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"Düstere Lage in Saudi-Arabien"

Nina Werkhäuser5. Februar 2016

Saudi-Arabien ist für Deutschland ein wichtiger Partner im Nahen Osten - trotz gravierender Menschenrechtsverletzungen. Adam Coogle von Human Rights Watch kritisiert im DW-Interview die saudische "Willkürjustiz".

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mit König Salman bei seinem Besuch in Riad am 3. Februar 2016, Foto: dpa
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mit dem saudischen König in Riad am 3. FebruarBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

DW: Herr Coogle, Sie beobachten für die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" die Situation in Saudi-Arabien. Wie würden Sie diese derzeit beschreiben?

Adam Coogle: Das lässt sich nicht pauschal sagen. In einigen Bereichen macht das Land Fortschritte, etwa bei den Frauenrechten oder den Rechten von ausländischen Arbeitern. In anderen Bereichen wird es schlechter, etwa bei den Grundrechten auf freie Meinungsäußerung, bei der Versammlungs- oder Religionsfreiheit. Da ist die Lage absolut düster. Fast alle saudischen Menschenrechtsaktivisten sind im Gefängnis und müssen lange Haftstrafen absitzen.

Ist die Situation in den vergangenen Monaten schlechter geworden?

Nein, sie ist schon seit einigen Jahren so schlimm. Seit dem Arabischen Frühling 2011 gehen die Machthaber resolut gegen jede abweichende Meinung vor. Es gibt kaum mehr einen Menschenrechtsaktivisten, der nicht im Gefängnis sitzt.

Was sind die größten Defizite im saudischen Rechtssystem?

Das ist eine Willkürjustiz. Saudi-Arabien hat kein Strafgesetzbuch und generell kein schriftlich festgehaltenes Recht. Eine häufige Anklage lautet "Bruch der Treue gegenüber dem Herrscher". Es gibt aber kein Dokument, in dem steht, was damit genau gemeint ist und welche Strafen darauf stehen. Das liegt dann im Ermessen des jeweiligen Richters.

Adam Coogle arbeitet für die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch"Bild: privat

Wie zeigt sich das in der Praxis?

Nehmen wir den Fall des Dichters Ashraf Fayadh, der wegen "Abfalls vom Glauben" verurteilt wurde. Der erste Richter setzte das Strafmaß auf vier Jahre Gefängnis und 800 Peitschenhiebe fest. Ein Berufungsgericht kassierte das Urteil und verhängte stattdessen die Todesstrafe. Der dritte Richter hob das Todesurteil wieder auf und verurteilte Fayadh zu acht Jahren Gefängnis und 800 Peitschenhieben. Ein Fall, eine Beweislage und dreimal ein anderes Strafmaß - das illustriert die Willkür im Justizsystem Saudi-Arabiens.

Glauben Sie, dass Politiker aus westlichen Ländern Einfluss auf die Machthaber in Saudi-Arabien haben, speziell beim Thema Menschenrechte?

Nein. Aus Angst, die Saudis zu beleidigen, schweigen westliche Regierungen in der Regel. Kein anderes Land hat wirklich Einfluss auf Saudi-Arabien. Wenn andere Länder aber die Menschenrechte zum integralen Bestandteil ihrer Politik gegenüber Saudi-Arabien machen, dann könnte das eine Wirkung haben. Wenn Deutschland zum Beispiel sagt: Wir verkaufen euch keine Panzer mehr, so lange die Menschenrechtsverletzungen nicht aufhören, dann ist das eine Botschaft. Das ist positiv.

In Deutschland gab es Kritik an der Reise von Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach Saudi-Arabien, die nur wenige Wochen nach der Hinrichtung des prominenten schiitischen Geistlichen Nimr al Nimr und 46 weiterer Gefangener stattfand.

Diese Art von Kritik ist verhältnismäßig neu. Vor fünf Jahren hätte man das so nicht gehört. In Europa wächst das Bewusstsein für dieses Thema. Das wird auch in Saudi-Arabien nicht unbemerkt bleiben - und vielleicht dazu führen, dass das Land sein Image verbessern will.

Der US-Amerikaner Adam Coogle ist bei der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" für Saudi-Arabien zuständig. Seit mehreren Jahren beobachtet er das Justizsystem in Saudi-Arabien und dokumentiert Verstöße gegen die Menschenrechte.

Die Fragen stellte Nina Werkhäuser.

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