Toilettenpapier, Nudeln, Seife, Konserven und Desinfektionsmittel - dank so mancher Hamsterkäufer sind diese Dinge vielerorts ausverkauft. Sozialpsychologe Andy Yap erklärt, was hinter den Panik-Käufen steckt.
Anzeige
DW: Professor Yap, warum kaufen manche Menschen derart panisch ein?
Andy Yap: Das Coronavirus ist ein unsichtbarer Feind. Wir können es nicht sehen. Und wer seinen Feind nicht sehen kann, verliert das Gefühl von Kontrolle. Wer sein Kontrollgefühl verliert, versucht Dinge zu kompensieren, um das Gefühl von Kontrolle wieder zu erlangen. Bestimmte Dinge zu kaufen, ist eine solche Kompensation.
Wenn ich jetzt in den Supermarkt gehen und etwas kaufen würde, hätte ich dann weniger Angst vor dem Coronavirus?
Unsere Forschungen zeigen, dass Menschen, die das Gefühl der Kontrolle verlieren, beginnen Dinge zu kaufen, die dabei helfen sollen, jene Probleme zu lösen, die dazu geführt haben, dass man überhaupt die Kontrolle verloren hat.
Mit anderen Worten: Wenn Sie Angst haben und das Virus fürchten, dann kaufen Sie Dinge, die möglicherweise verhindern, sich das Virus einzufangen. So kommt es, dass Menschen Masken und Desinfektionsmittel kaufen. Oder auch Reinigungsmittel, um ihre Häuser und Büros sauber zu halten.
Was sind Viren?
02:23
Es spielt also keine Rolle, ob diese Maßnahmen wirksam sind. Ich fühle ich mich einfach besser und sicherer, wenn ich etwas kaufe.
So ist es.
Sie erwähnten Ihre Forschung. Welche wissenschaftlichen Studien zu Angst und Panik, und wie Menschen darauf reagieren, haben Sie durchgeführt?
Vor etwa drei oder vier Jahren wollten wir untersuchen, was genau passiert, wenn Menschen Stress und Angst erleben. Und wir stellten fest, dass ein grundlegendes Element, das bisher nicht untersucht worden war, die Bedeutung von Kontrolle ist bzw. das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Und so haben wir eine Reihe von Experimenten im Supermarkt und im Labor durchgeführt.
Wir haben festgestellt, dass Menschen bei einem Kontrollverlust mehr funktionelle Produkte kaufen. Produkte also, die ihnen helfen, Probleme zu lösen. Das sind vor allem Produkte, die ihnen helfen, die Kontrolle wiederzuerlangen.
Wenn Kontrolle für die Menschen so wichtig ist, besonders in dieser von Angst bestimmten Zeit, wie würden Sie unseren Lesern helfen, diese Kontrolle wiederherzustellen?
Erstens: Sie benötigen Informationen. Sie müssen verstehen, was passiert, um welchen Virus es sich handelt, wie Sie sich infizieren können und wie Sie diese Virusinfektion behandeln werden kann.
Aber ich würde davon abraten, zu viel Zeit auf Socialmedia-Plattformen zu verbringen. Denn soziale Medien sind ein Echoraum. Ein Grund für viele Panikkäufe ist, dass die Leute Fotos und Videos von anderen Menschen sehen, die Toilettenpapier und andere Dinge kaufen, die in der Folge knapp werden. Das hat auf der ganzen Welt oftmals zu Panikkäufen geführt.
Zu Zeiten von SARS, einer ähnlichen Virusinfektion, eine ähnliche Pandemie, haben wir dieses Verhalten nicht in diesem Ausmaß beobachtet. Damals gab es weniger Panikkäufe, weil die Menschen diesen Echoraum noch nicht mit sich herumgetragen haben.
Andy Yap ist Sozialpsychologe am INSEAD in Singapur. Das Interview führte Conor Dillon.
Forscher und ihre Selbstversuche
Was haben ein Mediziner, der seine eigene Impfung gegen das Coronavirus schluckt, ein Psychoanalytiker auf Koks und der schnellste Mann der Welt gemeinsam? Sie sind Wissenschaftler und ihre eigenen Versuchskaninchen.
Bild: picture-alliance/AP/NIAID-RML
Schluckimpfung gegen Corona
Mut, Neugier oder völlige Selbstüberschätzung? Vermutlich ist es eine Mischung aus all dem, die so manchen Wissenschaftler dazu veranlasst, eigene Erfindungen zuerst an sich selbst zu testen. So soll ein chinesischer Mediziner laut der Tageszeitung Global Times eine Schluckimpfung gegen das Coronavirus nicht nur selbst entwickelt, sondern auch selbst getestet haben. Bisher ohne Nebenwirkungen.
Bild: picture-alliance/AP/NIAID-RML
Lachgas-Party mit Humphry
Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn und privates Vergnügen können durchaus Hand in Hand gehen. Der britische Chemiker Sir Humphry Davy experimentierte zwischen 1795 und 1798 mit Lachgas. Mit Hilfe seiner Selbstversuche entdeckte er nicht nur die schmerzstillende, sondern auch die berauschende Wirkung des Gases.
Bild: picture-alliance/dpa
Entdecker der UV-Strahlung
Der deutsche Physiker Johann Wilhelm Ritter entdeckte 1801 nicht nur die ultraviolette Strahlung, sondern erfand im Jahr darauf auch den ersten Akku. Ritters Interesse galt außerdem dem Galvanismus - einer Bezeichnung für Muskelkontraktionen durch Stromschläge. Dass er bereits 33-jährig starb, soll auch an den galvanischen Selbstversuchen gelegen haben, mit denen er seinen Körper malträtiert hat.
Bild: picture-alliance/imageBroker
Freud auf Koks
Der österreichische Psychologe und Arzt Sigmund Freud ist bekannt als Begründer der Psychoanalyse, dessen Methoden bis heute angewendet, diskutiert und kritisiert werden. Weniger bekannt ist, dass Freud in seiner Zeit als Arzt am Wiener Allgemeinen Krankenhaus die Wirkung von Kokain erforschte. Aus veröffentlichten Briefen geht hervor, dass Freud selbst lange und viel Koks konsumiert hat.
Bild: picture-alliance/akg-images
Tod durch Gelbfieber
"Ich glaube, dass ich dem wahren Erreger auf der Spur bin", schrieb der amerikanische Mediziner Jesse Lazear am 8. September 1900 in einem Brief an seine Frau. Lazear erforschte Malaria und Gelbfieber. Lazear konnte beweisen, dass das Gelbfieber von Moskitos übertragen wird: Er ließ sich stechen, erkrankte und starb 17 Tage nach dem Brief an seine Frau. Lazear wurde nur 34 Jahre alt.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul
Der schnellste Mann der Welt
Als "fastest man on earth" wurde John Paul Stapp aufgrund seiner Forschungen über die Auswirkungen von Beschleunigungskräften auf den (eigenen) menschlichen Körper bekannt. Dazu ließ er sich auf einem sogenannten Raketenschlitten bis auf mehr als 1000 km/h beschleunigen und in 1,4 Sekunden vollständig abbremsen. Es ist die höchste Beschleunigung, der ein Mensch bisher freiwillig standgehalten hat.
Bild: picture-alliance/dpa/United Archives
Heimlicher Herzkatheter
Werner Forßmann war bereits in seiner medizinischen Ausbildung ein Querulant. Der deutsche Chirurg wollte unbedingt beweisen, dass sich ein langer, biegsamer Katheter gefahrlos von der Ellenbeuge bis ins Herz einführen lässt. Obwohl ihm das Experiment von seinen Vorgesetzten ausdrücklich verboten worden war, machte Forßmann 1929 als erster Mensch den Selbstversuch. Heimlich natürlich.
Bild: picture-alliance/dpa/United Archives
Nobelpreisgewinner posthum
Der kanadische Mediziner Ralph Steinman erkrankte an Pankreaskrebs und unterzog sich einer selbst entwickelten Immuntherapie. Nach Einschätzung seines Arztes konnte diese Therapie Steinmans Tod nicht verhindern, möglicherweise sein Leben aber - entgegen der Prognosen - um mehr als vier Jahre verlängern. Steinman starb 2011 wenige Tage vor der Verleihung des Nobelpreises, den er posthum erhielt