Sie kamen in Kostümen und auf bunten Wagen, mit Pappnasen und breiten Hosen. Nichts Besonderes für den Start der Karnevalssession in Bonn. Doch die Menschen brachten eine Botschaft mit: Stoppt den Klimawandel!
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Das Wetter hätte besser sein können, als sich die Karnevalisten am Samstagmittag in Bonn trafen. 2000 Personen erwartete die Polizei auf dem Marktplatz, um in die Karnevalssession zu starten. Doch um 11 Uhr 11 fiel nicht nur für sie der Startschuss. Ein paar hundert Meter weiter auf dem Kaiser- und Münsterplatz warteten rund 4000 Menschen auf diesen einen Moment. Sie demonstrierten gegen den Klimawandel und sandten so ein Zeichen an die UN-Klimaverhandlungen in den Bonner Rheinauen.
Rund 4000 Menschen demonstrierten in zwei Versammlungen für den Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Atomenergie. "Die Leute hier sind besorgt, dass die Politiker versagen und es mit der Verbesserung des Klimas nicht vorwärts geht", sagte Dagmar Paternoga von Attac Germany und Sprecherin des Bündnisses No Climate Change. Sie warnte davor, Kernenergie als saubere Alternative zu Erdöl und Kohle zu sehen. Kernkraftwerke verursachten zwar keine Treibhausgase. Ihre Abfälle seien aber gefährlich für Mensch und Natur.
Henning Garbers vom Weltatomerbe Braunschweiger Land weiß, welche Gefahren Atommüll mit sich bringt. "Wir haben schon in unserer Region erfahren, dass Atomkraft ein Umweltzerstörer ist." Garbers und seine Mitstreiter wohnen nahe dem Atommülllager Asse. In den 1970er Jahren wurden dort mehr als 100.000 Atommüllfässer in ein Salzbergwerk gesteckt. Mittlerweile ist das Lager undicht. Strahlung könnte das Grundwasser verseuchen. "Wir treten dafür ein, Atomkraftwerke weltweit abzuschalten", sagte Garbers. Um auf das Problem aufmerksam zu machen, fuhr die Gruppe mit ihrem als Nuklearboot dekorierten Karnevalswagen durch Bonn.
"Deutschland macht überhaupt nichts"
Bereits am vergangenen Wochenende zogen tausende Menschen durch die Stadt. Sie forderten ein Ende des Kohleabbaus. "Wir sind der Meinung, dass in Deutschland viel zu wenig für Klimaschutz getan wird", sagte Uwe Lipke von der Umweltorganisation BUND, "Wir möchten, dass Frau Merkel den Kohleausstieg voranbringt."
Im Jahr 2016 produzierte Deutschland mehr als die Hälfte seines Stroms aus fossilen Energieträgern. Bündnissprecherin Dagmar Paternoga ärgert das. Der Eindruck, Deutschland sei ein Klimaretter, sei falsch: "Die Bundesregierung macht überhaupt nichts. Die Emissionen sind in den vergangenen Jahren sogar nochmal angestiegen."
Von der Innenstadt aus bewegte sich der Protestzug in Richtung des Geländes, auf dem die Klimaverhandlungen stattfinden. Die Demonstranten bildeten eine bunte und fröhliche Menschenmenge. Ihre Kostüme setzten ein besonderes Zeichen gegen den Klimawandel. Die Pappnasen Rot-Schwarz Köln, die sich selbst als karnevalistisch-satirische Eingreiftruppe bezeichnen,trugen gestreifte Socken, rote Perücken und Drachenköpfe. Sie hatten auch einen überdimensionalen Karl Marx aus Pappmaschee dabei. "Wir finden, dass auch der Kapitalismus zum Teil hinter dem Klimawandel steckt", erklärte Pappnase Thomas Pfaff das Requisit.
Trump, der Klimafeind
Nach rund zwei Stunden kamen die Demonstranten des No Climate Change-Protests vor dem World Conference Center an. Auf der Straße legten sie einen Schriftzug aus. Er machte deutlich, wer für sie das größte Feindbild der Umweltaktivisten ist. "USA, Trump: Climate Genocide" - "Klima-Völkermord" lautete ihre Botschaft.
2015 hatten die USA dem Klimaabkommen von Paris zugestimmt.Im Frühjahr kündigte US-Präsident Donald Trump aber an, das Abkommen nicht umsetzen zu wollen. Er bezeichnete den Vertrag als unfairen Deal. Als zweitgrößter Verursacher von Treibhausgasen sind die USA jetzt das einzige Land, das nicht zustimmt - denn während der ersten Woche der COP23 in Bonn auch Syrien angekündigt, Teil des Abkommens werden zu wollen.
Politikern Druck machen
Umso mehr müssten die anderen Länder der Welt zusammenarbeiten, heißt es auf der Klimademo in Bonn: "Wir müssen den Politikern bei der Klimakonferenz Druck machen, damit es endlich definierte Ziele und feste Vereinbarungen gibt", sagte Bündnissprecherin Dagmar Paternoga. Vor allem müssten Klimaziele endlich ernst genommen werden, meinte Uwe Lipke vom BUND: "In Paris haben wir gesehen, dass bei den Verhandlungen etwas rauskommen kann. Aber davon wird sehr wenig umgesetzt."
Selbst die Ziele des Pariser Abkommens seien noch nicht streng genug. Statt maximal zwei Grad, müsse die Erderwärmung unter 1,5 Grad gehalten werden, appellierten einige Teilnehmer der Demonstration. Sprecherin Paternoga wünscht sich: "Ich persönlich möchte, dass auch meine Enkel noch auf dieser Erde leben können." Und Uwe Lipke fügte hinzu: "Wenn sich die Erde um zwei oder sogar drei Grad erwärmt, dann gnade uns Gott."
Demonstranten stürmen Europas größten Braunkohle-Tagebau
Erst demonstrieren Braunkohlegegner friedlich beim Tagebau Hambach. Dann durchbrechen hunderte Aktivisten die Polizeisperren. Vor dem Bonner Klimagipfel wollen sie Druck auf die Politiker ausüben.
Bild: DW/Wecker/Banos Ruiz
Kohleausstieg - jetzt!
Einen Tag vor Beginn der Weltklimakonferenz COP23 haben sich tausende Anti-Kohle-Aktivisten beim Hambacher Tagebau versammelt, um einen vollständigen Kohleausstieg zu fordern. Die Demonstranten, in weiße Schutzanzüge gekleidet, sind zehn Kilometer weit marschiert - von einem nahegelegenen Dorf bis zum Tagebau.
Bild: DW
Die Zerstörung vollenden
Der Hambacher Tagebau ist der größte CO2-Emitter in Europa. Für die Ausweitung der Mine wurden bereits Teile eines tausendjährigen Waldes abgeholzt und Dörfer abgerissen - weitere sollen folgen. Aktivisten glauben, dass die Klimagespräche in Bonn - nur 50 Kilometer entfernt - Unsinn sind, solang der Tagebau weiterläuft.
Bild: DW
Friedlich kämpfen
Trotz starker Polizeipräsenz war die Stimmung zunächst sehr friedlich. Bunte Plakate und bemalte Gesichter, zusammen mit Gitarren und Gesang, waren die Protagonisten des Protests - zumindest während des ersten Teils.
Bild: DW/Wecker/Banos Ruiz
Achtung, Lebensgefahr!
Als sich die Demonstranten der Mine näherten, verstärkten Polizeibeamte ihre Präsenz und blockierten den Marsch. Mit Lautsprechern warnten sie die Demonstranten, dass sie ein Privatgrundstück beschritten und ihre Sicherheit gefährdet sei.
Bild: DW
Lauf, lauf, lauf!
Die Demonstranten wurden zunehmend aufgeregter, als sie sich dem Tagebau näherten, und obwohl sie schon viele Kilometer gelaufen waren, rannten und jubelten sie auf den letzten Metern.
Bild: DW
Ein Erfolg - für heute
Eine solche Kohleinfrastruktur zu blockieren war der beste Weg, um ihrer Stimme für einen sofortigen Kohleausstieg Gehör zu verschaffen, sagen die Aktivisten. Und ja, zumindest für eine Weile hat der riesige Bagger aufgehört zu arbeiten - das war natürlich ein großer Erfolg für hunderte Aktivisten, die es bis auf das Gelände geschafft haben.
Bild: DW
Kohle stoppen, Klima schützen
Es war nicht der einzige Protest am Wochenende, zu dem sich Anti-Kohle-Aktivisten und Klimafreunde aus der ganzen Welt versammelt haben. Aber alle hatten das gleiche Motto: Kohle stoppen, Klima schützen. Es ist schwer, in Europa einen Platz zu finden, der die Kohle-Debatte so gut repräsentiert wie der Hambacher Tagebau.
Bild: DW
Die Verstärkung ist da
Nach dem langen Fußmarsch und Stunden in der Kälte schien der Protest dem Ende entgegenzugehen. Doch dann stürmten zwei weitere Aktivisten-Gruppen auf das Gelände. Sie hatten sich zuvor von den anderen Demonstranten getrennt, um der Polizei zu entkommen.
Bild: DW/Wecker/Banos Ruiz
Zeit zum Handeln
Die Aktivisten haben ihr Ziel erreicht: Teile des Hambacher Tagebaus wurden gestoppt, zumindest für einen Tag. Ob Politiker während der Klimakonferenz COP23 langfristige Maßnahmen zum Kohleabbau ergreifen werden, bleibt ungewiss.
Bild: DW/Wecker/Banos Ruiz
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Anti-Kohle-Demo in Bonn
Zehntausende Menschen sind in Bonn gegen den dreckigen fossilen Brennstoff Kohle auf die Straße gegangen. Wir haben nach ihrer persönlichen Motivation gefragt.
Bild: Getty Images/S. Gallup
Nur noch kurz die Welt retten
"Wenn wir die Erde nicht versuchen zu retten, dann passiert auch nichts. Wir sind gegen alles, was dem Klima schadet", sagt die 80-jährige Helga.
Bild: DW/K. Wecker
Energiewende
"Die Kohle ist gar nicht so billig, die ist einfach nur stark subventioniert und die Folgekosten werden nicht eingerechnet, wie die Luftverschmutzung und der Klimawandel. Wenn man es ganz ökonomisch sieht, ist Windkraft und Solar eine der billigsten Energieträger, die es gibt", sagt Johannes. Er muss es wissen: Er ist Servicetechniker für Windkraftanlagen.
Bild: DW/K. Wecker
Profitgier
"Das Klima ist nicht ok, weil Profit immer an erster Stelle steht. Die Regierung muss jetzt ändern, wie wir Strom erzeugen. Aber Profit scheint den Mächtigen wichtiger zu sein und deswegen sind wir hier – wir wollen einen Wandel", sagen die Eltern des kleinen Demonstranten aus Belgien.
Bild: DW/K. Wecker
Klimawandel bereits Realität
"Wir wollen sichergehen, dass unsere Stimmen aus dem Pazifik, die den Klimawandel bereits erleben, auf Aktionen wie diesen hier gehört werden", sagt Josephzane von den Pacific Climate Warriors.
Bild: DW/K. Wecker
Zukunft der Kinder
Hier protestiert die ganze Familie. "Ich laufe mit, weil ich glaube, dass der Energiewandel noch viel radikaler angegangen werden muss, sonst erreichen wir die Klimaziele nicht", sagt Papa Gregor und Mama Tini fügt hinzu: "Es ist für die Kinder extrem wichtig, wir müssen uns für die Umwelt, fürs Klima einsetzen, damit wir ihnen nicht die Zukunft verbauen."
Bild: DW/K. Wecker
Aktive Jugend
"Ich laufe mit, weil Leute etwas unternehmen sollen, vor allem die Jugend, um ihren Handabdruck zu erhöhen – der Handabdruck als Symbol für den Klimaschutz – und ihren Fußabdruck zu verringern. Es ist wichtig, dass die Jugend aktiv wird. Die zukünftige Generation wird am meisten vom Klimawandel betroffen sein. Die Verantwortung liegt bei uns", sagt Booja.
Bild: DW/K. Wecker
Jeder kann etwas tun
"Wir finden es unheimlich wichtig, sich dafür einzusetzen, dass sich etwas ändert in der Welt. Jeder kann etwas tun fürs Klima, auch als einzelne Person. Das fängt bei kleinen Entscheidungen an, wenn man Einkaufen geht oder auf Demos mit läuft", sagt Eva.