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Daimler, Geely (und der Dalai Lama)

Andreas Rostek-Buetti mit Agenturen
13. Februar 2018

Was hat der Dalai Lama mit Elektroautos zu tun? Vielleicht nichts. Aber vielleicht hat der Ärger, den Daimler in China wegen eines Dalai-Lama-Zitats hat, eine Menge mit dem Autoantrieb der Zukunft zu tun. Und mit Geely?

Symbolbild China Mercedes-Benz
Bild: picture-alliance/dpa

Autos, so wird ein Zitat des Geely-Gründers Li Shufu überliefert, seien "vier Räder plus zwei Sofas". Ob die nun mit Verbrennungsmotoren fortbewegt werden oder mit Elektroantrieb, mag den "Sofas" egal sein. Gar nicht egal ist das den chinesischen Machthabern. Die haben für den größten Automarkt der Welt eine Elektroautoquote vorgeschrieben, die es in sich hat.

Bis 2019 müssen zehn Prozent der im Jahr abgesetzten Autos der Hersteller in China mit Hybrid- oder E-Motoren laufen; 2020 müssen es bereits zwölf Prozent sein. Seit die Quote raus ist, ist es hektisch geworden für die Autobauer. Auch für Daimler. Auch für Geely.

Bisher haben die beiden nicht allzu viel miteinander zu tun. Aber spätestens seit November letzten Jahres versucht der umtriebige Geely-Eigner Li Shufu offenbar energisch, das zu ändern.  Damals begann, so berichten es deutsche wie chinesische Medien, der bis heute laufende Versuch Geelys, bei Daimler einzusteigen. Drei bis fünf Prozent der Daimler-Anteile wolle Li Shufu kaufen, so wabert es durch die Gerüchteküche. Die chinesische Finanzwebseite Jinrongjie berichtete jetzt, Geely wolle ohne die Zustimmung Daimlers Anteile am freien Markt einkaufen. Das wissen auch andere chinesische Medien zu berichten.

Von Daimler hieß dazu bislang lediglich, jeder könne Aktien kaufen. Und langfristig denkende Investoren seien immer willkommen. Selbst wenn die Berichte chinesischer Medien stimmen: Drei Prozent der Daimler-Anteile hat Li Shufu noch nicht; die müsste er nach deutschem Aktienrecht offenlegen.

Li Shufu, Gründer und Besitzer von Geely Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina

Ankeraktionär?

Drei bis fünf Prozent der Anteile - das würde angesichts des Werts der Daimler-Aktien viele Milliarden Euro kosten. Damit wäre Geely allerdings der drittgrößte Aktionär bei Daimler. Das Stuttgarter Unternehmen hat nicht wie andere Konkurrenten den einen großen Ankeraktionär. Der Staatsfonds Kuwaits hält 6,1 Prozent, Renault Nissan 3,1 Prozent, dann folgen eine Reihe von institutionellen Anlegern wie der norwegische Staatsfonds oder der US-Investor Blackrock.

Im vergangenen November gab es offenbar das Ansinnen Geelys, von Daimler bis zu fünf Prozent der Aktien en bloc mit einem Abschlag zu kaufen. Davon berichtete das deutsche "Handelsblatt". Das aber habe Daimler abgewiesen, weil die anderen Aktionäre nicht mitspielen wollten; sie hätten dadurch schlechter da gestanden.

Kühlschränke, Mopeds, Autos

Es wäre für Geely eine riesige Investition. Aber auf dem größten Automarkt der Welt, in China, ist Geely derzeit der größte heimische Anbieter und der am schnellsten wachsende: 1,2 Millionen Autos verkaufte das Unternehmen aus der Stadt Hangzhou im letzten Jahr, ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. Insgesamt wurden im letzten Jahr 30 Millionen Autos in China verkauft.

Geely-Fabrik in Ningbo, ChinaBild: Imago

Den teuren Einstieg bei Daimler könnte sich Geely mit seinem 54-jährigen Gründer Li Shufu durchaus leisten. Nach Schätzungen des chinesischen Hurun-Instituts hat Li ein Vermögen von 15 Milliarden Euro. Die hat er zügig verdient. Als Sohn eines armen Bauern begann er vor gut drei Jahrzehnten mit einem Fotostudio und der Produktion erst von Kühlschränken, dann von Motorädern und schließlich Autos. Vor acht Jahre kaufte Li die schwedische Traditionsmarkte Volvo.

Li Shufu rettete Volvo vor dem ziemlich sicheren Untergang und machte aus der Marke etwas, was der frühere Besitzer Ford nie schaffte: eine erstzunehmende Konkurrenz im Premiumsektor - und eine Erfolgsstory in Europa  wie in China. Und, nicht ganz unwichtig: Li Shufu hat exzellente Kontakte in allerhöchste Parteikreise. 

 "Wolf in der Möchskutte"

Was hat aber der Dalai Lama mit all dem zu tun? Nichts, findet der deutsche Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Das gehöre eher in eine Kölner Karnevalsrede. "Da wären wir im Reich der vollständigen Spekulation."

Nicht im Reich der Spekulation, sondern im Reich der Mitte hatte Daimler in der vergangenen Woche wegen des Dalai Lama gleich zweimal einen lupenreinen Kotau hingelegt. Die Social-Media-Abteilung von Daimler hatte auf Instagram das Bild eines S-Klasse-Mercedes mit einem Zitat des tibetischen Mönchs kombiniert: "Betrachte Situationen von allen Seiten und du wirst offener." Die chinesische Propaganda lief unmittelbar zur Hochform auf. Die kommunistischen Herrscher in Peking sehen den Dalai Lama als "Separatisten", als "Wolf in der Möchskutte", der die Integrität Chinas zerstören will. Daimler - erst pauschal und dann durch den Chef Dieter Zetsche persönlich - entschuldigte sich "aufrichtig" und nahm die Werbung unmittelbar aus dem Netz.

Für deutsche Ohren klang die doppelte Entschuldigung peinlich und weit übertrieben; aber selbst für chinesische Maßstäbe trugen die Stuttgarter damit sehr dick auf, so Beobachter, was als Zeichen von Schwäche gewertet werden könnte. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) schrieb dazu aus Schanghai: "Beobachter halten es für möglich, dass Peking die offensichtliche Abhängigkeit vom chinesischen Markt, die Daimler mit seiner Entschuldigungsarie offenbart hat, ausnutzen könnte."

Verkehr in China. Mit der Elektroautoquote gegen den Smog.Bild: Getty Images/VCG

China ist in der Tat für Daimler entscheidend: Im vergangenen Jahr verkaufte der Konzern fast 600.000 Autos ist China - weit mehr als auf irgendeinem anderen Markt. Daimler hat bereits zwei chinesische Partner, das Staatsunternehmen BAIC und die private BYD, ein Spezialist für Elektroautos. Mehrfach war auch ein Einstieg von BAIC bei den Deutschen im Gespräch. Aber möglichweise gaben die staatlichen Stellen die Gelder für den Aktienkauf nicht frei, mutmaßte das deutsche "Handelsblatt".

"Gleich Tesla kaufen"

Wo Peking eine Schwäche Daimlers ausnutzen könnte, darüber kann man in der Tat nur spekulieren. Groß bleibt der Druck auf alle Autobauer bei der Elektromobilität. Daimler-Chef Zetsche diagnostizierte schon 2015, dass "unser Engagement in China keine Einbahnstraße" sein könne. Damals begann das Joint-Venture mit BAIC. 

Vereinbart ist jetzt, dass Daimler zusammen mit der staatlichen BAIC im Werk in Peking einen Elektro-SUV baut. Der  EQC soll 2019 vom Band laufen. Gemeinsam mit BYD wird schon jetzt der rein elektrisch angetriebene "Denza" gebaut - das liefert Erfahrungen. Für beide Seiten. Die sind auch nötig - selbst in den Fünf-Jahres-Plänen der chinesischen Regierung gäbe es konkrete Anforderungen für digitalen und elektrische Neuerungen, berichtete der China-Chef von Daimler jüngst der FAZ. Und wer 2019 die Vorgaben der Elektro-Quote nicht einhalten kann, muss mit Sanktionen rechnen.

Geely sei vor allem an der Batterietechnik von Daimler interessiert, werden Gerüchte in der deutschen Presse kolportiert, und wolle hier ein Gemeinschaftsunternehmen. Das dürfte aber bestenfalls ein Grund unter anderen für eine Annäherung sein, meint Autoexperte Dudenhöffer.  "Sonst müsste Geely gleich Tesla kaufen." Dennoch seien die Berichte über Kaufinteressen Geelys "nicht unrealistisch". Ein denkbarer Einstieg sei auch "nicht das Schlechteste für Daimler".

„Da passt vieles zusammen"

"Daimler hätte dann einen sehr zuverlässigen Hauptaktionär", urteilt Dudenhöffer über Geely. Das hätten die Chinesen nach ihrer Übernahme von Volvo gezeigt. "Da passt vieles zusammen", findet der Autofachmann mit Blick auch auf den Lkw-Sektor. Daimler ist der größte Lkw-Hersteller weltweit und wird auf allen Märkten von Volvo Trucks verfolgt. Da hat der Geely-Chef Ende vergangenen Jahres ein großes Aktienpaket gekauft.

Wir sind im "Reich der Spekulation", wie gesagt. Aber Dudenhöffer findet: "Geely ist China, und China ist in Sachen Autos der Nabel der Welt, und in China einen chinesischen Großaktionär zu haben, ist sicherlich besser…"

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