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Politik

Nahostkonflikt in Buenos Aires

8. Dezember 2017

Argentiniens Ex-Präsidentin Cristina Kirchner - eine Verbündete des Irans? Die Politikerin aus dem Land mit der größten jüdischen Gemeinde Lateinamerikas gerät im eskalierenden Nahostkonflikt zwischen die Fronten.

Argentinien Cristina Fernandez de Kirchner
Bild: Reuters/E. Marcarian

Die Vorwürfe wiegen schwer: Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner (im Amt von 2007 bis 2015) wird Vaterlandsverrat und Verschleierung von Ermittlungen im Fall des Anschlags auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires im Jahr 1994 vorgeworfen. Die argentinische Justiz erließ Haftbefehl gegen Kirchner und fordert die Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität.

Der bisher größte Terroranschlag in der Geschichte Argentiniens forderte 85 Todesopfer und 300 Verletzte. Im Jahr 2006 ging die argentinische Justiz im Zuge ihrer Ermittlungen davon aus, die iranische Regierung habe den Anschlag geplant. Ausgeführt worden sei das Attentat von fünf iranischen Agenten und einem libanesischem Mitglied der Hisbollah. Doch danach gerieten die Ermittlungen ins Stocken.

Trümmer und Trauer: Beim Anschlag auf das AMIA-Gebäude 1994 kamen 85 Menschen ums Leben Bild: Getty Images/AFP/A. Burafi

Mord oder Selbstmord?

Auch nach 23 Jahren Ermittlungsarbeit und über 9000 Seiten Ermittlungsmaterial gibt es immer noch kein endgültiges Urteil im Fall AMIA. Der letzte Versuch der Aufklärung endete tragisch. Der argentinische Staatsanwalt Alberto Nisman wurde vor einer geplanten Aussage im argentinischen Parlament am 19. Januar 2015 tot in seiner Wohnung in Buenos Aires aufgefunden. Auch sein Tod ist noch nicht endgültig aufgeklärt worden.

Alberto Nisman: Sein Tod blieb ungeklärt Bild: Reuters/M. Brindicci

Kirchner soll die Ermittlungen verschleiert und behindert haben. Im Zentrum der Vorwürfe steht ein mutmaßlicher geheimer Pakt mit der damaligen Regierung von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad aus dem Jahr 2013. Kirchner soll Teheran angeboten haben, die Ermittlungen im Fall AMIA einzustellen. Als "Gegenleistung" würde der Iran mehr Fleisch, Getreide und Soja aus Argentinien einführen und Öl günstig nach Argentinien exportieren.

Die Ex-Präsidentin bestreitet die Vorwürfe. In einer schriftlichen Stellungnahme im Oktober 2017 stellte sie klar, dass die Vereinbarung ihrer Regierung mit dem Iran vom argentinischen Kongress gebilligt worden und deshalb nicht justiziabel sei. Ziel des Abkommen sei es gewesen, die Ermittlungen im Fall AMIA voranzutreiben und nicht zu behindern.

Der in Argentinien bekannte Politikwissenschaftler Carlos Escudé stimmt ihr zu: "Ich bin zwar alles andere als ein Anhänger von Kirchner, aber die Anklagen entbehren jeder Grundlage", erklärt der Direktor des Zentrums für religiöse und gesellschaftliche Studien (Ceres) im lateinamerikanischen Rabbinerseminar in Buenos Aires im Gespräch mit der DW. "Zwischen 2013 und 2015 hat der Handel zwischen Argentinien und dem Iran nicht zugenommen. Und es gab auch keine  Öleinfuhren aus dem Iran."  

Netanyahus Prophezeihung

Immer wieder wird Argentinien, wo die größte jüdische Community in Lateinamerika lebt, zum Schauplatz der Feindschaft zwischen Israel und dem Iran. So machte der israelische Premier Benjamin Netanjahu bei seinem jüngsten Staatsbesuch in Argentinien im September 2017 Teheran für den weltweiten Terrorismus verantwortlich.

Premier Netanjahu und seine Frau Sarah tragen sich ins Gästebuch des jüdischen Gemeindezentrums AMIA einBild: picture-alliance/AP /Israeli Government

"Seit dem Anschlag auf die AMIA 1994 hat sich viel verändert. Mittlerweile sind alle Länder vom Terrorismus betroffen", erklärte er zum Auftakt seiner Lateinamerika-Reise. "Der Iran gehört zu seinen weltweiten Förderern."

Netanjahu forderte in Buenos Aires auch die Kündigung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran. "Das Abkommen ist schlecht. Entweder wird es geändert, oder es wird gekündigt", sagte er auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Argentiniens Staatschef Mauricio Macri. Teheran stelle als mögliche Atommacht ein Risiko dar.

Angesichts der bevorstehenden Entscheidung des amerikanischen Kongresses über die erneute Verhängung von Sanktionen gegen den Iran könnte sich diese Forderung Netanjahus als prophetisch erweisen. Denn am 12. Dezember soll der US-Kongress über das kontroverse Thema abstimmen. Die EU und Russland haben die USA bereits davor gewarnt, das Atomabkommen mit dem Iran zu gefährden.

Politikwissenschaftler Carlos Escudé vermutet, dass zwischen der Abstimmung in Washington und dem Prozess in Buenos Aires ein Zusammenhang bestehen könnte. Der Fall diene internationalen geopolitischen, aber nicht argentinischen Interessen. Ex-Präsidentin Kirchner als Vaterlandsverräterin anzuklagen, weil sie ein Memorandum mit dem Iran unterzeichnet habe, sei Unsinn. 

In der Hand der Peronisten

Für Argentiniens Ex-Präsidentin geht es in den nächsten Tagen darum, ihre eigene Haut zu retten. Um dem Haftbefehl zu entgehen, ist sie auf die Zustimmung ihrer Senatskollegen angewiesen. Die Koalition von Staatspräsident Macri im Senat hat bereits angekündigt, für die Aufhebung ihrer Immunität zu stimmen. Nun liegt Kirchners Schicksal in der Hand ihrer ehemaligen peronistischen Parteifreunde. Verweigern ihr 24 Kollegen die Unterstützung, ist die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Aufhebung der Immunität im Senat erreicht.

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