Trotz drastischer Schutzmaßnahmen breitet sich die COVID-19-Epidemie in Italien aus. Ein deutscher Urlauber, der aus dem Risikogebiet Lombardei zurückgekehrt ist, hat nun die Behörden in Köln in Alarmstimmung versetzt.
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In einem Krankenhaus in Köln wird seit Montag ein Mann in Quarantäne behandelt, der sich möglicherweise infiziert hat. Der Patient klagt aktuell über Fieber, wie die Behörden der Stadt mitteilten. Er war vor kurzem aus der Lombardei in die nordrhein-westfälische Stadt zurückgekehrt. Der Mann war vom Rettungsdienst der Feuerwehr zunächst an eine medizinische Notfallpraxis verwiesen worden, da den zuständigen Stellen nicht bekannt gewesen sei, dass die Lombardei vom Robert Koch-Institut (RKI) als COVID-19-Risikogebiet ausgewiesen ist, hieß es weiter. Bislang sind in Deutschland 16 laborbestätigte Fälle bekannt.
In Italien ist die Lombardei von der neuen Lungenkrankheit am stärksten betroffen. Im Norden des Landes stieg die Zahl der Todesopfer auf sieben, wie Zivilschutzchef Angelo Borrelli am Montagabend bekanntgab. Das Todesopfer ist ein 62-jähriger Mann aus dem Ort Castiglione d'Adda südlich von Mailand, der laut Medienberichten schon vor seiner Ansteckung mit dem Coronavirus an mehreren chronischen Krankheiten litt. Die Zahl der Infizierten erhöhte sich auf 229. Einen Tag zuvor hatten die Italiener noch von rund 150 bestätigten Fällen gesprochen. Damit ist Italien mit Abstand das Land mit den meisten erfassten Fällen in Europa.
Die Regierung in Rom ergriff wegen der neuartigen Lungenkrankheit drastische Maßnahmen. Inzwischen sind elf Ortschaften, zehn in der Lombardei und eine in Venetien, abgeriegelt. Nach dem Karneval in Venedig wurde auch Fußballspiele und andere Großveranstaltungen abgesagt. Schulen und Universitäten in allen betroffenen Regionen bleiben vorerst geschlossen. In Mailand, der Hauptstadt der Lombardei, sind auch die bekannte Scala und der Dom zu.
"Corona ist als Epidemie in Europa angekommen"
Italiens Gesundheitsminister Roberto Speranza berief für diesen Dienstag in Rom ein Krisentreffen mit seinen Kollegen aus den Nachbarländern ein. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte seine Teilnahme zu. Der CDU-Politiker sprach angesichts der Entwicklung in Italien von einer geänderten Einschätzung der Lage. Infektionsketten seien nicht mehr nachzuvollziehen. "Corona ist als Epidemie in Europa angekommen", sagte er vor Journalisten in Berlin.
Spahn erklärte, die derzeitige Taktik der Behörden, jeden einzelnen Infizierten und alle seine Kontaktpersonen zu isolieren, sei bei einer weiteren Ausbreitung des Virus wohl nicht mehr möglich. Auf die Frage, ob auch ganze Städte abgeriegelt werden könnten, meinte er, theoretisch sei vieles denkbar. "Von der Absage von Großveranstaltungen (...) bis zum kompletten Abriegeln ganzer Städte gibt es ja auch noch viele Zwischenstufen."
Das Auswärtige Amt in Berlin empfiehlt allen Italien-Reisenden, die Nachrichten zu verfolgen und sich in der Krisenvorsorgeliste der Behörde einzutragen.
WHO zutiefst besorgt
WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus bezeichnete die plötzliche Zunahme der Infektionsfälle in Italien, Südkorea und dem Iran als "zutiefst besorgniserregend". Er wies zugleich darauf hin, dass in China, wo die Viruserkrankung als erstes registriert worden war, die Zahl der Neuansteckungen kontinuierlich zurückgeht. Die Zahl der Toten stieg in er Volksrepublik offiziell auf 2663, es gibt rund 77.000 Infektionen.
In Südkorea, dem größten Infektionsherd außerhalb Chinas, gibt es mittlerweile mehr als 893 Infizierte. Die Gesundheitsbehörden meldeten im Verlauf des Montags 231 neue Fälle - der bisher stärkste Anstieg an einem Tag. Im Iran erhöhte sich die Zahl der Todesopfer nach offiziellen Angaben von acht auf zwölf - das ist angesichts von nur 64 Infizierten eine extrem hohe Sterblichkeitsrate.
se/cw (afp, dpa, epd)
Coronavirus: Quarantäne in Norditalien
Nun hat auch Europa sein Wuhan: Die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus in Norditalien stiegen zuletzt so rasant an, dass dort elf Orte abgeriegelt wurden. Die Angst vor einer weiteren Ausbreitung wächst.
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Die Zufahrten sind dicht
Insgesamt 52.000 Einwohner wurden in elf Städten und Gemeinden in Norditalien isoliert. Wer in die abgeriegelten Gebiete rein oder aus ihnen raus will, braucht eine Sondergenehmigung. Diese Einsatzkräfte stehen am Ortsrand von Castiglione D'Adda. Wer versucht, die Sperre zu umgehen, dem droht eine "strafrechtliche Verfolgung".
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Menschenleere Straßen
Alle Kneipen und Läden im Zentrum der 15.000-Einwohner-Stadt Codogno sind dicht, nur wenige Menschen gehen raus. Noch immer ist unklar, wer das Virus nach Norditalien eingeschleppt hat. Italiens Regierungschefs Giuseppe Conte zufolge gilt die Quarantäne vorerst zwei Wochen lang. Das entspricht der vermuteten Inkubationszeit für die Lungenkrankheit COVID-19, die von dem Erreger ausgelöst wird.
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Rasante Entwicklung
Bis Mittwoch waren italienweit nur drei Infektionen bekannt. Am Donnerstag wurde bei einem schwer erkrankten 38-Jährigen in einer Klinik in Codogno das Virus nachgewiesen, dann bei immer mehr Menschen in seinem Umkreis. Auch seine Eltern kamen unter Beobachtung (Foto). Der "Patient Null" ist dieser Mann jedoch nicht. Am Sonntag wurden in der Region mehr als 130 Infizierte gezählt, drei starben.
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Hamsterkäufe unter Quarantäne
Schlangestehen vor einem Supermarkt im abgeriegelten Ort Casalpusterlengo. Die Kunden werden nur in Gruppen zu 40 Personen eingelassen. "Jeder kommt dran, wir wollen nur Chaos vermeiden und für ausreichenden Schutz sorgen", versucht ein Supermarktmitarbeiter zu beruhigen. Nicht alle Kunden haben dafür Verständnis.
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Alles weg
Auch in den nahe gelegenen Großstädten in Norditalien wächst die Angst vor der Ansteckung mit dem Coronavirus. Gel zur Desinfektion und Gesichtsmasken sind in dieser Apotheke in Turin ausverkauft, wie das Schild am Eingang verrät. Dünne Masken, wie sie in OP-Sälen verwendet werden, bieten gegen Viren aber ohnehin nur einen begrenzten Schutz und müssen regelmäßig gewechselt werden.
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Doppelt maskiert
Diesen Maskierten ist die Enttäuschung quasi an den Augen abzulesen: Der berühmte Karneval in Venedig wird abgebrochen, da nützt auch der zusätzliche Mundschutz nichts. Das Fest hat eine jahrhundertealte Tradition und ist ein Touristenmagnet. International bekannt sind die opulenten Kostüme und fantasievollen Masken. Normalerweise hätte Venedig noch bis Dienstag Karneval gefeiert.
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Catwalk trotz Corona
Nur 60 Kilometer ist Mailand vom stark betroffenen Codogno entfernt. Schon seit Dienstag läuft hier die berühmte Modewoche. Das Modehaus Giorgio Armani präsentierte angesichts der Verbreitung des Corona-Virus die neuesten Modelle in einem leeren Theatersaal, die Schau wurde im Internet übertragen. Für Mitarbeiter gab es Gesichtsmasken. Andere Modeschauen fanden wie geplant statt.
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Stadion geschlossen
Während die Modehäuser selbst über ihre Schauen entscheiden konnten, wurden alle Sportveranstaltungen in den Regionen Lombardei und Venetien bis mindestens zum 1. März abgesagt. Damit wollen die italienischen Behörden eine noch weitere Verbreitung des Virus eindämmen. Betroffen ist auch das Erstliga-Fußballspiel Inter Mailand gegen Sampdoria Genua.