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Crack in Deutschland weiter auf dem Vormarsch

Veröffentlicht 8. März 2024Zuletzt aktualisiert 1. Juli 2024

Das rauchbare Kokain Crack breitet sich rasant aus, und auch synthetische Opioide wie Fentanyl sind längst angekommen. Billige Drogen mit tödlichen Folgen.

Mann lässt sich von einem anderen Mann Feuer geben, um seine Crackpfeife anzuzünden
Höchstes Suchtpotenzial: Schwerstabhängige rauchen bis zu 50 Crackpfeifen am Tag, hier ein Mann in BrasilienBild: Andre Penner/AP/picture alliance

Die Droge, die auch für Deutschland zunehmend zu einem Problem wird, sieht ganz harmlos aus, so wie heller Kandiszucker. Weil der Ruf so schlecht ist, heißt der Stoff nur "Weißes" oder auch "Steine". Wenn diese bei 96 Grad in einer Pfeife verdampfen, hört man knackende Geräusche und kommt spätestens dann auf den Namen: "to crackle" – Crack. Eine Mischung aus Kokain, Natron und Wasser, die spätestens nach zehn Sekunden wirkt, schneller als jede andere Droge. Die einen Euphorie-Kick verspricht und extrem abhängig macht. Und die bei exzessivem Konsum direkt in den Tod führt.

"Es gilt zunächst, das Überleben der Menschen zu sichern, denn das ist eine ganz bedrohliche Situation. Wenn man sich vorstellt, dass die Substanz so im Halbstundentakt konsumiert werden kann, dann bleibt wenig Zeit für Erholung, so gut wie keine Zeit für Nahrungsaufnahme, für Hygiene, oder für Wundversorgung", sagt Michael Harbaum der DW. "Crack ist ja letztlich rauchbares Kokain und putscht auf. Und das führt, wenn man das über Tage konsumiert, häufig auch zu psychotischen Zuständen."

Rasanter Anstieg des Crack-Konsums

Harbaum arbeitet seit 20 Jahren in der Düsseldorfer Drogenhilfe, war zunächst Leiter des Drogenkonsumraums, jetzt ist er geschäftsführender Vorstand. Der Sozialpädagoge hat schon viel gesehen auf den Straßen der 630.000-Einwohner-Stadt. Aber das, was Crack mit den Süchtigen macht, ist nochmal eine andere Dimension. 2017, so rechnet er vor, habe seine Organisation nur einige Hundert so genannte Vorgänge mit Crack im Düsseldorfer Drogenkonsumraum gezählt. Im letzten Jahr dagegen schon mehr als 31.000.

"Die größte Veränderung, die wir in den letzten Jahren hier feststellen, ist natürlich Crack" - Michael Harbaum Bild: Privat

"Wir haben einen rasanten Anstieg, entsprechend ändert sich das Verhalten, aber auch die Verelendung der Menschen, die zu uns kommen. Weil Crack eine Substanz ist, die sehr schnell sehr stark wirkt, aber auch sehr schnell wieder nachlässt, ist der Druck, schnell wieder zu konsumieren, sehr hoch", sagt Michael Harbaum. "Häufig wird die Pfeife geteilt, weil einfach zu wenig Geld da ist, und dann kauft man sich für fünf Euro ein paar Steine und jeder bekommt einen Zug."

Zahl der Drogentoten steigt kontinuierlich an

2023 starben deutschlandweit mehr als 2200 Menschen an den Folgen des Drogenkonsums, der höchste Stand der vergangenen 20 Jahre. Immer noch sind Heroin und die Langzeitfolgen des Drogenkonsums die Haupttodesursachen von Konsumenten, aber auch die Vergiftungen mit Kokain und Crack sind immens gestiegen. Auch der Suchtforscher Professor Daniel Deimel, der zusammen mit anderen Experten und Expertinnen Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Crack-Konsum entwickelt hat, gibt sich im Gespräch mit der DW alarmiert.

"Crack war immer schon, seit ungefähr 20 Jahren, ein Thema in Frankfurt am Main, Hamburg und Hannover. Seit 2016 breitet sich die Droge in Westdeutschland und in anderen Großstädten wie Berlin, aber auch im Saarland aus, weil Europa und damit auch Deutschland mit hochreinem Kokain geflutet wird", so Deimel. "Der Drogenmarkt expandiert, weil die Produktion des Kokains in Kolumbien deutlich hochgefahren wurde. Der Drogenmarkt und die Produzenten haben sich diversifiziert."

Faeser sucht Kooperation in Südamerika gegen den Drogenhandel

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser war im Februar in Brasilien, Ecuador, Kolumbien und Peru, auch um eine verstärkte polizeiliche Zusammenarbeit gegen den internationalen Drogenhandel voranzutreiben. Von Südamerika gelangt immer mehr Kokain über die Häfen von Antwerpen, Rotterdam oder Hamburg nach Europa.

Daniel Deimel macht sich keine großen Illusionen. Der Markt für Kokain sei in Deutschland da, und wegen der großen Nachfrage werde auch weiterhin im großen Stil produziert.

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"Wir leben hier in einer Hochleistungsgesellschaft. Kokain wird mittlerweile von so vielen Menschen in der Mitte der Gesellschaft verkonsumiert, was zu einer Art Normalisierung geführt hat. Das ist bei weitem nicht mehr die Droge der Reichen, der gut Betuchten und der Künstler und Medienschaffenden, was ja so ein Klischee der 1980er-, 1990er-Jahre war."

Im Gegensatz zu Heroin bei Crack kein Substitut

Als Crack konsumiert kommt Kokain dann auch in den Brennpunkten der deutschen Großstädte an. Deimel hat im vergangenen Jahr die offene Drogenszene in Köln untersucht, die Ergebnisse sind eindeutig: Fast alle Konsumenten gaben an, schon einmal Crack geraucht zu haben. Viele von ihnen sind obdachlos. Und im Zusammenhang mit dem Crack-Konsum wurde häufig von massiven psychischen Problemen bis hin zu Verfolgungswahn berichtet. Das größte Problem, so Deimel, sei das fehlende Gegenmittel:

"Ein Teufelskreis zwischen Rausch und Absturzerlebnis über Depressionen bin hin zur Suizidalität" - Daniel DeimelBild: privat

"Bei Heroin gibt es schon sehr gut entwickelte suchtmedizinische Interventionen wie die substitutionsgestützte Behandlung mit Methadon. Bei Crack gibt es aber kein Medikament, das gegen diese Abhängigkeit zugelassen und wirksam ist. Das heißt, wir brauchen an der Stelle wirklich mehr Forschung. Und eine Nothilfestelle, die auch abends geöffnet hat, mit einer 24/7-Versorgung."

Auch synthetische Opioide werden verstärkt konsumiert

In Düsseldorf konnte Michael Harbaum und sein Team suchtkranke Menschen in einer neuen Unterkunft direkt am Hauptbahnhof unterbringen, mit Sicherheitspersonal, Sozialarbeit und abschließbaren Einzelzimmern. Ein Modell, dass laut Experten dringend Schule machen sollte, denn zusammen mit Crack sind schon die nächsten höchstgefährlichen Drogen im Anmarsch: synthetische Opioide wie Fentanyl.

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Das Schmerzmittel für sterbende oder krebskranke Menschen wird Heroin beigemischt. In den USA sterben jedes Jahr etwa 10.000 Menschen an einer Überdosis von Opioiden. Die Deutsche Aids-Hilfe konnte in einem Testprojekt über ein halbes Jahr in 17 deutschen Drogenkonsumräumen nachweisen, dass schon 3,6 Prozent der abgegebenen Heroin-Proben Spuren von Fentanyl enthielten.

"Wir vermuten, dass die Zahl in den nächsten zwölf bis 18 Monaten ansteigen wird", befürchtet Daniel Deimel. "Synthetische Opioide werden auf den Markt gebracht und mit Heroin gestreckt." Das Problem sei, dass diese Substanzen dann deutlich potenter seien, sagt Deimel. "Also, die tödliche Dosis - bei Fentanyl reichen zwei Milligramm, das ist so viel wie eine Bleistiftspitze."

Umdenken in der Suchthilfe gefordert

Im vergangenen Jahr kam es in Dublin zu 54 Drogennotfällen aufgrund des synthetischen Opioids Nitazen. Im englischen Birmingham verstarben im Sommer 2023 30 Personen am Konsum von Heroin, dass synthetische Opioide enthielt. Auch die Bundesregierung ist deshalb gewarnt. 

"Auch wenn keine Zustände wie in den USA zu erwarten sind, müssen wir bei Fentanyl aufmerksam sein" - Burkhard BlienertBild: Dominik Butzmann/photothek.de

Der Beauftragte für Sucht- und Drogenfragen Burkhard Blienert fordert im Gespräch mit der DW mehr niedrigschwellige Angebote und Maßnahmen, die auch bei den Menschen ankommen: "Neben Drogenkonsumräumen sind das auch Drug-Checking, Schnelltests in Drogenkonsumräumen, niedrigschwellige Substitutionsangebote und die Nutzung des Notfallmedikaments Naloxon, das selbst medizinische Laien verabreichen können und sollten."

Wirksame und europaweit erprobte Maßnahmen seien genügend vorhanden, sie würden aber noch nicht überall angewendet, so Blienert. "Eine Debatte über das 'Ob' von Drogenkonsumräumen und Druck-Checking können wir uns angesichts der wirklich riskanten Entwicklungen bei Crack und den synthetischen Opiaten nicht mehr leisten."

Dieser Bericht wurde am 8.März 2024 veröffentlicht und am 1.Juli 2024 aktualisiert.

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