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Politik

Düstere Aussichten für den Jemen

21. Dezember 2017

Nach einem Raketenangriff der Huthi-Rebellen auf Saudi-Arabien eskaliert die Gewalt im Jemen. Zwar gibt es erste Anzeichen für einen politischen Dialog. Doch der muss nicht zwangsläufig in einen Waffenstillstand münden.

Jemen Huthi
Gerüstet: Kämpfer der aufständischen HuthisBild: picture-alliance/AP Photo/H. Mohammed

Zu sehen ist eine eher kleine weiße Wolke im ansonsten strahlend blauen Himmel über Saudi-Arabien. Hoch oben in der Luft schwebt sie, allerdings nur einige Momente lang, bevor Staub und Schrott, aus denen sie geschaffen ist, auf die Erde stürzen. Diese Wolke birgt kein Wasser, sondern die Überreste einer aus dem Jemen in Richtung der saudischen Hauptstadt Riad fliegenden Rakete, rechtzeitig abgefangen von der saudischen Luftwaffe.

So jedenfalls wird die Szene in einem nicht verifizierten Video beschrieben, das seit Dienstag im Netz die Runde macht. Angeblich zeigt es jenen Moment, in dem das von den Huthis abgefeuerte Geschoss aufhörte, eine Gefahr für die Bürger Riads zu sein - egal, wo diese wohnen: Ob rund um den königlichen Yamama-Palast, auf den die Rakete zielte, wie die Huthis behaupten. Oder in den südlichen Teilen der Stadt, die die Rakete nach saudischer Darstellung im Visier hatte. Wie auch immer: Die Gefahr, so soll das Video zeigen, war rasch gebannt.

Saudische Angriffe verheerend

Das hinderte das saudische Militär nicht, umgehend einen Gegen- oder Racheangriff zu starten. Zwei Kampfjets attackierten Ziele in der nördlichen Provinz Saada. Dabei kamen nach Angaben des Sprechers der dortigen Gesundheitsbehörde elf Zivilisten ums Leben. Nach Angaben der Huthis starben sogar 19 Personen, unter ihnen auch Frauen und Kinder.

Der angebliche Abschuss der Rakete über Riad (Screenshot aus Twitter)Bild: Twitter/ReasonableDoubt

Dieser jüngste Schlag steht in einer ganzen Reihe von Attacken. Allein in den vergangenen elf Tagen starben nach UN-Angaben durch saudische Angriffe 115 Zivilisten.

Das illustriert einmal mehr, wie entschlossen Prinz Mohammed bin Salman, der saudische Verteidigungsminister und Kronprinz, den Krieg in dem bitterarmen Nachbarland führt. In den rund tausend Tagen, die dieser inzwischen dauert, starben bislang über 10.000 Unbeteiligte. Knapp drei Millionen Menschen sind innerhalb des abgeschotteten Landes auf der Flucht, eine Million ist mit Cholera infiziert. Dem Jemen droht eine gewaltige Hungersnot.

Iran beschwichtigt

Die Gewalt stürze nicht nur den Jemen ins Elend, sagt Sebastian Sons, Saudi-Arabien-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Sie untergrabe die Sicherheit der gesamten Region, Iran eingeschlossen. "Eine direkte Konfrontation zwischen Iran und Saudi-Arabien würde die Region vollends in Chaos stürzen. Daran kann niemand Interesse haben, weder in der Region noch außerhalb", so Sons gegenüber der DW.

Womöglich aus diesem Grund hat Iran, Saudi-Arabiens größter Rivale, die in Riad erhobene Anschuldigung dementiert, die von den Huthis abgefeuerte Rakete stamme aus seiner Produktion. "Wir haben zum Jemen keine Waffen-Verbindungen", erklärte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Bahram Ghasemi, nach dem Angriff über eine iranische Nachrichtenagentur. "Die Anschuldigung, Iran liefere Waffen an verschiedene Gruppen, weisen wir zurück", erklärte er. Die Waffen stammten vielmehr aus den Beständen der letzten Regierung. "Es besteht nicht einmal die Möglichkeit, humanitäre Hilfe in den Jemen zu bringen", so Ghasemi in Anspielung auf die Blockade, die die Saudis um das Land gezogen haben.

Auch ein Kriegsopfer: Die Baukunst der JemenitenBild: Getty Images/AFP/M. Huwais

Dialogbereitschaft auf beiden Seiten

Wie es im Jemen weitergeht, ist insbesondere nach der Ermordung des Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh offen. Der machtbewusste Politiker starb, weil er sein Bündnis mit den Huthis aufkündigte und verhandeln wollte. Zuletzt war er wohl bereit, so das Internet-Magazin "Al-Monitor", jede mögliche Koalition einzugehen, um die Huthis zu besiegen und so auf ein Ende der saudischen Angriffe hinzuarbeiten. Seit seinem Tod Anfang Dezember sind seine Anhänger militärisch immer mehr in die Defensive geraten. Die Huthis bauen ihre Macht in der Hauptstadt Sanaa weiter aus.

Verhandeln wollen auch andere Akteure im Jemen. So reiste Mohammed al-Yadomi von der den Muslimbrüdern verbundenen Islah-Partei in der vergangenen Woche nach Riad, um dort Möglichkeiten der Vermittlung zu erörtern. An den Gesprächen nahm neben Mohammed bin Salman auch der Kronprinz der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Mohammed bin Said, teil. In den VAE gelten die Muslimbrüder als terroristische Vereinigung. Dass beide Seiten nun zusammenkamen, zeigt, wie ernst es Saudi-Arabien mit dem Anliegen ist, mit den Huthis zumindest indirekt ins Gespräch zu kommen. Diese haben Medienberichten zufolge ihrerseits Dialogbereitschaft  signalisiert.

Huthis verlieren Legitimität

Was eine Einigung für das Land bedeuten könnte, ist offen. Sollte diese gelingen, dürften sich die Huthis in die von ihnen beherrschte Nordhälfte des Landes zurückziehen, vermutet in "Al-Monitor" die jemenitische Journalistin Maysaa Shuja al-Deen. Dass sie sich dort langfristig halten könnten, bezweifelt al-Deen. Wenn die Huthis weiterhin als sektiererische Miliz agierten, drohe dem Land die Spaltung - und den Huthis selbst der Verlust ihrer verbleibenden Legitimität: "Die Bekenntnisse der Gruppe zu guter Regierungsführung, Korruptionsbekämpfung und gegen jegliche Form der Aggression verlieren nach dem Mord an Saleh, ihrem einzigen politischen Verbündeten, weiter an Glaubwürdigkeit."

Trotz aller Bemühungen um Dialog: Ein Waffenstillstand scheint noch in weiter Ferne.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika