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PolitikAfrika

So läuft die Impfkampagne in Afrika

Antonio Cascais
17. April 2021

Seit Wochen impfen afrikanische Länder ihre Bevölkerungen gegen COVID-19. Doch es geht nur langsam voran: Lieferschwierigkeiten, Verwirrungen um die Impfreihenfolge und Diskussionen um Nebenwirkungen bereiten Probleme.

Gesundheitspersonal zieht Serum auf eine Spritze auf
Impfen in Uganda: Am 10. März ging es mit der Kampagne in dem ostafrikanischen Land losBild: Luke Dray/Getty Images

Laut der Gesundheitsbehörde der Afrikanischen Union, Africa CDC, werden die über die COVAX-Initiative gelieferten Impfstoffe nicht ausreichen, um die Pandemie in Afrika zu beenden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO - Mitinitiatorin von COVAX - gibt an, dass bisher weniger als zwei Prozent aller Corona-Impfungen weltweit in Afrika verabreicht wurden.

Lieferengpässe und Impfnationalismus in den reichen Ländern sind ein Problem, aber nicht das einzige: Mangelnde Effizienz und Probleme bei der Priorisierung von Bevölkerungsgruppen und einzelnen Regionen in Afrika spielen ebenfalls eine Rolle. "Dazu kommen Akzeptanzprobleme durch Berichte über Nebenwirkungen, aber auch durch Desinformationskampagnen im Internet", sagt Catherine Kyobutungi, Direktorin des APHRC, also des "African Population and Health Research Center", einer der führenden Forschungseinrichtungen Afrikas zum Thema Gesundheit der afrikanischen Bevölkerung, mit Sitz in Nairobi.

Welche Länder impfen viel, welche wenig?

Afrika bleibe generell hinter den Erwartungen zurück, sagt Kyobutungi. Das sei enttäuschend, aber nicht überraschend. "Da gibt es die Länder, die weiter sind als der Durchschnitt und inzwischen über zwei Prozent ihrer Bevölkerungen geimpft haben: Ruanda, Senegal und Ghana gehören dazu. Dann gibt es die Gruppe von Ländern, die zwar langsam gestartet sind, sich aber gesteigert haben und jetzt bei einer Impfquote von etwa einem Prozent liegen, zum Beispiel Kenia. Und dann gibt es eine dritte Gruppe, zu der Uganda und Nigeria gehören, wo die Impfquote immer noch unter 0,5 Prozent liegt."

Jedes Land habe mit eigenen Problemen zu kämpfen, erläutert die Epidemiologin. Das Hauptproblem sei aber, dass der globale Zugang armer Länder zu Impfstoffen immer noch schlecht sei. "Kenia beispielsweise konnte bisher nur circa eine Million Dosen Serum ergattern, ursprünglich sollten es zu diesem Zeitpunkt 1,5 Millionen sein". Das sei nicht einmal genug, um die priorisierten Gruppen wie Gesundheitspersonal und Lehrer zu impfen.

Dazu kämen Probleme bei der Verteilung des Serums, so Kyobutungi: "Kenia hat versucht, seine Impfdosen gerecht auf alle Regionen des Landes zu verteilen, das ist aber schiefgelaufen, da es ein großes Gefälle zwischen ländlichen Gebieten und den Städten gibt, was Organisations- und Infrastrukturen angeht." Während auf dem Land viele Impfdosen liegengeblieben seien, seien in der Hauptstadt Nairobi viele Menschen, die sich impfen lassen wollten, abgewiesen worden. In der Hauptstadt sei die Akzeptanz für die Impfung viel höher als auf dem Land, aber es gebe bei Weitem nicht genug Impfstoffe.

In Kenia ist der AstraZeneca-Impfstoff ein kostbares Gut, der Bedarf nicht annähernd gedecktBild: Monicah Mwangi/REUTERS

In Ruanda habe man frühzeitig das Problem erkannt und, anders als in Kenia, zunächst auf die Ballungszentren fokussiert: "Außerhalb von Kigali konzentrierte sich die ruandische Impfkampagne vornehmlich auf das medizinische Personal. In Kigali wurden aber inzwischen Gefangene, Uber-Fahrer, Motorrad-Taxifahrer, Menschen, die auf Märkten arbeiten, sowie Ältere geimpft." Mit dieser Taktik sei es gelungen, nahezu alle verfügbaren Dosen in kurzer Zeit zu nutzen.

Woher kommt der Impfstoff für Afrika? 

AstraZeneca ist nach wie vor der meistverwendete Impfstoff in Afrika. Das liegt zum einen am relativ günstigen Preis und zum anderen an der - im Vergleich zu anderen Präparaten - einfacheren Lagerung, da er nicht auf so niedrige Temperaturen heruntergekühlt werden muss. Berichte über Nebenwirkungen sorgen auch in Afrika für Diskussionen. Doch die meisten Länder haben inzwischen beschlossen, dem Rat der WHO zu folgen und den Impfstoff trotz der seltenen Sinusvenenthrombosen zu verimpfen. So auch das bevölkerungsstarke Nigeria: Es habe bisher keine Todesfälle oder Thrombosen aufgrund der Impfungen gegeben, sagte Faisal Shuaib, Direktor des Nationalen Gesundheitsdienstes von Nigeria, am Freitag.

Simbabwe begann schon im Februar, den chinesischen Impfstoff Sinopharm zu verimpfenBild: Jekesai Njikizana/AFP/Getty Images

Einen Sonderfall bildet Südafrika, wo ein kompletter Stopp der AstraZeneca-Impfungen beschlossen wurde - nicht wegen der Nebenwirkungen, sondern weil es Hinweise gab, dass AstraZeneca nicht gut gegen die südafrikanische Virus-Variante wirkt. Als Alternative galt zunächst der Impfstoff von Johnson & Johnson, doch der wird nun vorerst auch nicht mehr verimpft, nachdem Fälle von Sinusvenenthrombosen in den USA bekannt geworden sind. Damit ist die Impfkampagne in Südafrika komplett lahmgelegt.

Die Corona-Impfstoffe erreichen Afrika auf unterschiedlichen Wegen und dank unterschiedlicher Initiativen - etwa COVAX (Covid-19 Vaccines Global Access), einer Initiative, die einen weltweit gleichmäßigen und gerechten Zugang zu COVID-19-Impfstoffen gewährleisten will. Nebenbei bemühen sich auch die Afrikanische Union und individuelle Regierungen um Impfstoffe. Außerdem haben europäische Länder, China, Russland oder Indien bilateral Impfstoff an afrikanische Länder gespendet.

Auch im westafrikanischen Mali wird gegen Corona geimpft - seit dem 31. MärzBild: Annie Risemberg/AFP/Getty Images

Ist es problematisch, dass die Beschaffung der Impfstoffe durch so viele unterschiedliche Instanzen erfolgt? Epidemiologin Kyobutungi sieht das nicht so: "Wenn die Impfstoffe in ein afrikanisches Land kommen, werden sie normalerweise zentral gelagert und auch zentral verteilt. Da ist die Quelle unerheblich." Senegal zum Beispiel habe seinen Impfstoff aus verschiedenen Quellen bekommen, zunächst chinesischen Impfstoff aus China und dann AstraZeneca aus indischer Produktion. Ruanda habe BioNTech/Pfizer und AstraZeneca gekauft und Kenia habe seine Impfstoffe durch COVAX sowie aus Spenden von der indischen Regierung bekommen.

Warnung vor "Impfnationalismus"

"Ich sehe das Problem, dass die reichen Länder beispielsweise Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson ablehnen, weil sie sich Alternativen leisten können", sagt Dr. Catherine Kyobutungi. Und diese Impfstoffe würden in Afrika landen, weil die meisten afrikanischen Länder keine andere Wahl hätten. Das werde das Misstrauen vieler in Afrika vielleicht noch erhöhen. Um dieses Szenario zu verhindern, appellierte die WHO wiederholt an alle Länder der Welt, mehr Geld für die Entwicklung eines Impfstoffs in die gemeinsame Initiative COVAX zu investieren, und warnte vor "Impfstoff-Nationalismus", also vor egoistischem Verhalten von Staaten, die im Kampf gegen eine globale Pandemie einen neuentwickelten Impfstoff vor allen anderen als erste kaufen und zuerst ihrer nationalen Bevölkerung zur Verfügung stellen.

Dr. Catherine KyobutungiBild: Miaron Billy

"Das ist ein großes Problem, vor dem Afrika steht. Die gegenwärtigen Nationalismen untergraben die COVAX-Initiative", sagt Kyobutungi. Die Lieferung der Impfdosen, die durch COVAX nach Afrika gebracht werden sollten, hinke um 20 Prozent hinterher. Es sei auf lange Sicht nicht gesund, wenn es Länder wie die USA gebe, die denken, dass sie jeden einzelnen Bürger in ihrem eigenen Land impfen müssen, bevor sie darüber nachdenken, die Impfstoffe mit anderen zu teilen.

Lässt Afrika Impfstoffe verderben?

Der Impfbedarf in afrikanischen Ländern bleibt enorm. Und doch führen die mangelnden Infrastrukturen zu einem bizarren Phänomen: Malawis Gesundheitsminister kündigte an, mehr als 16.000 Impfdosen zu zerstören. Von 102.000 Dosen, die das Land von der Afrikanischen Union bekommen habe, seien 16.400 nicht benutzt worden und am Dienstag abgelaufen, teilte Minister Charles Mwansambo mit.

"Ich befürchte, dass uns dieses Thema sehr beschäftigen wird", sagt Catherine Kyobutungi vom APHRC. "Es ist möglich, dass wir in etwa zwei Monaten hören werden, dass 200.000 Dosen abgelaufen sind, weil der Zugang - vor allem außerhalb der größten Städte - sehr schlecht ist. Es ist sehr schwierig, die bereits verteilten Impfstoffe zurückzuholen."

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