1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Der "IS" will von der Pandemie profitieren

Tom Allinson | Lewis Sanders IV dh
24. März 2020

Einerseits Reisewarnungen nach Europa, andererseits Aufrufe zum Dschihad: Die Terrororganisation IS nutzt die Pandemie, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Doch auch die Mitglieder könnten sich infizieren.

Syrien März 2019 | IS-Kämpfer in Baghouz
Bild: picture-alliance/AP Photo/Aamaq News Agency

Weltweit kämpfen Gesundheitsbehörden gegen die verheerende Coronavirus- Pandemie. Vielerorts herrscht Chaos aufgrund des neuartigen Virus - doch einer Gruppe kommt das gelegen: der Terrororganisation Islamischer Staat (IS).

In einem vergangene Woche veröffentlichten Leitartikel beschrieb die Terrorgruppe die Pandemie als eine von Gott verursachte "schmerzhafte Qual" für die "Kreuzfahrernationen" - ein Begriff, der sich auf die westlichen Länder bezieht, die sich an der Anti-IS-Militäroperation beteiligen.

Der Angstfaktor habe größere Auswirkungen auf die Menschen als die Epidemie vielerorts selbst, heißt es von Seiten der Extremisten. Die westliche Welt sei "am Rande einer großen wirtschaftlichen Katastrophe, weil sie die Mobilität eingeschränkt hat, Märkte gerade zusammenbrechen und das öffentliche Leben stillsteht".

"Wir bitten Gott, ihre Qualen zu erhöhen und die Gläubigen davor zu retten", soll der "IS" nach Angaben des britischen Forschers Aymenn Jawad Al-Tamim gesagt haben.

Auch im Irak ist das Coronavirus angekommenBild: Reuters/K. Al-Mousily

Abgelenkt vom Kampf gegen den IS

Der Ausbruch des Coronavirus könnte den "IS" in seiner Haltung bestärken. Gleichzeitig beeinflusst die Pandemie auch das weitere Vorgehen gegen die Terrorgruppe, die eigentlich seit vergangenem Jahr als militärisch weitgehend besiegt galt.

Im Irak, zum Beispiel, hat die NATO Anfang diesen Monats verkündet, das Training für Soldaten aufgrund der Pandemie für 60 Tage auszusetzen. Die Folge: Großbritanniens Verteidigungsminister Ben Wallace reduzierte den Einsatz der britischen Truppen. Das Trainingstempo sei erheblich gesunken, hieß es.

Dazu kommt, dass die Mitglieder der Anti-IS-Koalition im Irak und in Syrien Vorkehrungen treffen müssen, um einen Ausbruch innerhalb der Truppen zu verhindern. Denn mittlerweilie ist das Coronavirus auch in Syrien angekommen. Obwohl US-Behörden davon ausgingen, dass die Maßnahmen keine Auswirkungen auf die Kontinuität der Operation gegen den "IS" haben würden, untergräbt die Pandemie die Bemühungen, die Terrororganisation lokal zu bekämpfen.

"Die Coronavirus-Pandemie wird unweigerlich alle Aufmerksamkeit und Ressourcen auf sich ziehen", sagt Colin P. Clarke, Senior Research Fellow am New Yorker Soufan Center. Dadurch werde der Fokus nicht mehr auf der Bekämpfung des IS liegen.

"Aber IS -Kämpfer sind natürlich auch verwundbar. Die Militanten sind nicht immun gegen das Virus. Und wenn sie sich auf falsche medizinische oder gesundheitliche Informationen verlassen - was definitiv sein könnte - wäre es möglich, dass auch sie ihre Kämpfer durch das Virus verlieren."

Das LaeBild: Filip Warwick

Das Chaos ausnutzen

Erst Mitte März hatte die Terrorgruppe ihre Mitglieder vor Reisen nach Europa und weitere stark betroffene Regionen gewarnt. Stattdessen würden sie eine Art göttlichen Schutz vor dem Virus erhalten, wenn sie sich an einem Dschihad beteiligen, hieß es.

Ein möglicher Weg dafür könnte sein, andere Militante, deren Frauen und Kinder aus den Gefängnissen in der Region zu befreien. Bereits im Oktober hatten sich über 750 Personen, die verdächtigt werden, mit dem "IS" in Kontakt zu stehen, aus dem Lager Ain Issa im Nordosten Syriens abgesetzt. Das war ihnen deshalb gelungen, weil kurdische Streitkräfte durch eine türkische Offensive abgelenkt wurden.

"Wenn sich das Virus in Gefängnissen und Haftanstalten ausbreitet, was schon jetzt der Fall sein könnte, werden auch die Kurden als Beauftragte für die Verwaltung einiger Gefängnisse ihre Mission zurückstellen müssen", sagte Clarke, Autor des Buches "After the Caliphate" (Nach dem Kalifat).

Beim Ausbruch helfen

Genau darauf spekuliert der sogenannte Islamische Staat offensichtlich. Allein im Irak werden derzeit landesweit rund 20.000 mutmaßliche IS-Kämpfer in Gefängnissen festgehalten. Wie vielen Mitgliedern der Terrorgruppe auch immer durch andere IS-Kämpfer zum Gefängnis-Ausbruch verholfen könnte: Es würde die operative Schlagkraft der Extremisten in jedem Fall neu stärken. "Der IS sieht die Pandemie als Chance und will sie für sich nutzen", resümiert der britische Forscher al-Tamimi. 

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen