Die Autobauer spüren zunehmend die Folgen des Virusausbruchs in China. Einige Konzerne fürchten Ausfälle in Europa oder sie verlängern die Werksferien. Jetzt beginnt die Suche nach Bezugsquellen außerhalb Chinas.
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Als erster europäischer Autobauer stellt sich Fiat Chrysler darauf ein, dass eine stockende Teileversorgung aus dem Land in zwei bis vier Wochen die Produktion in einem Werk in Europa beeinträchtigen könnte. Um welches Werk es sich handelt, sagte Vorstandschef Mike Manley nicht. Der größte japanische Autobauer Toyota kündigte am Freitag an, die Produktion in all seinen chinesischen Werken bis zum 16. Februar ruhen zu lassen. Auch andere Hersteller haben die Werksferien nach dem chinesischen Neujahrsfest wegen des Virusausbruchs verlängert.
Suzuki erwägt, Fahrzeugkomponenten außerhalb von China zu beziehen, da die Ausbreitung des Coronavirus die Fahrzeugproduktion in seinem größten Markt in Indien bedroht. Suzuki baut und verkauft keine Autos in der Volksrepublik, bezieht von dort aber Komponenten für seine Werke in Indien. Dort kontrolliert der japanische Kleinwagenspezialist mit dem Gemeinschaftsunternehmen Maruti-Suzuki rund die Hälfte des indischen Marktes.
Lieferketten korrodieren
BMW hatte bereits die Werksferien für Mitarbeiter in der Produktion in der chinesischen Stadt Shenyang bis zum 9. Februar verlängert. Büroangestellte sollen in dieser Zeit zu Hause arbeiten. Volkswagen will die Arbeit an den Standorten mit dem chinesischen Partner FAW nach bisherigen Informationen nicht vor Sonntag wieder aufnehmen. Im Gemeinschaftsunternehmen mit SAIC ist dies bisher am Montag geplant.
Als erster ausländischer Autokonzern hatte Hyundai wegen einer unterbrochenen Lieferkette die Produktion in Korea heruntergefahren. In der zwischen Herstellern und Lieferanten weltweit verflochtenen Industrie können Störungen in der Teilevorsorgung massiven Einfluss auf die Autoproduktion haben.
Eine Krise zur Unzeit
Für die exportabhängigen deutschen Autobauer ist China der wichtigste Automarkt und zugleich ein wachsender Produktionsstandort. Wenn die Schauräume der Händler und die Fabrikhallen länger leer bleiben, könnte dies Audi, BMW, Daimler, Porsche und VW empfindlich treffen. Denn unter der Last des Handelskonflikts mit den USA sank der Neuwagenabsatz in China 2019 bereits das zweite Jahr in Folge.
Die deutschen Autokonzerne trifft die Corona-Krise zudem in einer kritischen Phase: Sie wollen in diesem Jahr neue Elektroautos auf den Markt bringen, in denen viel Technik steckt, die aus China geliefert wird. Ein längerer Ausfall der Lieferungen könnte die Pläne durcheinander bringen - mit nicht absehbaren Folgen für das Erreichen der Klimaziele in der Branche.
Die Verunsicherung wächst
Einer Umfrage zufolge verunsichert das Virus zahlreiche deutsche Unternehmen. Laut einer am Freitag veröffentlichten Erhebung des Düsseldorfer Beratungsunternehmens Kloepfel geben 28 Prozent der befragten Manager an, schon Ausfälle von Lieferanten zu verzeichnen, die aber durch alternative Anbieter noch ausgeglichen werden können.
Die auf Lieferketten spezialisierten Berater haben Anfang Februar 243 Fach- und Führungskräfte in der deutschen Industrie und im Handel befragt. 19 Prozent befürchten, dass Lieferengpässe ihre Produktion stilllegen könnten. 42 Prozent der Unternehmen gaben an, noch nicht betroffen zu sein.
Viele Unternehmen neigten nun zu Hamsterkäufen, sagte der Chef des Beratungsunternehmens, Marc Kloepfel. Die Lager würden aufgefüllt. "Dies betrifft neben der produzierenden Industrie auch sehr stark den Handel."
Auch Schneider und Schuster leiden
Das Coronavirus stört inzwischen auch das Geschäft mit teurer Bekleidung und Handtaschen: Der britische Luxuskonzern Burberry hat seinen Ausblick für das bis Ende März laufende Geschäftsjahr gestrichen. Derzeit sind 24 von 64 Läden in China geschlossen, wie das Unternehmen am Freitag mitteilte. Finanzchefin Julie Brown sagte, die Umsätze in den noch geöffneten chinesischen Geschäften seien in den vergangenen beiden Wochen um 70 bis 80 Prozent eingebrochen.
Für europäische Hersteller teurer Konsumgüter von Bekleidung über Kosmetik und Schuhe bis zu Uhren ist China ein extrem wichtiger Markt, der Kauf von "mingpai" (berühmten Marken) ist für viele Chinesen der Hauptgrund für Urlaubsreisen nach Europa. Burberry macht rund 40 Prozent der Umsätze mit chinesischen Kunden.
Die Ausgaben chinesischer Touristen in Europa sind laut Burberry derzeit noch weniger betroffen. Allerdings gehen die Briten von einer Verschlechterung in den kommenden Wochen aus. Burberry hatte erst im Januar die Umsatzprognose erhöht - bevor sich das Virus immer weiter verbreitete.
Auch Konsumgüterhersteller sind betroffen: Nike warnte in dieser Woche vor erheblichen Einbußen. Die Amerikaner haben ebenso Filialen in China schließen müssen wie der deutsche Konkurrent Adidas. Die Kosmetikkonzerne L'Oreal und Estee Lauder sehen ebenfalls Belastungen für ihr Geschäft.
Wuhan-Virus: Welche Branchen schon betroffen sind
Das in der chinesischen Millionenstadt Wuhan in der Provinz Hubei aufgetauchte Coronavirus gefährdet die globale Wirtschaft. Einige wenige Firmen sehen Chancen, die meisten Branchen aber beklagen bereits jetzt Einbußen.
Bild: VLADIMIR MARKOV via REUTERS
Die Kanzlerin in Wuhan
2019 besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch das Webasto-Werk in Wuhan. Das ist inzwischen geschlossen, wie das Unternehmen mitteilte. "Auswirkungen auf die globalen automobilen Lieferketten" seien nicht auszuschließen. Etwa 1000 Beschäftigte in der deutschen Zentrale arbeiten im "Homeoffice", da es unter ihnen einige bestätigte Corona-Infektionen gibt.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler
Ein seltener Fall
Ein Chemiekonzern sieht eine Chance: Lanxess verzeichnet eine stärkere Nachfrage nach seinem Desinfektionsmittel Rely+On Virkon. Das Mittel werde zur Desinfektion von harten Oberflächen und Geräten eingesetzt und könne wirksam gegen das Coronavirus sein und vor allem in China werde es stärker eingesetzt, so das Unternehmen. Man arbeite daran, schnellstmöglich zusätzliche Mengen liefern zu können.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul
Für ein Virus zu langsam
Die zurzeit schwächelnde Medizintechnik-Sparte von Siemens rechnet dagegen nicht mit einer steigenden Nachfrage nach seinen Röntgengeräten und Computertomographen. "Die kurzfristige Möglichkeit, damit Geschäfte zu machen, würde ich nicht überschätzen. Das geht nicht so schnell", sagte der Vorstandschef von Siemens Healthineers, Bernd Montag: "Da kommt und geht ein Virus schneller."
Bild: Siemens Healthineers
Einzelhandel und Systemgastronomie
Bei den Fastfood-Ketten KFC und Pizza Hut von Yum China und den Cafes von Luckin Coffee bleiben derzeit die Türen geschlossen. Die schwedische Modekette H&M schloss etwa 45 Filialen in China, der Jeans-Hersteller Levi Strauss ungefähr die Hälfte seiner Läden. Experten gehen aber davon aus, dass die Auswirkungen übersichtlich bleiben, da ihre Geschäfte nun überwiegend online abgewickelt werden.
Bild: picture-alliancedpa/imaginechina/Y. Xuan
Keine Zeit für die "schönste Nebensache der Welt"
Wie auch US-Konkurrent Nike schließt der deutsche Sportartikelhersteller Adidas in China vorübergehend viele seiner eigenen Geschäfte. Darüber hinaus, so der Konzern, werde das Franchise-Geschäfts genau beobachtet. Es sei aber noch zu früh, um die Auswirkungen zu beurteilen. Reklame-Veranstaltungen wie diese mit Fußballstar Paul Pogba in Hongkong 2017 wird es jetzt jedenfalls nicht geben.
Bild: picture-alliance/dpa/Stringer/Imaginechina
Besonders gefährdet: Die Autobauer
Die Epidemie habe "eine enorme wirtschaftliche Tragweite", gerade für die deutschen Autobauer, erklärt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. So bleiben die 33 Werke von Volkswagen (hier die konzerneigene Versuchsstrecke in Xinjiang) und seinen Joint Ventures in China noch bis zum Wochenende geschlossen, Geplante Auslieferungen seien aber nicht gefährdet.
Bild: Imago Images/Xinhua
An keinem geht es einfach so vorbei
Bei Daimler (hier ein Maybach bei einer Messe in Peking) soll der Großteil der chinesischen Produktion am kommenden Montag wieder anlaufen. Dabei setze das Unternehmen aber "verstärkt auf Homeoffice". Auch bei BMW starten die Produktion in Shenyang sowie die Büroarbeit im Vertrieb voraussichtlich am Montag wieder. Vertriebler arbeiten demnach zwischenzeitlich von Zuhause aus.
Bild: picture alliance/dpa
Honda bleibt vorsichtig
Der japanische Autobauer Honda hält seine drei zusammen mit dem chinesischen Hersteller Dongfeng betriebenen Autowerke in Wuhan länger geschlossen. Der Betrieb werde bis mindestens zum 13. Februar ruhen, sagte ein Sprecher. Ob die Produktion dann wieder anläuft, sei noch nicht klar. Man halte sich an die Vorgaben der lokalen Behörden.
Bild: picture-alliance/dpa
Der Nachschub bleibt aus
Das Virus wird zunehmend zum Problem der global verzahnten Lieferketten. Dafür ist die Autoindustrie ein gutes Beispiel. So wird der südkoreanische Hersteller Hyundai seine gesamte heimische Produktion noch in dieser Woche auszusetzen. Der Grund: fehlende Teile, die normalerweise aus China geliefert werden. Analysten gehen davon aus, dass ähnliche Probleme viele Unternehmen treffen werden.
Bild: Reuters/Aly Song
Die Chinesen bleiben aus
Auch in Deutschland sind Einschränkungen bereits spürbar: Wegen der Ansteckungsgefahr werden auf der Frankfurter Konsumgütermesse "Ambiente" weniger Besucher erwartet. Das ergebe sich schon aus den deutlich reduzierten Flugverbindungen aus China, sagte ein Sprecher der Messegesellschaft. Die Lufthansa und andere Airlines haben ihre Verbindungen auf das chinesische Festland unterbrochen.
Bild: Dagmara Jakubczak
Hauptsache vorbereitet
Am Frankfurter Flughafen ist bereits eine Quarantänehalle für Corona-Evakuierte eingerichtet worden. Die meisten Passagiere aus China landen in Deutschland in der Regel in Frankfurt (2018 waren es mehr als eine Million). Wichtigste chinesische Airports für die Verbindung mit Deutschland waren die Flughäfen in Peking, Shanghai und Hongkong. Direktflüge von und nach Wuhan fanden nicht statt.