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Politik

Deutschland zwischen Vorsicht und Panik

28. Februar 2020

Das Coronavirus ist das Gesprächsthema Nummer eins in Deutschland. Experten warnen vor Panik. Und die Regierung prüft, ob die internationale Tourismusbörse ITB in Berlin abgesagt wird.

Deutschland Stuttgart Oldtimermesse mit Desinfektionsspender
Bild: Imago Images/A. Hettrich

Was bedeutet die Coronavirus-Epidemie für Deutschland? Steht das öffentliche Leben bald still, werden Großveranstaltungen abgesagt wie gerade in der Schweiz? Am Freitag bestimmt das neue Virus die Schlagzeilen aller deutscher Zeitungen. "Keine Panik" rät dabei immerhin die Tageszeitung "Taz". Aber die Epidemie bestimmt wesentlich die Gespräche der Menschen: In Bussen und Bahnen, auf den Straßen, in Restaurants und am Arbeitsplatz.

Besonnenheit bei den Experten

Vergleichsweise ruhig reagieren immer noch diejenigen, die es wissen müssen: Das Robert-Koch-Institut, oberste Behörde in Deutschland, was Infektionskrankheiten betrifft, ruft zur täglichen Pressekonferenz. Lars Schaade, Facharzt für Mikrobiologie und Vizepräsident des Instituts, listet auf: 52 Infektionen sind in Deutschland bislang bekannt, es gibt drei lokale Schwerpunkte. Einen in Nordrhein-Westfalen mit einem ernsthaft erkrankten Patienten, einen in Baden-Württemberg, einen neuen, in München. 

Topthema: Das Coronavirus ist endgültig in Deutschland angekommenBild: DW/J. Thurau

Zum Vergleich: Weltweit haben sich bislang über 38 000 Menschen mit dem Virus infiziert, in bislang 52 Ländern. Und die Dunkelziffer ist hoch, so die Experten. Deshalb kommt Schaade immer noch zu dem Ergebnis, "dass es eben zur Zeit kein breites Geschehen in Deutschland zu geben scheint. Und dass deshalb das Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung gering bis mäßig einzuschätzen ist."

Jetzt am Wichtigsten: Händewaschen

Schaade hat noch einmal ganz konkret Tipps, wie sich die Bevölkerung jetzt am besten verhalten sollte: "Benutzen Sie wegwerfbare Taschentücher, wenn Sie husten oder niesen müssen, werfen Sie die dann auch anschließend weg. Waschen Sie sich die Hände, und falls das nicht möglich ist, ist es günstig, sich beim Niesen oder Husten wegzudrehen und in die Ellenbeuge zu niesen." Weiterhin sei es sinnvoll, sich möglichst wenig ins Gesicht zu fassen, was ein normaler Mensch bis zu zweihundert Mal am Tag tut.

Was passiert, wird Schaade gefragt, im Infektionsfall? Rund 85 Prozent der Fälle verlaufen wie eine milde Grippe, aber: "Es gibt einen Teil der Fälle, der sich nach etwa neun Tagen verschlechtert: Das sind dann die Fälle, die eben die schwereren Krankheitsverläufe haben. Und wenn man einen solchen schweren Krankheitsverlauf hat, dann kann es sein, dass man bis zur Genesung drei, vier, oder im Extremfall sogar sechs Wochen, das ist in China beschrieben, braucht."

FDP: "Merkel zu zögerlich"

Krisenstäbe haben auch die lokalen Behörden gebildet - hier im Kreis Heinsberg im Westen DeutschlandsBild: Reuters/W. Rattay

Die Bundesregierung hat unterdessen reagiert und einen Krisenstab gebildet, dem die meisten Ressorts angehören. Schon am Morgen berieten Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über den Stand der Dinge. Merkels Sprecher Steffen Seibert sagte dazu am Freitag: "Die Kanzlerin, da seien Sie versichert, wird sich tagtäglich über den Fortgang der Ereignisse, sowohl was das Ausbreitungsgeschehen betrifft als auch den Stand der Vorbereitungen, informieren."

Das war möglicherweise eine Reaktion auf eine Kritik der Opposition: Denn der stellvertretende Vorsitzende der FDP im Bundestag, Michael Theurer, hat Merkel aufgefordert,  das Krisenmanagement gegen das Coronavirus an sich zu ziehen. Die Kanzlerin wirke seltsam untätig: "Frau Merkel muss die Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie zur Chefsache machen", sagte Theuer der "Rheinischen Post". Bei Hochwasser-Katastrophen oder der Finanzmarktkrise habe das Kanzleramt die Zügel in der Hand gehabt.

Soll die Tourismusbörse abgesagt werden?

In der Regierung gibt es derweil Streit darüber, ob Deutschland die weltführende Tourismus-Messe ITB mit tausenden von Besuchern aus aller Welt, die am kommenden Mittwoch in Berlin beginnen soll, nicht lieber absagen sollte. Gesundheitsminister Spahn hält das für überzogen, Bundesinnenminister Seehofer, der als früherer Gesundheitsminister selbst Erfahrungen im Umgang mit Epidemien hat, rät zur Vorsicht und zur Absage. Wie man in Berlin hört, soll er das Kanzleramt in dieser Frage hinter sich haben. Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums sagte, letztlich sei das eine Entscheidung des Landes Berlin. Ein weiteres Thema wird wohl sein, ob Deutschland über genug Spezialanzüge und Schutzmasken vor allem für das Hilfspersonal verfügt, wenn sich die Epidemie verschlimmert. Das scheint nämlich nicht der Fall zu sein. Minister Spahn erwägt deshalb, wie er gestern im "Zweiten Deutschen Fernsehen" (ZDF) sagte, notfalls auch ein Exportverbot.

Im Aufbau: die Tourismusbörse ITB in BerlinBild: Getty Images/S. Gallup

Einreise ist schwer zu kontrollieren

Am Donnerstag hatte die Regierung schon beschlossen, dass Menschen vor allem aus den am meisten betroffenen Ländern spezielle "Aussteigerkarten" ausfüllen müssen, wenn sie nach Deutschland reisen -  kommen Sie nun mit der Bahn, dem Bus, dem Flugzeug, oder mit Schiffen. Darauf soll notiert werden, wo genau sich diese Menschen in Deutschland aufhalten werden. Bei bestimmten Flugverbindungen und bei den Schiffen gibt es diese Anordnung schon. Steve Alter, Sprecher von Minister Seehofer, gab aber am Freitag zu, dass das nicht leicht zu organisieren ist: "Das wird natürlich immer schwieriger, je weiter man in den Individualverkehr hineinkommt. Weil Sie sich vorstellen können: Es muss irgendeine Stelle geben, die diese Zettel ausgibt, dann müssen die ausgegeben und wieder eingesammelt werden." Wie das genau gehen soll, sollen Experten jetzt klären.

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