch/R. Weihrauch

Ausgerechnet ein bekannter deutscher Fußball-Trainer könnte daran schon vor Corona einen nicht unerheblichen Anteil haben: Jürgen Klopp, der sich 2013 für eine Haartransplantation entschied und auch kein Geheimnis daraus machen wollte. "Klopp hat sich damals hingestellt und gesagt: 'Was wollt Ihr denn? Sieht doch gut aus!'", erinnert sich Kristian Limbach. "Seitdem ist es sehr viel leichter, über das Thema Schönheitsoperationen zu sprechen."