Kurz vor der WM in Katar macht Cristiano Ronaldo bei Manchester United Schlagzeilen. Aber nicht mit sportlichen Rekorden - sondern mit einer "Flucht".
Cristiano Ronaldo wird nicht glücklich bei Manchester UnitedBild: Jose Breton/NurPhoto/IMAGO
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Natürlich sorgt solch eine Aktion für großes Aufsehen. Cristiano Ronaldo ist schließlich nicht irgendwer. Seit nahezu zwei Jahrzehnten wird jeder Schritt des Superstars in der Öffentlichkeit hautnah verfolgt, jede Regung gedeutet. Wie könnte ein solch theatralischer Abgang unkommentiert bleiben? Ronaldo ging - zwei Minuten vor dem Ende des Premier-League-Spiels gegen Tottenham Hotspur (Endstand 1:0) - offenbar verärgert und beleidigt in die Kabine, dabei hätte Manchester-United-Trainer Erik ten Hag noch zweimal auswechseln können.
Dass so etwas nicht gut ankommt bei seinem Coach, seinen Mitspielern und den Fans der "Red Devils", dürfte auch dem mittlerweile 37-Jährigen in diesem Moment klar gewesen sein. Für diese "Flucht" wurde er nun von ten Hag für das nächste Liga-Spiel gegen den FC Chelsea aus dem Kader gestrichen. Gary Lineker, seit Jahren auf Twitter und im TV eine Art moralische Instanz im englischen Fußball, fand deutliche Worte. "Es tut mir leid, aber das ist nicht zu akzeptieren, das ist so armselig", sagte der ehemalige Weltklassespieler über Ronaldos Verhalten.
Schon im Sommer Abwanderungsgedanken
Es dürfte eine Mischung aus Wut, verletztem Stolz und Unverständnis gewesen sein, die Ronaldo antrieb. Denn eines steht fest: Trotz seines fortgeschrittenen Alters will der derzeit berühmteste Portugiese der Welt noch nicht an ein Karriereende denken. Aber auch er spürt wohl schon längere Zeit, dass er keine Zukunft mehr in Manchester hat. Die Rückkehr des "verlorenen Sohns" vor rund eineinhalb Jahren, den einst Sir Alex Ferguson als Teenager zu United holte und der dort seine einzigartige Welt-Karriere startete, wird in Manchester kein gutes Ende nehmen - so viel scheint nun klar zu sein.
Cristiano Ronaldo (l.) und Manchester-United-Trainer Erik ten Hag haben kein gutes Verhältnis zueinanderBild: Paul Currie/Shutterstock/IMAGO
Schon im Sommer wollte Ronaldo den Klub unbedingt verlassen, allerdings fand sich kein Abnehmer. Weder in der Premier League noch beim Bundesligisten Borussia Dortmund, der angeblich Interesse zeigte, oder anderen Champions-League-Klubs. Der Grund: sein immenses Gehalt. Ronaldo soll bei Manchester United fast 29 Millionen Euro pro Jahr verdienen. Zum Vergleich: Bundesligist FC Schalke 04 wendet derzeit etwa 28 Millionen Euro für den gesamten Kader auf. Nur sehr wenige Klubs können sich einen Ronaldo leisten. Und offenbar ist kein Sportdirektor eines europäischen Topvereins mehr der Meinung, dass Ronaldo diese enormen Summen mit Toren und Vorlagen noch zurückzahlen könnte.
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Desillusionierende Saisonbilanz
Fünfmal wurde der portugiesische Superstar Weltfußballer. Auf Vereinsebene erzielte Ronaldo rund 700 Tore, wurde fünfmal Champions-League-Sieger, sicherte sich in England, Italien und Spanien insgesamt sieben Meistertitel und wurde 2016 mit Portugal Europameisterschaft. Seine aktuelle Saisonbilanz ist jedoch desillusionierend. Unter dem Niederländer ten Hag spielte Ronaldo nur einmal über volle 90 Minuten: beim 0:4 am zweiten Spieltag beim FC Brentford. Nach zwölf Premier-League-Spieltagen hat er erst einmal getroffen, kein Tor vorbereitet. Ten Hag will sein Spielsystem nicht auf Ronaldo ausrichten, zumal der Superstar nicht mehr über die Kraftreserven zu verfügen scheint, um sowohl in der Defensive als auch in der Offensive über 90 Minuten Akzente zu setzen.
Der Trainer bestätigte, dass der Portugiese vor seinem Abgang eine Einwechslung verweigert habe - wie schon im vergangenen Sommer bei einem Testspiel von Manchester United in Spanien. "Beim zweiten Mal muss es Konsequenzen geben. So ist es geschehen", sagte ten Hag.
Ronaldo reagierte via soziale Medien auf die Verbannung aus dem Kader. "Wie ich es während meiner gesamten Karriere immer getan habe, versuche ich, respektvoll gegenüber meinen Kollegen, meinen Gegnern und meinen Trainern zu leben und zu spielen. Das hat sich nicht geändert. Ich habe mich nicht verändert", ließ Ronaldo wissen. "Ich bin dieselbe Person und derselbe Profi, der ich in den letzten 20 Jahren im Spitzenfußball war, und Respekt hat in meinem Entscheidungsprozess immer eine sehr wichtige Rolle gespielt."
Offene Fragen beim Nationalteam
Ronaldos besonderer Ehrgeiz lässt es offenbar nicht zu, dass er sich mit einer Rolle außerhalb des ganz großen Rampenlichtes abfindet. Auch bei der portugiesischen Nationalmannschaft waren zuletzt Zweifel aufgekommen, ob Ronaldo wirklich unantastbar ist. Nationaltrainer Fernando Santos muss sich bei der bevorstehenden WM im Katar die Frage stellen, ob er sein Spiel wieder auf Ronaldo ausrichten will, der weder in guter Form ist, noch über Spielpraxis verfügt.
Cristiano Ronaldo bewegt sich derzeit auf einem schmalen Grat zwischen dem Risiko, sein eigenes Denkmal zu zerstören, und einer Zukunft als weiterhin außergewöhnlicher Fußballprofi. Mit dieser Art Schwebezustand hatten schon viele ehemalige Stars bis zu ihrem endgültigen Karriereende große Probleme.
Die Top-Torjäger der Champions League
Nachdem mit Cristiano Ronaldo, Lionel Messi und Karim Benzema drei der Top-Torjäger der Champions League Europa verlassen haben, sind mit Thomas Müller und Robert Lewandowski zwei Stürmer der ewigen Top-Ten noch aktiv.
Bild: Ulrich Hufnagel/IMAGO
Zlatan Ibrahimovic - 48 Tore
Der schwedische Stürmer ist ein Wandervogel. Da überrascht es kaum, dass Zlatan Ibrahimovic seine insgesamt 48 Treffer in der Champions League für sechs verschiedene Vereine erzielt: Ajax Amsterdam (6), Juventus Turin (3), Inter Mailand (6), FC Barcelona (4), AC Mailand (9) und Paris St. Germain (20). Gewinnen kann er die Champions League aber nie.
Bild: Reuters
Andriy Shevchenko - 48 Tore
Der Ukrainer trifft - wie Ibrahimovic - in der Champions League 48-mal. Im Unterschied zum Schweden darf Shevchenko den "Henkelpott" aber einmal als Sieger in die Höhe stemmen: 2003 mit der AC Mailand. 29 Champions-League-Tore erzielt der Stürmer für Milan, 15 für Dynamo Kiew und vier für den FC Chelsea.
Bild: Sergey Dolzhenko/epa/dpa/picture-alliance
Alfredo di Stefano - 49 Tore
Elf Jahre lang spielt der argentinische Stürmer für Real Madrid. Die Champions League heißt damals noch Europapokal der Landesmeister. Fünfmal in Serie, von 1956 bis 1960, triumphieren die "Königlichen" in der Königsklasse - nicht zuletzt dank der 49 Tore Alfredo di Stefanos. Der Argentinier, der 2014 verstirbt, gehört damals zu den besten Spielern der Welt.
Bild: picture-alliance/dpa
Thierry Henry - 50 Tore
Ein halbes Hundert Treffer in der Champions League steuert der Stürmer aus Frankreich in seiner langen Karriere bei: für die AS Monaco (7), den FC Arsenal (35) und den FC Barcelona (8). Einmal - mit Barça - gewinnt der Weltmeister von 1998 auch die Trophäe. Am Stadion des FC Arsenal steht eine Bronzestatue Henrys. Der Franzose ist Rekordtorschütze der "Gunners".
Bild: augenklick/firo Sportphoto/picture alliance
Thomas Müller - 54 Tore*
Die Champions League und Thomas Müller, das scheint zu passen. Gleich bei seinem Debüt in der Königsklasse, beim 7:1 des FC Bayern gegen Sporting Lissabon im März 2009, erzielt der damals 19-Jährige den ersten seiner bislang 53 Champions-League-Treffer. Zweimal - 2013 und 2020 - gewinnt er mit den Münchenern die begehrte Trophäe. (*Stand 6. März 2024)
Bild: Andreas Gebert/REUTERS
Ruud van Nistelrooy - 56 Tore
Für drei Vereine trifft der niederländische Mittelstürmer Rutgerus Johannes Martinus van Nistelrooij, wie er eigentlich korrekt heißt, in der Champions League: erst für die PSV Eindhoven (8 Tore), dann für Manchester United (35) und schließlich auch für Real Madrid (13). Zu einem Champions-League-Titel reicht es für van Nistelrooy nicht, in drei Saisons wird er aber Torschützenkönig.
Bild: Martin Rickett/empics/picture alliance
Raúl Gonzalez Blanco - 71 Tore
Raúl ist bei Real Madrid eine Legende. Der langjährige Kapitän bestreitet für die "Königlichen" so viele Spiele wie kaum ein anderer Fußballer: allein 550 Partien in der spanischen Liga und 132 in der Champions League. Dreimal gewinnt er mit Real den Titel. Fünf seiner 71 Champions-League-Tore erzielt Raúl bei seinem zweijährigen Gastspiel für den FC Schalke 04.
Bild: Daniel Ochoa de Olza/AP/picture alliance
Karim Benzema - 90 Tore
Mit 18 Jahren gelingt dem Franzosen sein erstes Champions-League-Tor für Olympique Lyon. Von 2009 bis 2023 triumphiert Benzema mit den "Königlichen" aus Madrid fünfmal in der Königsklasse. Benzema spielt nach einem Fingerbruch im Januar 2019 stets mit Handbandage - ob aus Aberglaube oder medizinischer Notwendigkeit, bleibt Spekulation. 2023 verlässt er Europa in Richtung Saudi-Arabien.
Bild: Pierre-Philippe Marcou/AFP
Robert Lewandowski - 93 Tore*
Der Ex-Bayern-Torjäger ist Champions-League-Sieger (2020) und zweimaliger Weltfußballer (2020+2021). 2020 wird somit für ihn zu einem überragenden Jahr, zudem wird er auch noch Torschützenkönig der Champions League. In seiner Karriere trifft er für Borussia Dortmund, den FC Bayern und den FC Barcelona in der "Königsklasse". (*Stand 6. März 2024)
Bild: MATTHEW CHILDS/POOL/AFP
Lionel Messi - 129 Tore
Wenn der FC Barcelona sich zwischen 2004 und 2021 auf etwas verlassen kann, dann auf den Torinstinkt Lionel Messis. 120-mal trifft der Argentinier für die Katalanen in der Königsklasse, danach geht er zwei Saisons lang für PSG auf Torejagd. Sechsmal wird der achtfache Weltfußballer bester Torjäger der Champions League. Viermal holt er mit Barça den Henkelpott. Seit 2023 spielt er in den USA.
Bild: Sebastian Frej/imago images
Cristiano Ronaldo - 140 Tore
Sogar fünfmal gewinnt der Superstar aus Portugal die Champions League. Egal für wen er aufläuft, ob für Manchester United, Real Madrid oder Juventus Turin, Cristiano Ronaldo trifft zuverlässig. Souverän führt der fünfmalige Weltfußballer, der seine Karriere in Saudi-Arabien ausklingen lässt, die "ewige" Torjägerliste in Europas Königsklasse an.