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"Die Komödie ist eine Wundertüte"

Hans Christoph von Bock
12. Oktober 2016

Dani Levy ist Produzent, Drehbuchautor, Schauspieler und vor allem Komödienregisseur. Im Interview spricht er über jüdischen Humor, deutsche Befindlichkeiten und seinen neuen Film "Die Welt der Wunderlichs".

Regisseur Dani Levy
Bild: DW/H. C. von Bock

Der Regisseur, Schauspieler und Drehbuchautor Dani Levy wurde am 17. November 1957 in Basel geboren. Seine Filmkomödie "Alles auf Zucker" wurde 2005 ein großer Erfolg. Sie handelt vom Leben von Juden im modernen Deutschland. Seine neueste Komödie "Die Welt der Wunderlichs" erzählt von einer alleinerziehenden Mutter und ihrer dysfunktionalen Familie.

DW: Herr Levy, warum haben Sie sich eigentlich als Filmemacher genau für den schwierigsten Weg entschieden, nämlich Ihre Geschichten als Komödien zu erzählen?

Dani Levy: Für mich ist das nicht der schwierigste Weg. Ich habe das Gefühl, dass ich da mehr Stärken oder mehr Instinkte habe. Der Humor ist eine Art Filter, er kann die Dinge wie unter einem Reagenzglas vergrößern oder schärfer zeigen. Ich finde, Humor ist eigentlich dafür da, Erkenntnisgewinn zu schaffen, um Dinge besser zu verstehen, weil sie eben auch viel drastischer vorgeführt werden können, ohne dass man die Realität verliert. Gleichzeitig ist ja für mich die Komödie nicht denkbar ohne die Tragödie. Das heißt, dass die Komödie mich nicht einfach nur zum Lachen bringt, sondern sie entspringt der tiefen Trauer und der Not und der Problematik, die die Figuren und die Geschichte in dem Film haben.

Als bekennender Jude arbeiten Sie mit dem typisch jüdischen Humor, dem jüdischen Witz. Was macht diesen Humor so einzigartig?

Ich glaube, es ist grundsätzlich erst mal ein emphatischer Humor, ein Humor, der sich für das Chaos und die Unordnung und die Leiden des Menschen interessiert. Es ist ja so, dass keiner von uns das Leben einfach als Spaziergang empfindet. Es gibt so viele Zweifel und Fallen, in die man hinein tappen kann. Und da ist der jüdische Humor eben nicht nur der an der Oberfläche, sondern einer, der sich für die Analyse interessiert, ein suchender Humor und gleichzeitig kann er auch ganz schön schamlos sein weil er sich eben auch gegen bestehende Klischees, gegen herrschende Klassen wehrt. Es ist ja auch ein Humor von unten nach oben. Und das ist das, was am jüdischen Humor toll ist.

Szene aus dem Film "Alles auf Zucker!"Bild: Imago//United Archives

Mit Ihrem Film "Alles auf Zucker" ist Ihnen 2005 eine typisch deutsch-jüdische Komödie gelungen, wie man sie eigentlich seit den 1930er Jahren nicht mehr gesehen hat. Die Story: Ein verschuldeter Berliner Jude laviert sich so durchs Leben, bis er sich mit seinem streng religiösen Bruder versöhnen soll, um den letzten Willen der verstorbenen Mutter zu erfüllen. Abgesehen von dem großen kommerziellen Erfolg und von den Preisen, wie erklären Sie sich, dass Ihr Publikum so auf "Alles auf Zucker!" angesprungen ist?

Es war vor allem das Thema: eine jüdische Geschichte unter Juden, die eben nicht durch den Holocaust überdeckt war, die keine Opfergeschichte war, sondern in der Juden Protagonisten sind, Helden, Antihelden, mit denen man lacht, über die man lacht - die einen trotzdem berühren, die das Thema Ost-West behandeln und das Thema Judentum und Orthodoxie - da ist alles zusammengekommen. So wie "Goodbye Lenin" damals diese Ostalgie ausgelöst hat, so war "Alles auf Zucker!" einfach der richtige Film zur richtigen Zeit.

Die Sender hatten das im Vorfeld nicht so richtig kapiert. Wir haben mehrere Absagen bekommen und die Redakteure hatten Bedenken 'Oh, oh, oh, das klingt nach Antisemitismus. Das ist schwierig. Über Juden lachen oder so, das können wir uns gar nicht erlauben.' Als dann der Film gemacht war, haben alle plötzlich gesehen, dass es eben manchmal auch richtig ist, nicht den ersten ängstlichen Instinkten zu folgen, sondern das zu machen, was einem das Herz befiehlt. Ich hatte einfach das Gefühl, ich will Juden auch wieder als echte Kinohelden zeigen hier in Deutschland und das hat zum Glück super funktioniert.

"Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" war Ihre filmische Auseinandersetzung mit dem Holocaust und mit dem schrecklichsten Vertreter der deutschen Geschichte. Es gibt da großartige Szenen, zum Beispiel als Hitler einen KZ-Häftling als Sprachcoach engagiert. In Deutschland war es kein großer Kassenerfolg, nicht alle haben den Film gemocht. Welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen?

Ich glaube, es ist einer der stärksten Filme, die ich gemacht habe, der aber am wenigsten als solcher gesehen wurde. Wir kommen ja aus der Schweiz, aber meine Mutter ist Deutsche. Sie ist mit ihrer Familie aus Deutschland geflohen 1939. Sie sagte immer: 'Was suchst Du in Deutschland? Künstlerisch, kulturell verstehen die nicht was Du machst.'

Bei diesem Film stimmt das wirklich. Ich hatte das Gefühl, dass die deutsche Intelligenz und das, was ich als Jude mit diesem Film gemacht habe, irgendwie nicht funktioniert hat. Die miesgelaunten Kritiken haben viele der Zuschauer, für die der Film super gewesen wäre, nämlich das "Alles auf Zucker!"-Publikum, abgeschreckt. Es wurde so negativ und so spielverderberisch blöde darüber geschrieben, dass die Leute wirklich nicht in den Film gingen. Ich hatte damals die Gunst der Stunde genutzt nach "Alles auf Zucker!" und dachte mir, jetzt mache ich den Film, den ich sonst nicht hinkriege. Auf dem Flügel des Erfolgs bekam ich die Finanzierung sofort, aber irgendwie waren dann das Judentum und Deutschland doch zu weit auseinander.

In Ihrem neuen Film "Die Welt der Wunderlichs" werden wir ja so mit ziemlich allen psychischen Defiziten und Neurosen konfrontiert, von manisch-depressiv über borderline bis hyperaktiv. Wie sind Sie darauf gekommen, eine so durchgeknallte Familie ins Zentrum Ihrer Geschichte zu setzen?

Für mich war ja eigentlich in dem Fall nicht die Familie der erste Auslöser, sondern ich wollte einen Film machen über psychische Störungen, weil ich das Gefühl hatte, psychische Störungen sind wirklich endgültig in unserer Gesellschaft angekommen. Es ist nichts mehr Exotisches, es hat nichts mehr mit Außenseitertum zu tun, dass jemand einen Burnout, eine Depression oder eine Psychose ht. Viele Menschen verzweifeln am Leben, weil das Leben kompliziert ist. Man hat damit zu tun, sich selber zu optimieren, medial immer online zu sein, ständig überall mitzumachen, mitzukommen, man will strukturiert sein, aber nicht überstrukturiert, nicht verzweifeln, wenn etwas nicht gelingt, irgendwie immer wieder den Mut haben, immer wieder neu kämpfen. Deswegen, glaube ich, sind psychische Störungen, einfach die Verzweiflung am Leben oder die Schwierigkeiten, mit dem Leben zurechtzukommen wirklich zentral geworden. Das war für mich der Auslöser für einen Film über eine dysfunktionale Familie, die ihre Schwierigkeiten miteinander hat und sich  trotzdem sehr, sehr liebt.

"Die Welt der Wunderlichs" erzählt von einer alleinerziehenden Mutter und ihrer dysfunktionalen FamilieBild: Filmfest München 2016

Sie erzählen oft aus der Männerperspektive, aber diesmal haben Sie eine Frau in den Mittelpunkt gestellt. Die alleinerziehende Mutter Mimi. Warum?

Weil alleinerziehende Mütter irgendwie auch Heldinnen in unserer Gesellschaft sind. Was mich wirklich bei Mimi so berührt, ist, dass sie alles versucht auf die Reihe zu kriegen mit der Familie, mit den Kindern und ihrem Job, und dabei aber ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse eben übergeht. Ich habe das Gefühl, dass trotz Emanzipation dies immer noch ein weibliches Thema ist, Träume zu haben, Wünsche zu haben, sich zu verwirklichen und die Kraft oder die Möglichkeiten dann nicht gegben ist. Für eine weibliche Hauptfigur in einem Kinofilm ist das ein großes Thema, das hat mich gereizt.

Es gibt sicher kein Rezept, wie man eine ein gute Komödie macht, genauso wenig wie es ein Rezept gibt für einen erfolgreichen Film. Aber wenn Sie auf Ihre Erfahrungen zurückschauen, was ist die wichtigste Zutat, um eine gute Komödie "anzurichten"?

Also mein Rezept ist ganz ehrlich gesagt, dass es kein Rezept gibt. Mich haben die fertigen Filme mit dem Publikum oft eines Anderen belehrt. Es wurde an Stellen gelacht, die ich überhaupt nicht erwartet habe. Und wo ich dachte, 'Das ist ne richtige Pointe' haben die Leute gar nicht gelacht.Ich mute mir nicht zu, zu wissen, wie am Schluss das Publikum reagiert. Letztendlich ist jede neue Komödie eine Wundertüte. Erst bei der Premiere weiß man, was an der Komödie wirklich lustig ist und was nicht. Mein Weg durch einen solchen Film ist, dass die Komödie eigentlich die Tragödie ist. Ich möchte eine möglichst authentische, starke, berührende, emotionale Geschichte erzählen, mit der Sprache, die ich habe und mir keine Gedanken darüber machen, was lustig und nicht lustig ist. Dann kommt eine gute Komödie heraus.

Das Interview führte Hans Christoph von Bock

 

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