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Politik

Bedroht COVID-19 die US-Präsidentenwahl?

28. März 2020

Die Corona-Krise ist mitten in den US-Vorwahlkampf geplatzt. In vielen Bundesstaaten wird erst mal nicht wie geplant über Biden gegen Sanders abgestimmt. Könnte das Virus auch die Wahl im November gefährden?

USA Florida Präsidentschaftsvorwahlen
Vorwahlen in Florida in Zeiten der Pandemie - unklar ist, wie Sars-CoV-2 die Präsidentschaftswahl beeinflusstBild: picture-alliance/Zumapress/TNS

Super Tuesday, der Tag, an dem die größte Anzahl von US-Bundesstaaten gleichzeitig ihre Vorwahlen abhielten, war am 3. März. Das noch nicht einmal einen Monat her - gefühlt könnte es aber auch vor hundert Jahren gewesen sein. Was waren das noch für Zeiten, als das beherrschende Gesprächsthema der Wettkampf zwischen Biden, Sanders, Warren und Co war! Erinnert sich überhaupt noch jemand an die Kandidatur von Michael Bloomberg?

Heute beherrscht das Coronavirus die Nachrichten, auch in den USA. Das heißt aber nicht, dass der Vorwahlkampf pausiert. Am 17. März fanden die Vorwahlen in Florida, Illinois und Arizona statt. Vorwahlen in Florida - noch vor kurzem hätten alle Kommentatoren von Fox News, CNN und New York Times über kein anderes Thema gesprochen.

Aber in der Berichterstattung über Quarantäne und wachsende Fallzahlen ging fast unter, dass der ehemalige Vizepräsident Biden in allen drei Bundesstaaten gewann - in Florida sogar mit rund 62 Prozent der Stimmen weit vor Bernie Sanders' knappen 23 Prozent. 

Vorwahlen werden verschoben

Eigentlich hätten auch die Wähler in Ohio am 17. März über ihren Präsidentschaftskandidaten abstimmen sollen. Aber der Bundesstaat hat, wie Louisiana, Georgia, Kentucky, Maryland und Pennsylvania auch, seine Vorwahl aus Sorge vor der Corona-Pandemie verschoben. 

"Das war eine vernünftige Entscheidung, wenn man sich das Risiko ansieht, das das Coronavirus für die öffentliche Gesundheit darstellt", schreibt Franita Tolson, Expertin für Wahlrecht und Jura-Professorin an der University of Southern California, in einer E-Mail an die DW.

Leere Straßen in New York - in der Metropole gibt es besonders viele Covid-19-Erkrankungen Bild: AFP/A. Weiss

Auch J. Miles Coleman vom Center for Politics an der University of Virginia sieht die Verschiebung der Abstimmungen positiv. "Die Unabhängigkeitserklärung garantiert schließlich allen Amerikanern 'Life, liberty and the pursuit of happiness'", sagte Coleman der DW. "Leben steht da an erster Stelle." Dass ältere Wähler und solche in Risikogruppen das ihre nicht gefährden mussten, da sie den Wahllokalen fernbleiben konnten, begrüße er.

Wer profitiert: Biden oder Sanders?

Aber was bedeuten diese Verschiebungen für die beiden Wahlkämpfer? In der Frage, ob Sanders oder Biden von der aktuellen Situation profitieren wird, gehen die Meinungen der Experten auseinander.

Sind nicht mehr Thema Nummer eins: Bernie Sanders und Joe Biden Bild: picture-alliance/dpa/M. Rourke

"Die Verzögerung bei den Vorwahlen hilft Joe Biden", schreibt Tolson. "Das Coronavirus dominiert die Nachrichten und macht es schwierig für [den zurückliegenden] Bernie Sanders, die Öffentlichkeit über die Medien doch noch von seiner Nominierung zu überzeugen."

Coleman ist vom Gegenteil überzeugt. Seiner Meinung nach profitiert Sanders von der außergewöhnlichen Situation, die eine besondere Aufmerksamkeit auf das US-Gesundheitssystem lenkt. "Die aktuelle Diskussion sorgt dafür, dass Sanders relevant bleibt", so Coleman. "Möglicherweise sind jetzt mehr Wähler bereit, seinen 'radikalen' Ideen wie einer öffentlichen Krankenversicherung für alle Amerikaner eine Chance zu geben."

Präsidentenwahl in Zeiten des Coronavirus

Ob die Corona-Krise auch die Wiederwahlchancen von US-Präsident Donald Trump beeinflussen könnte, sei noch nicht abzusehen, sagen Tolson und Coleman.

Einige US-Amerikaner haben sich in den sozialen Medien aber besorgt über die Möglichkeit geäußert, dass US-Präsident Donald Trump die Präsidentschaftswahlen im November verschieben und so seine Amtszeit ausdehnen könnte.

Tolson sieht die Wahl im November nicht in Gefahr. "Wir hatten [in der US-Geschichte] schon früher Wahlen in schwierigen Zeiten - selbst während des Bürgerkriegs!", gibt Tolson zu bedenken.

Und auch Coleman hält es für sehr unwahrscheinlich, dass die Wahl im November verschoben wird. Das Datum wird vom Kongress festgesetzt. Und Trumps Amtszeit endet in jedem Fall am 20. Januar 2021. Sollte bis dahin nicht gewählt worden sein, greift die Nachfolgeregelung, die für das unvorhergesehene Ausscheiden eines Präsidenten aus dem Amt gilt.

Briefwahl statt Urnengang

Da die Amtszeit von Vizepräsident Mike Pence ebenfalls spätestens am 20. Januar kommenden Jahres enden würde, wäre die nächste Person in dieser Rangfolge Nancy Pelosi, die Mehrheitsführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus, die der US-Präsident auf den Tod nicht ausstehen kann. Dass ausgerechnet sie Präsidentin werden könnte, ist vermutlich das letzte, was Trump möchte. Es scheint also wenig wahrscheinlich, dass der US-Präsident die Wahl aus taktischen Gründen verzögert.

Die Demokratin Nancy Pelosi ist nicht gerade Donald Trumps beste FreundinBild: Reuters/Y. Gripas

Es könnte aber sein, dass bei ihr andere Bilder zu sehen sein werden, als die vertrauten Schlangen vor den Wahllokalen. "Die Abstimmung komplett als Briefwahl abzuhalten, wäre machbar", sagt Coleman. "Aber wir müssten jetzt anfangen, das vorzubereiten."

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker