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Christian Drostens Vorschlag für den Herbst

4. September 2020

Der Virologe hat eine Idee geäußert, wie sich Deutschland in der Corona-Pandemie ohne einen weiteren Lockdown durch den Herbst manövrieren ließe. Viele Missverständnisse waren die Folge. Was schlägt der Drosten also vor?

Deutschland Berlin Christian Drosten - Direktor Institut für Virologie der Charité
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Niemand in Deutschland hat Lust auf einen erneuten Lockdown - weder auf einen nationalen, noch auf einen lokalen. Doch was, wenn die Zahl derer, die sich mit SARS-CoV-2 infizieren, im Herbst und Winter wieder steigt? 

Christian Drosten, Direktor der Virologie an der Berliner Charité möchte auch keinen Lockdown. In einem Gastbeitrag für die ZEIT und in der Folge 54 des NDR-Podcast "Das Coronavirus-Update" stellt er deshalb ein Gedankenexperiment an, wie das Land um erneute Ausgangs- und Reisebeschränkungen herum kommen könnte.

Drostens Vorschlag zielt auf den Notfall ab und nicht darauf, die jetzige Strategie grundsätzlich zu verändern. Wie kann ein Notfallplan aussehen, wenn die Neuinfektionen im Herbst wieder steigen? Wie könnten sich komplette Schulschließungen vermeiden lassen? Wir fassen die wichtigsten Punkte des Vorschlags von Christian Drosten noch einmal zusammen. 

"War ich heute in einer Cluster-Situation?"

Drosten plädiert dafür, bei der Nachverfolgung der Infektionen stärker auf das Quell-Cluster zu fokussieren. Cluster sind für die exponentielle Verbreitung des Virus wesentlich entscheidender als Einzelinfektionen. Als Cluster kann jede soziale Situation bezeichnet werden, bei der mehrere Menschen miteinander interagieren.

Ob Familienfest, Vereinsfeier, Karneval oder Klassenfahrt - es seien diese Gruppierungen, in denen die Infektion lange unbemerkt bliebe und sich innerhalb eines solchen Clusters verbreiten könne. Ein Infizierter, der mit Symptomen zum Arzt geht, sollte deshalb explizit nach solchen Cluster-Momenten in der vorangegangenen Woche befragt werden, schlägt Drosten vor. 

Am besten anhand einer Liste, die ein paar typische Freizeit-Situationen aufzählt. Die Idee kommt aus Japan, erzählt Drosten. Dort sei das Infektionsgeschehen unter anderem aufgrund dieser Methode gut in Schach gehalten worden. "Alle könnten beim Führen eines Cluster-Kontakt-Tagebuchs mitmachen", sagt Drosten im Podcast. Er selbst führe so ein Buch bereits.

Isolierung oder Quarantäne?

"Wenn so ein Quell-Cluster erkannt ist, dann muss das sofort zu Hause isoliert werden. Jeder einzelne von denen muss zu Hause bleiben", sagt der Virologe weiter. Die Auswirkungen könnten so auf eine bestimmte Gruppe Menschen begrenzt werden.

"Die japanische Strategie könnte helfen, die Schulen länger offen zu halten, indem Cluster in Klassen gestoppt werden, bevor ganze Schulen geschlossen werden müssen", schreibt der Virologe in der ZEIT.

Wenn ein ganzes Cluster zu Hause bleiben muss, dann sei dies eine "Mischung aus Isolierung und Quarantäne", die Drosten als "Abklingzeit für dieses Cluster" bezeichnet. Und die soll fünf Tage dauern.

Wieso fünf Tage?

"Die infektiöse Zeit beginnt zwei Tage vor Symptombeginn und endet, realistisch betrachtet vier, fünf Tage nach Symptombeginn." Drosten ist sich bewusst, dass er mit diesem Vorschlag bis an die "Schmerzgrenze der Epidemiologie" geht.

Zum Arzt geht aber meist nur, wer spürt, dass er krank ist. "Meist sind also vier oder mehr Tage vergangen, seit der Patient die ersten Symptome verspürte. Zu diesem Zeitpunkt ist er aber kaum noch infektiös", schreibt Drosten. "Schaut man sich neuere Daten zur Ausscheidung des Virus an, reicht eine Isolierung der Clustermitglieder von fünf Tagen."

Zur Erinnerung: Es geht um ein fiktives Szenario, bei dem das Infektionsgeschehen derart befeuert ist, dass sowohl Zeit als auch Kapazitäten knapp sind. Kapazitäten, das sind nicht nur Labor- und Testkapazitäten. Es geht Drosten auch darum, einen ökonomisch und gesellschaftlich verträglichen und akzeptablen Plan aufzustellen. Auch deshalb die fünf Tage.

Getestet wird am Schluss

Erst am Ende der fünftägigen "Abklingzeit" soll ein Test gemacht werden. Dabei sei nicht so wichtig, ob eine Infektion vorliegt oder vorgelegen hat, sondern, ob die Person noch infektiös, also ansteckend, ist oder nicht.

Zur Klärung dieser Frage könnten Antigentests beitragen, die allerdings entweder noch nicht zugelassen sind oder noch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Drosten hofft vorsichtig optimistisch, dass sich das im Dezember ändern könnte. 

Im Gegensatz zum PCR-Test, dessen Auswertung im Labor einiges an Zeit in Anspruch nimmt, funktioniert der Antigentest wie ein Schwangerschaftstest - er geht also wesentlich schneller. Allerdings sei der Test weniger sensitiv als der PCR-Nachweis, sodass sich das Virus vor allem in der Frühphase nur mit einem solchen PCR-Test nachweisen ließe. 

Wer aber nach fünf Tagen einen negativen Antigentest vorweisen kann, könnte als nicht mehr infektiös aus der häuslichen Abklingzeit entlassen werden. Christian Drosten selbst hofft, dass diese Gesamtstrategie nie angewandt werden muss, "weil wir gar keine zweite Welle kriegen. Schön wäre es."

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