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Corona: Der Kampf mit den Langzeitfolgen

Janina Semenova
25. Oktober 2020

Kopfschmerzen, Atemnot und Erschöpfung: Selbst Monate nach einer Infektion leiden einige Patienten unter den Corona-Folgen. Auch Valerie Giesen kämpft noch immer mit großen gesundheitlichen Problemen.

Valerie Giesen COVID-19-Langzeitfolgen
Bild: Janina Semenova/DW

Genesen, aber nicht gesund

02:44

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Valerie Giesen keucht und lässt sich auf eine Bank fallen. Die 29-Jährige ist zu Fuß die Straße entlanggelaufen. Nicht gerannt, fast schon geschlurft. "Das war heute wahrscheinlich die größte Anstrengung", sagt sie. Ihr Herz schlägt schneller, ihre Atemzüge werden plötzlich hörbar.

Vor acht Monaten noch wären diese paar hundert Meter überhaupt nicht der Rede wert gewesen. Da ging sie zwei bis drei Mal die Woche zum Tanzen, mal zum Klettern und ins Schwimmbad. Valerie Giesen verkörpert das, was viele Mediziner mittlerweile als "offiziell genesen, aber nicht gesund" bezeichnen. Ihre Coronavirus-Infektion hat sie vor mehr als einem halben Jahr überstanden, fit ist sie aber nicht.

Noch nie so krank gefühlt

Ende März wurde Giesen krank: "Mein Herz hat ganz schnell geschlagen und ich hatte so einen Druck auf der Brust. Ich hab mich noch nie so krank gefühlt." Knapp zwei Wochen lang verbrachte sie nur im Bett: völlige Erschöpfung, Schmerzen in der Lunge. Selbst der Gang zur Toilette war eine Qual: "Ich musste mich davor ganz lange ausruhen."

Im Sommer war Valerie Giesen noch auf einer Radtour von Kopenhagen nach BerlinBild: Valerie Giesen

Getestet wurde sie damals nicht, da die Kapazitäten nicht ausreichten. "Das war diese erste Welle in Dänemark, da hatte ich sogar Angst, ins Krankenhaus zu gehen." Ein Test im Juni bestätigte dann: Giesen hat Antikörper gegen SARS-CoV-2.

Die deutsche Anthropologin lebt und arbeitet eigentlich in Kopenhagen, Dänemark. Nach der Coronavirus-Infektion ging es ihr wieder gut. "Das war mein Sommerurlaub in diesem Jahr", erzählt Giesen und zeigt auf ihrem Laptop Fotos von einer Radtour: Mehr als 400 Kilometer mit dem Fahrrad von Kopenhagen in die alte Heimat Berlin. Alles war wieder gut - dachte Valerie Giesen zumindest damals.

"Ende August ging es dann los", berichtet die 29-Jährige. Eigentlich sollte sie zu einer Feldforschung aufbrechen, doch dann kam der Rückfall: dauerhafte Erschöpfung, Druck auf der Lunge, Schwierigkeiten beim Einatmen. "Ich konnte meinen Kopf kaum heben. Das war so eine Schwere, die ich dauerhaft gespürt habe." Ihre Mitbewohnerinnen haben sie in der Zeit unterstützt - die Einkäufe erledigt oder gekocht. Doch es sei für sie schwer zu ertragen gewesen, so von jemandem abhängig zu sein.

Seit rund acht Wochen kämpft sie bereits mit diesen Symptomen. Mittlerweile ist sie vorübergehend zurück in Berlin bei ihren Eltern. "In Dänemark bin ich verzweifelt." Giesens Hausarzt in Kopenhagen konnte ihr nicht weiterhelfen. Mittlerweile ist es schon etwas besser, erzählt sie optimistisch: "Ich kann aufrecht sitzen und sprechen - auch länger als zwei, drei Sätze."

Vorläufige Diagnose: "Post-COVID Fatigue"

In Berlin war sie mittlerweile für mehrere Tests im Krankenhaus. Eine Untersuchung ihres Herzens zeigte keine besonderen Auffälligkeiten, auch ein Lungenfunktionstest nicht. Die bisherige Diagnose: "Post-COVID Fatigue Syndrom". Anfänglichen medizinischen Erkenntnissen zufolge fallen darunter eine Fatigue - ein dauerhafter Erschöpfungszustand - sowie ein anhaltendes Infektionsgefühl oder auch Konzentrationsstörungen.

Mehrmals am Tag muss die 29-Jährige sich zum Ausruhen hinlegenBild: Janina Semenova/DW

Erste kleine Studien - zum Beispiel aus Italien und Irland - haben gezeigt, dass ein Großteil der COVID-19-Patienten mehrere Wochen nach ihrer offiziellen Genesung noch mit Erschöpfung und Atemnot zu kämpfen hat. Klare Erkenntnisse über die Langzeitfolgen einer Coronavirus-Infektion hat die Wissenschaft aber noch nicht. Dafür ist es noch zu früh.

Doch auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet, dass Symptome über Monate hinweg anhalten oder sogar wiederkommen können - selbst wenn die Erkrankten keinen schweren COVID-19-Verlauf hatten. Das gilt auch für junge Menschen wie Valerie Giesen, die keiner Risikogruppe angehören. Jetzt aber trägt sie Stützstrümpfe und macht mehrmals am Tag Mittagsschlaf. Ihre Energie eines Tages könne man sich wie eine Badewanne voller Wasser vorstellen, erzählt sie: Mit jeder noch so kleinen Aktivität wird Wasser herausgelassen. Das Ausruhen ist der Stöpsel, der Wasser spart. Und irgendwann ist das Wasser weg - ihre Energie aufgebraucht.

Tipps aus der Online-Selbsthilfegruppe

In einer Schüssel in der Küche bewahrt Giesen verschiedene Vitamine und Kurkuma-Tee auf. Daneben liegt viel frisches Obst und Gemüse. Sie achtet momentan auf ihre Ernährung - entzündungshemmend soll sie sein. Es ist der Versuch, die eigene Lage selbst in die Hand zu nehmen, weil die Medizin noch viel zu wenig über den Zustand weiß. Die Tipps dafür hat sie aus einer Online-Selbsthilfegruppe, die von "Body Politic"-Aktivistinnen in den USA gegründet wurde.

Individuelles Verhalten wichtig

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Mehrere Tausend Mitglieder tauschen sich auf dem Instant-Messaging-Dienst Slack über ihre COVID-19-Langzeitfolgen aus. Sogar eine eigene Umfrage unter ihren Mitgliedern hat die Gruppe bereits im Mai veröffentlicht. In die Chats schaut Giesen jeden Tag - "ein tröstliches Abendritual. Ich fühle mich dann weniger alleine."

Auch sie selbst konnte andere schon aufmuntern. Denn Valerie Giesen ist trotz allem optimistisch: Immerhin geht es ihr jeden Tag ein kleines bisschen besser. Sie hofft, dass durch ihre Geschichte mehr Menschen begreifen, was das Coronavirus anrichten kann.

Janina Semenova DW-Korrespondentin in Riga@janinasem
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