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Politik

Wann ist die Corona-Pandemie vorbei?

20. Mai 2021

Viele Menschen sehnen sich nach Konzertbesuchen, vollen Bars - und einem Leben ohne Maske, Schnelltest und Angst vor Ansteckung. Doch wann wird die Corona-Pandemie beendet sein?

Gäste prosten sich in einer Kneipe in Hamburg zu
Zusammen trinken wie vor Corona: Viele Menschen vermissen das gemeinschaftliche Beisammensein Bild: picture alliance/dpa/S. Schuldt

Die Corona-Pandemie zeigt gerade zwei Gesichter: Neuseeland macht bereits vor, wonach sich viele noch sehnen - und erlaubt seinen Einwohnern ein normales Leben. Und nicht nur das: Bilder von einem Rockkonzert in der Hauptstadt Wellington gehen um die Welt. Zehntausende Menschen stehen dicht gedrängt zusammen und grölen ihre Lieblings-Hits - ohne Maske, ohne Sicherheitsabstand. 

Auf der anderen Seite zeigt sich in Ländern wie Indien, wie zerstörerisch das Virus noch immer wütet. Das Gesundheitssystem ist unter der zweiten Welle zusammengebrochen, es gibt zu wenig Sauerstoff, Leichen treiben im Fluss Ganges. Die Zahl der Corona-Toten hat am Mittwoch (19.5.) den Höchststand erreicht - etwa 4500 Menschen starben an COVID-19. Kein anderes Land hat laut Johns-Hopkins-Universität so viele Corona-Tote an einem Tag gemeldet, die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen.

Experten machen Hoffnung - nicht nur in Deutschland

Schon seit rund einem Jahr wird darüber diskutiert, wann die Pandemie vorbei sein könnte. Die Antworten darauf waren bislang vage bis ernüchternd, doch das hat sich geändert: Nicht zuletzt, seit führende deutsche Virologen und Gesundheitsexperten von einem "guten Sommer" sprechen, wird bei vielen Menschen die Hoffnung auf ein Ende der Pandemie geweckt. Die bundesweite Sieben-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner sinkt laut RKI unter 100, die Zahl der verabreichten Impfungen steigt täglich. Ist das Ende schon in Sicht?

US-Mediziner Anthony Fauci: "Aus dem Stadium der Pandemie rauskommen" Bild: Mandel Ngan/AFP/Getty Images

Auch in den USA zeigen sich Experten optimistisch. So erklärte Epidemiologe Justin Lessler von der Johns-Hopkins-Universität gegenüber der Washington Post, dass es so aussehe, als würde die "Impfung gewinnen", auch wenn es keinen "Endtag" für die Pandemie geben werde. Virologe Anthony S. Fauci, der auch das Weiße Haus berät, gibt sich gegenüber der Washington Post ebenfalls zuversichtlich: "COVID-19 als Pandemie wird enden." Wenn es gelänge bis zum Herbst etwa 70 Prozent der Menschen in den USA zu impfen, werde man "aus dem Stadium der Epidemie herauskommen und in das Stadium der Kontrolle eintreten."

Doch auch wenn diese Worte zumindest in vielen westlichen Ländern zuversichtlich stimmen: Ganz so einfach ist es nicht. Denn wann und ob diese Pandemie beendet sein wird, hängt von vielen Faktoren ab - von denen sich manche auch nur schwer beeinflussen lassen.

Die nötige Herdenimmunität verschiebt sich - nach oben

Wissenschaftler hatten zunächst davon gesprochen, dass etwa 60 bis 70 Prozent der Menschen immun sein müssen, um eine sogenannte Herdenimmunität zu erreichen. Wenn rund 66 Prozent wegen durchgemachter Krankheit oder Impfung immun sind, sinkt der R-Wert gesehen unter 1, so die damalige Annahme. Ein Infizierter würde dann statistisch gesehen weniger als einen Menschen anstecken, die Pandemie deshalb auslaufen.

Inzwischen geht man aber davon aus, dass das Coronavirus etwas ansteckender ist als zunächst angenommen. Wissenschaftler glauben deshalb mehrheitlich, dass sich rund 80 Prozent der Menschen impfen lassen müssen, damit die Pandemie zum Erliegen kommt. In manchen Situationen - wie der wegen zahlreicher Ansteckungen berühmt gewordenen Karnevalssitzung im nordrhein-westfälischen Heinsberg - müsste die Herdenimmunität dagegen noch größer sein, um gegen Enge, Geschunkel und Mitgesinge eine Chance zu haben, glaubt die deutsche Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim .

Die Mutanten kommen

Die neuen Varianten des Coronavirus aus Großbritannien, Südafrika, Brasilien und Indien sorgen zusätzlich für Unsicherheiten, da Wissenschaftler davon ausgehen, dass sie sich um mindestens 30 Prozent schneller verbreiten als die ursprünglishce Variante. Fast 90 Prozent der Menschen müssten sich impfen lassen, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Zudem könnte auch die Wirksamkeit der Impfungen herabgesetzt sein, besonders bei der Variante aus Südafrika. Die Vektorimpfstoffe, wie der von AstraZeneca, zeigten hierbei nur noch eine Wirksamkeit von 10 bis 57 Prozent, andere Vakzine wie zum Beispiel der mRNA-Impfstoff von Biontech schnitten etwas besser ab.

Inwieweit eine Impfung zudem gegen eine Weiterübertragung hilft, ist noch nicht abschließend geklärt. Bislang zeigen die Ergebnisse der Hersteller, dass die Ansteckung über Geimpfte zwischen 67 und 94 Prozent niedriger liegt - je nach Impfstoff.

Die Impfquote steigt, doch wie lange noch?

Die Impfquoten in vielen Ländern steigen tagtäglich, in Deutschland wurden laut der Datenplattform "Our World in Data" rund 37 Impfungen pro hundert Einwohnern verabreicht. In Israel - einem der Spitzenreiterländer- sind es bereits über 60 Impfungen.

Doch inwieweit eine Impfquote von rund 80 Prozent in den kommenden Monaten erreicht werden kann, ist fraglich. Das Problem: Selbst wenn genügend Impfstoff vorhanden ist, wird es immer Menschen geben, die sich nicht impfen lassen können. Dazu gehören zum Beispiel Menschen, bei denen eine Impfung derzeit nicht generell von der WHO empfohlen wird, wie zum Beispiel Schwangeren, Kindern oder Menschen, die auf eine Impfung mutmaßlich allergisch reagieren würden. 

Nicht alle wollen geimpft werden

In den USA zeigt sich, dass eine Impfkampagne auch ins Stocken geraten kann, der Anteil der täglichen verabreichten Vakzine geht seit etwa Mitte April wieder zurück. Rund acht Prozent der Geimpften erschienen nicht zum zweiten Impftermin. Einige Bundesstaaten locken deshalb schon mit Belohnungen, wie zum Beispiel der Teilnahme an Lotterien, freiem Eintritt in Museen oder Snacks und Freigetränke. Auch in Israel wächst die Zahl der Geimpften seit März nur noch sehr langsam .

Diese 16-Jährige lässt sich in den USA impfen - andere US-Amerikaner lehnen das Vakzin ab Bild: Paul Bersebach/Orange County/ZUMA/picture alliance

Auch in Deutschland könnte es zu einer Stagnation kommen. Laut der Covimo-Studie des Robert-Koch-Instituts hängt die Bereitschaft sich impfen zu lassen, auch von dem Impfstoff ab, der zur Verfügung steht. So war die Zustimmung bei einem mRNA-Impfstoff wie der von BioNTech-Pfizer und Moderna deutlich höher als bei dem Impfstoff von AstraZeneca. Und - je älter, desto eher würden sich die Menschen impfen lassen. Dies könnte bedeuten, dass in den jüngeren Bevölkerungsgruppen die Impfbereitschaft geringer ausfallen wird und die Impfquote stagniert.

Hinzu kommt, dass die Impfung möglicherweise aufgefrischt werden muss. Der SPD-Gesundheitspolitiker und Mediziner Karl Lauterbach rechnet damit, dass die Immunität nach einer Corona-Schutzimpfung rund sechs Monate hält.

Nach der Pandemie ist vor der Endemie

Trotz aller Hiobsbotschaften: Experten geben trotzdem eine Art Entwarnung und vermuten, dass das Virus endemisch wird. Das heißt, es wird sich in die Reihe der saisonalen Erkältungsviren einreihen und vermutlich zu einer Kinderkrankheit werden, sofern Kinder weiterhin nicht geimpft werden. Bis es soweit ist, muss man aber wohl noch etwas gedulden: Charité-Virologe Christian Drosten vermutet, dass dies erst in rund eineinhalb Jahren der Fall sein wird.

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