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Gesellschaft

Weiter warten aufs Wasser

20. Januar 2021

Drei Dürrejahre haben dem Süden Madagaskars zugesetzt. Dazu kommt die Corona-Pandemie. Die Region ist auf der Schwelle zur humanitären Katastrophe. Die Vereinten Nationen drängen auf Soforthilfe.

Menschen stehen auf einer sandigen Straße, davor Kakteen
Schon vor zwei Jahren mussten die Menschen aus Ifotaka vom Welternährungsprogramm unterstützt werdenBild: Rijasolo/Getty Images/AFP

"Weil der Regen das ganze Jahr ausbleibt, kann der Boden nicht bestellt werden, die Tiere haben nichts zu fressen", sagt Andrianirina Rakotoson der DW. Er arbeitet in der Lehrerausbildung in Toliara (Tuléar), der Hauptstadt von Atsimo-Andrefana, einer der drei Südregionen Madagaskars, die am stärksten von der Dürre betroffen sind. "Wenn die Menschen jetzt nichts zu Essen und zu Trinken bekommen, wird es schlimmer werden als in Äthiopien und Sudan."

Die über drei Jahre anhaltende Trockenheit treibt die Menschen zum Äußersten. Die Reserven sind verbraucht. "Um zu überleben, essen die Familien Tamarindenfrüchte, die sie mit Lehm vermischen", berichtet Moumini Ouedraogo, Landesdirektor des UN-Welternährungsprogramms WFP.

In dem trockenen Flussbett des Flusses Mandrare graben diese Menschen nach WasserBild: Laetitia Bezain/AP/picture alliance

Die Vereinten Nationen appellierten am Dienstag an die Weltgemeinschaft, 76 Millionen US-Dollar an Soforthilfen für Nahrung und Gesundheitsversorgung bereitzustellen.

Doch selbst wenn kurzfristig Abhilfe geschaffen werden kann, werden die Folgen des Hungers die Region noch auf Jahre beschäftigen, schätzt Diomandé Fan, Experte für Ernährungssicherheit beim deutschen Entwicklungswerk Brot für die Welt. "Die Kinder leiden an Unterernährung. Das beeinträchtigt ihre Entwicklung - nicht nur jetzt, sondern langfristig. Auch wenn später genügend Nahrung da ist, gibt es sehr oft irreversible Folgen, die für die Kinder zur Belastung werden." Laut dem Kinderhilfswerk UNICEF kann eine chronische Mangelernährung in frühen Lebensjahren Schäden in der körperlichen und geistigen Entwicklung bedeuten.

Auch der Gouverneur der Region Anosy, einer der weiteren betroffenen Provinzen, drängt deshalb im DW-Interview darauf, dass Maßnahmen nachhaltig sein müssen. Der Hunger treibe die Menschen mehr als je zuvor in die Flucht, sagt Gouverneur Lahimaro Tsimandilatse Soja.     

Das COVID-19-Dilemma

Eine Sorge hat die Bevölkerung immerhin nicht so stark: Die Infektionszahlen mit dem Coronavirus sind eher gering. Zahlen der Johns-Hopkins-Universität zufolge gibt es im ganzen Land derzeit 419 aktive Infektionsfälle mit dem Virus SARS-CoV-2 (Stand 20. Januar) Unklar ist jedoch, wie viele Tests aktuell durchgeführt werden.

In der Pandemie konnten sich die Madagassen nicht immer frei bewegenBild: Getty Images/AFP/Rijasolo

Doch die Vorkehrungen in Pandemiezeiten machen den Menschen zu schaffen. Djomandé Fan von Brot für die Welt kritisiert, afrikanische Staaten hätten die Maßnahmen im Umgang mit der Pandemie weitgehend von westlichen Ländern kopiert, ohne lokale Gegebenheiten zu berücksichtigen. "Das hat dazu geführt, dass die sozialen Strukturen und die Mechanismen der Solidarität vor allem in ländlichen Gebieten zum großen Teil zusammengebrochen sind", sagt Fan. Das habe die Hungersnot in ländlichen Gebieten verstärkt, weil gegenseitige Hilfe beispielsweise bei der Feldarbeit und der Austausch von Saatgut weggebrochen seien.

Und nicht nur in der Landwirtschaft selbst fehlt das soziale Netz. Jens Laerke, Sprecher des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, geht noch einen Schritt weiter: Die Erfahrungen aus vergangenen Dürreperioden würden nun nicht weiterhelfen. "Die normale Bewältigungsstrategie ist, ein Familienmitglied in eine der größeren Städte zu schicken, um dort nach Arbeit zu suchen und Geld nach Hause zu schicken", sagt Laerke. "Durch COVID-19 steht diese Strategie nicht mehr zur Verfügung, weil Menschen nicht reisen können und es keine Arbeit für sie gibt."

Im gelben Bereich - der Arm des Kindes ist dünner als er sein sollte, was ein Zeichen für Mangelernährung istBild: Rijasolo/AFP

Lehrerausbilder Andrianirina Rakotoson ist überzeugt: Der Klimawandel wird die Voraussetzungen für die Landwirtschaft im Süden Madagaskars weiter belasten. Dabei habe die Region eine Besonderheit: "Der Boden ist sehr sandig. Selbst ein oder zwei Tage Regen können die Landwirtschaft retten. Die Menschen bauen hier vor allem Mais, Sorghum und Kartoffeln an." Wenige Tage Wasser reichen ihmzufolge aus, den Boden bestellbar zu machen und die Wasservorräte für lange Zeit aufzufüllen.

Um dem veränderten Klima zu trotzen, müsste mehr Wasser genutzt werden. Dies sei sehr wohl vorhanden, sagt Rakotoson. Zwar hätten Bohrungen zum Grundwasser gezeigt, dass dieses schnell austrockne. Aber: "Es gibt Flüsse ganz in der Nähe. Die Regierung hat bereits entschieden, dass Pipelines gelegt werden sollen." Außerdem seien die besonders betroffenen Gebiete nicht weit von der Küste entfernt. Auch das Meerwasser könne durch Entsalzung nutzbar gemacht werden, schlägt Andrianirina Rakotoson vor. Diese Lösungen lägen schon lange auf dem Tisch - nur sei der politische Wille bisher nicht sehr groß gewesen.

Madagaskars Wasser - Quelle des Lebens?

01:30

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Unterdessen begab sich Präsident Andry Rajoelina am Dienstag in anderer Sache in die Region Anosy: Dort wurde feierlich eine großangelegte Baumpflanzaktion gestartet. Mehr als 17 Millionen Bäume seien an einem Tag in acht Regionen gepflanzt worden, verkündete die nationale Presse. Rajoelina kam damit auf ein Wahlkampfversprechen zurück, mit dem er der enormen Abholzung begegnen wollte. "Einen Baum pflanzen heißt, ein Leben zu retten", sagte er zum Auftakt. Auch dies ist ein Hoffnungsschimmer für die Bauern in Südmadagaskar, um die Konsequenzen des Klimawandels abzumildern.

Mitarbeit: Priscat Rakotomalala

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