Dank US-Ausnahme: Orban schmiert Serbien mit russischem Öl
28. November 2025
Wenn es um vermeintliche Feinde geht, kennt Viktor Orban kein Pardon. Das muss vor allem die Ukraine immer wieder erfahren. In beinahe jeder Rede und jedem Interview stellt Ungarns Premier das kriegsversehrte Nachbarland als eine Gefahr für Europa und einen Hort des Bösen dar. Vorsorglich weist der Putin-Freund Orban beim Thema Ukraine auch gern darauf hin, dass staatliche Solidarität ihre Grenzen habe und Ungarns Interessen an erster Stelle stünden.
Ganz anders hört es sich an, wenn es um Orbans politische Verbündete geht. Dann klingt Ungarns Premier bisweilen wie ein Prediger des Samaritertums. Er spricht dann von Partnern und Freunden, die man nicht im Stich lasse dürfe und denen man ungeachtet aller Hindernisse helfen müsse.
Aktuell ist es Serbien, das in den Genuss von Orbans Politik der selektiven Solidarität kommt, denn dort amtiert Aleksandar Vucic als Staatspräsident - wie auch der Budapester Premier ein Rechtsnationalist und Autokrat. Ungarns Nachbarland gerät derzeit wegen der US-Sanktionen gegen den russischen Ölsektor in wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Orban verspricht, auszuhelfen. "Unsere serbischen Freunde sind wegen der Sanktionspolitik in Not", schrieb Orban am Donnerstag (27.11.2025) auf Facebook vor einem Besuch in Serbien. "Ich werde Präsident Vucic versichern: Ungarn tut alles, um Serbien bei der Treibstoffversorgung zu helfen."
Serbiens mit Abstand größter Öl- und Gaskonzern, Naftna industrija Srbije (NIS), der in der Stadt Pancevo bei Belgrad unter anderem die einzige Raffinerie des Landes betreibt, ist mehrheitlich in russischem Besitz und musste seine Treibstoffproduktion wegen der US-Sanktionen stoppen. Öllieferungen nach Serbien über die JANAF-Pipeline aus Kroatien, die einzige ihrer Art, die nach Serbien führt, wurden Anfang Oktober eingestellt. Hinzu kommt, dass Serbiens Vertrag für russische Gaslieferungen Ende Dezember ausläuft und ein neuer Vertrag mit Russland bisher nicht ausgehandelt wurde.
Serbien besitzt zwar Notreserven an Benzin, Diesel und Kerosin, die allerdings nicht für längere Zeit reichen. Kurz- und mittelfristig muss das Balkanland deshalb Öl und Treibstoff importieren, um seine Versorgung aufrechtzuerhalten. Ein wesentlicher Teil dieser Importe kommt seit Ende Oktober bereits über den Land- und Schienenweg aus Ungarn. Die entscheidende Rolle spielt dabei Ungarns Mineralölkonzern MOL, der wichtigste derartige Konzern in Mittel- und Südosteuropa, der mehrheitlich von Orban-treuen Anteilseignern kontrolliert wird.
Gemeinsame Öl-Pipeline
MOL liefert nach Aussage von Ungarns Außenwirtschaftsminister Peter Szijjarto zur Zeit bereits doppelt so viel Öl und Erdölprodukte nach Serbien wie gewöhnlich. Die Menge werde sich weiter erhöhen. Außerdem plane man den Bau einer gemeinsamen Öl-Pipeline von Ungarn nach Serbien, die möglicherweise schon Ende 2027 in Betrieb gehen könne. MOL könnte außerdem Teile von NIS übernehmen, da Serbien sich von den russischen NIS-Mehrheitseignern Gazprom Neft und Gazprom trennen will.
Am Donnerstag sagte Orban dazu während einer Pressekonferenz mit Vucic in der Stadt Subotica nahe der serbisch-ungarischen Grenze, es sei wichtig, dass weiterhin russisches Öl und Gas nach Ungarn fließe. Man habe von den USA eine Ausnahmegenehmigung von den Sanktionen bekommen, nun werde er, Orban, "in den kommenden Tagen bzw. morgen" darüber verhandeln, dass auch das russische Öl und Gas komme. "Und wenn wir das haben", versprach er Vucic, "werden auch Sie es haben. Was wir haben, teilen wir mit Ihnen." Was Orban an dieser Stelle nicht erwähnte, war, dass Ungarn auch von der EU bereits bis Anfang 2027 eine Ausnahmegenehmigung für russische Ölimporte bekommen hat.
Orban in Moskau
Die Worte und der Verweis auf "morgen" waren eine indirekte Vorankündigung auf einen Besuch Orbans am Freitag (28.11.2025) in Moskau, bei dem er unter anderem auch den russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin trifft. Am frühen Freitagmorgen bestätigte Orban auf Facebook das Treffen mit Putin. Orban wird dabei auch über die Ausweitung der ungarischen Erdölimporte verhandeln. Er könnte Putin auch eine Übernahme der russischen NIS-Anteile durch MOL schmackhaft machen - bisher sträuben sich Gazprom Neft und Gazprom offenbar dagegen, ihre Anteile zu verkaufen.
Was der US-Präsident Donald Trump zu dieser eigenwilligen Interpretation seiner Ausnahmegenehmigung für Ungarn sagt, die laut US-Regierung ohnehin nur für ein Jahr gelten soll, bleibt abzuwarten. So oder so: Was Orban und Vucic vor der Öffentlichkeit als Akt der Solidarität und Freundschaft unter Nachbarn zelebrieren, ist für die beiden Autokraten in Wirklichkeit politische Strategie und gutes Geschäft.
Partner in der "Souveränitätspolitik"
Zu keinem anderen Führer eines Nachbarlandes pflegt Orban ein so enges Verhältnis wie zu Vucic. Ungarn setzt sich seit Jahren für eine EU-Erweiterung mit Serbien als erstem Beitrittsland ein. Aus gutem Grund: Die politische Entwicklung in beiden Ländern - von der Einschränkung der Medienfreiheit über die politische Kontrolle der Justiz und die Vertuschung von Korruptionsaffären bis hin zur Aushebelung der Gewaltenteilung - verläuft seit Jahren ähnlich. Beide Länder sind enge Partner Russlands und Chinas und betreiben eine ähnlich geartete Schaukelpolitik zwischen Ost und West.
Von einem EU-Beitritt Serbiens unter Vucic würde vor allem Orban profitieren. Das Ziel des ungarischen Premiers ist ein "Europa der Souveränisten" und eine Umgestaltung der EU in diesem Sinne, wobei es vor allem darum geht, sich Finanz- und Wirtschaftshilfe zu sichern, Kritik an Rechtsstaatsmängeln aber auszuschalten. Mit Vucic hätte Orban darin einen Partner im Klub.