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PolitikSudan

Darfur: Massives Leid durch Machtkampf zweier Generäle

15. Mai 2024

Die humanitäre Lage in Darfur wird aufgrund der Machtkämpfe der rivalisierenden Kriegsparteien immer dramatischer - insbesondere in der Stadt El Fasher. Der Krieg im Sudan könnte weiter eskalieren, befürchten Beobachter.

Eine Frau trägt einen Wasserkanister in El Fasher
Durch die Blockade von El Fasher sind tausende Menschen ohne Zugang zu Wasser, Nahrung und medizinischer HilfeBild: Unamid Handout/Albert Gonzalez F/picture alliance

"Massaker", "Gemetzel", "Blutvergießen": Beobachter von UN und Menschenrechtsorganisationen befürchten das Schlimmste, sollte die anhaltende Belagerung von El Fasher - der letzten Hochburg der regulären sudanesischen Streitkräfte (SAF) in Darfur - durch die abtrünnigen sogenannten Rapid Support Forces (RSF) in einen Großangriff münden.

Seit dem Ausbruch des Krieges im Sudan im April 2023 hat sich El Fasher zur größten Anlaufstelle für Flüchtlinge entwickelt. Derzeit leben dort rund 1,5 Millionen Menschen, darunter 800.000 Binnenvertriebene.

Ein informelles Abkommen zwischen den Kriegsparteien- den SAF unter General Abdel Fattah Burhan und den RSF unter General Mohammed Hamdan Dagalo (auch "Hemeti" genannt) - hatte der durch Flucht und Vertreibung stark angewachsenen Bevölkerung der Stadt bisher relative Sicherheit gewährt.

Doch die Situation änderte sich im vergangenen Monat, als zwei bewaffnete Gruppen in El Fasher, die so genannte Sudan Liberation Army und das Justice and Equality Movement, ankündigten, sich auf die Seite der regulären Streitkräfte zu stellen.

"Diese beiden Gruppen haben nicht nur ihre eigenen lokalen Netzwerke, sondern sehen in den Rapid Support Forces auch einen gemeinsamen Feind, was sie sehr stark zusammenschweißt", sagt Hager Ali, Sudan-Expertin am GIGA Institute for Global and Area Studies in Hamburg, im DW-Gespräch. Im Gegenzug verstärkten die rivalisierenden RSF ihre militärischen Anstrengungen, so Ali. So wollten sie sicherstellen, dass die neuen Allianzen nicht zu stark werden oder in die Lage versetzt werden, militärisch wirksam gegen die Belagerung vorzugehen.

Mutter mit Kind in einem Flüchtlingscamp in El Fasher: Durch die Belagerung droht den Menschen eine humanitäre Katastrophe Bild: Albert Gonzalez Faran/Unamid/Han/dpa/picture alliance

Willkürliche Tötungen, Niederbrennen von Dörfern 

Die humanitäre Lage in und um El Fasher sei katastrophal, erklärte Anfang des Monats Toby Harward, der stellvertretende UN-Koordinator für humanitäre Hilfe im Sudan. "Die Sicherheitslage hat sich erheblich verschlechtert, unter anderem durch vermehrte zunehmende willkürliche Tötungen, Diebstahl von Vieh, systematisches Niederbrennen ganzer Dörfer in ländlichen Gebieten, eskalierende Luftangriffe auf Teile der Stadt und die sich verschärfende Belagerung um El Fasher. Diese hat die humanitären Hilfskonvois zum Stillstand gebracht und den Handel abgewürgt ", so Harward in einem Bericht vom 2. Mai.

Laut einer kürzlich durchgeführte Analyse des Humanitarian Research Lab der Universität Yale wurden zudem seit Mitte April 23 Gemeinden in Nord-Darfur gezielt niedergebrannt.

Die Folgen für die Bevölkerung sind dramatisch. Nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms läuft die Zeit ab, um eine Hungersnot in der riesigen Region zu verhindern.

Die US-Botschafterin bei den UN, Linda Thomas-Greenfield, erklärte bereits Ende April gegenüber Reportern, sie befürchte, die Geschichte werde sich in Darfur auf "schlimmste Weise" wiederholen." El Fasher stehe "am Rande eines groß angelegten Massakers".

Angriffe auf ethnische Minderheiten 

Bereits kurz nach Ausbruch des Krieges im April 2023 dehnten sich die Kämpfe zwischen der SAF und RSF schnell von der sudanesischen Hauptstadt Khartum auf Darfur aus. Dort identifiziert sich ein Teil der Bevölkerung als arabisch und ein anderer als afrikanisch. Laut Human Rights Watch (HRW) starteten die RSF und mit ihnen verbündeten Milizen sogenannte "ethnischen Säuberungen" gegen die nicht-arabische Bevölkerung Darfurs. Am 9. Mai veröffentlichte HRW einen Bericht über Ermordungen und Vertreibungen von Menschen der ethnischen Minderheit der Masaliten in Darfur im Jahr 2023. UN-Experten gehen davon aus, dass allein in El Geneina (alternative Schreibweise: Al-Dschunaina), der Hauptstadt von West-Darfur, rund 15.000 Menschen getötet und mehr als eine halbe Million Menschen vertrieben wurden.

Ebenfalls in dieser Woche veröffentlichte das Sudanese Archive, eine Open-Source-Plattform, die digitale Informationen zu Menschenrechtsverletzungen sammelt, Filmmaterial, das die Misshandlung von Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, durch die Rapid Support Forces in El Geneina im November 2023 zeigt.

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Sorge vor Rache-Attacken 

Derzeit ist ungewiss, ob die RSF einen Großangriff starten werden, um endgültig die Kontrolle über El Fasher zu übernehmen. Würden sie es tun, dann stünde mehr als ein Drittel des sudanesischen Territoriums, einschließlich der Grenzen zu Libyen, dem Tschad und der Zentralafrikanischen Republik, unter ihrer Macht. 

Beobachtern zufolge wäre ein RSF-Sieg in El Fasher jedoch mit einem hohen Preis verbunden: "Eine Schlacht um die Kontrolle der Stadt hätte ein massives Blutvergießen unter der Zivilbevölkerung zur Folge. Außerdem würde sie zu Racheangriffen in den fünf Darfur-Staaten und über die Grenzen Darfurs führen", erklärte UN-Koordinator Toby Harward.

Ähnlich sieht es Constantin Grund, Leiter des Khartumer Büros der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung: "Ein Angriff würde weitere lokale bewaffnete Gruppen provozieren, sich den Kämpfen anzuschließen, mit katastrophalen Folgen für die Zivilbevölkerung", so Grund zur DW. Darüber hinaus würden die RSF in Teilen der Bevölkerung ihre bisherige politische Popularität und ihr Ansehen verlieren: "Es würde den Rückgang der lokalen Unterstützung beschleunigen und die enormen Anstrengungen der RSF, sich den Anschein von Legitimität zu geben, auf einen Schlag zunichte machen."

Seit dem Ausbruch des Krieges ist El Fasher zu einer Anlaufstelle für anderthalb Millionen Menschen geworden Bild: ALI SHUKUR/AFP

Hoffnung auf internationalen Druck

Unterdessen bleiben die internationalen Forderungen nach einem Waffenstillstand und der Wiedereröffnung der Korridore für humanitäre Hilfe unerhört - auf beiden Seiten. 

Anfang Mai etwa telefonierte der saudische Außenminister mit beiden rivalisierenden Generälen und forderte sie auf, die Kämpfe zum Schutz der staatlichen Institutionen und der sudanesischen Nation einzustellen - bisher jedoch vergeblich. 

Ohne internationalen Druck wird es nicht gehen, erklärt Hager Ali vom GIGA-Institut am Beispiel der RSF: "Die RSF halte sich derzeit für völlig unempfindlich gegenüber realen Konsequenzen", sagt sie. Die Miliz gehe davon aus, dass sie hinsichtlich einer etwaigen internationalen Strafverfolgung nichts zu befürchten habe. 

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

 

Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.
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